Gema-Protest: Warum es heute auf vielen Weihnachtsmärkten still ist

Auf vielen Weihnachtsmärkten sollten die Musikboxen am Montag still bleiben. Damit wollen die Betreiber auf die aus ihrer Sicht hohen Musikkosten der Gema aufmerksam machen. Doch die Verwertungsgesellschaft ist verwundert über die Aufregung.
Unter leuchtendem Himmel: der Weihnachtsmarkt am Dom. Foto: Oliver Berg dpa/lnw
Unter leuchtendem Himmel: der Weihnachtsmarkt am Dom. Foto: Oliver Berg dpa/lnw

Weihnachtshits wie „Last Christmas“ oder „All I Want For Christmas Is You“ werden viele Weihnachtsmarktgänger in NRW und ganz Deutschland dieses Jahr wohl nicht zu hören bekommen. Denn: Weihnachtsmarktbetreiber beschweren sich über aus ihrer Sicht hohe Musik-Rechnungen der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema).

Am Montag (4. Dezember) sollten es deswegen aus Protest auf vielen Märkten komplett still bleiben. Einige wollten auch ganz auf lizenzfreie Musik umstellen. Die Gema weist die Vorwürfe zurück.

Viele Weihnachtsmarktbetreiber klagen über einen Kostenanstieg für die Musiknutzungsrechte. Deutschlandweit hat die Gema nach eigenen Angaben für 2022 rund 3350 Rechnungen an Weihnachtsmarktbetreiber versendet. In rund 167 Fällen habe es Preissteigerungen gegeben – in 35 Fällen sogar im fünfstelligen Bereich.

Gema-Zahlungen nun 40 Mal so teuer

Darunter beispielsweise der Weihnachtsmarkt in Frankfurt. Die Zahlungen für die Nutzung weihnachtlicher Musik sind laut Veranstalter seit 2019 von 1000 auf 40.000 Euro gestiegen. Oder in Braunschweig, rund 18.000 Euro mehr verlangt dort die Gema laut Angaben des Stadtmarketings. Als Konsequenz soll es dort nun keine Auftritte von Chören mehr geben.

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In Sachsen haben sich mehrere Städte zusammengeschlossen, die in einer Petition gegen den behaupteten Preisanstieg vorgehen wollen. Strikte Konsequenzen ziehen die Betreiber in Potsdam: In diesem Jahr werde es dort nur Gema-freie Musik geben.

Die Gema vertritt in Deutschland als Autorengesellschaft die Urheberrechte von über 90.000 Rechteinhabern wie Komponisten, Textdichtern und Musikverlage sowie von über zwei Millionen Rechteinhabern weltweit. Sie schüttet die Einnahmen an sie aus, wenn urheberrechtlich geschützte Lieder gespielt werden. Musikstücke, deren Urheber seit mindestens 70 Jahren tot sind, sind dagegen lizenzfrei.

Die Größe der Weihnachtsmärkte ist entscheidend

Die Kostensteigerung scheint auf den ersten Blick seltsam. Denn der Tarif ist nicht neu, schon seit 2011 berechnet die Verwertungsgesellschaft die Kosten für die Gesamtbeschallung mit Musik gleich – nämlich anhand der Größe der gesamten Veranstaltungsfläche.

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„Gemessen werden muss von Wand zu Wand, vom ersten bis zum letzten Stand“, heißt es in einer von der Gema am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung. Heruntergebrochen bedeutet das: Je größer die beschallte Fläche, desto höher die Lizenzkosten. Die Musik an den einzelnen Buden ist von dem Streit nicht betroffen. Für die dort abgespielte Musik schließen die Schausteller eigene Verträge mit der Gema ab.

Sind also die Kosten gestiegen, weil viele Weihnachtsmärkte größer geworden sind? Das könnte eine Möglichkeit sein, so Gema-Sprecherin Ursula Goebel zur Deutschen Presse-Agentur. Viele Märkte seien in den vergangenen Jahren gewachsen und auch die Öffnungszeiten seien oft verlängert worden. Doch die Gema macht vor allem einen anderen Grund aus.

Falsche Angaben und fehlende Kontrolle

„Wir wissen, dass einzelne Weihnachtsmärkte falsche Angaben gemacht haben. Einige große, umsatzstarke Märkte haben uns deutlich zu kleine Flächen gemeldet“, erklärt Gema-Vorstandsmitglied Georg Oeller. Die Gema habe die Gesamtfläche der Märkte bis 2022 nicht kontrolliert, sondern sich in den vergangenen Jahren auf die gewissenhafte und korrekte Anmeldung der Weihnachtsmarktbetreiber verlassen.

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„Jetzt haben wir aber im letzten Jahr stichprobenartig überprüft und gemerkt: Das ist nicht der Fall“, so Goebel. Einige Weihnachtsmarktbetreiber hatten da wohl ein Auge zugedrückt. „Ich will nicht allen vorsätzliches Handeln vorwerfen, aber es gibt sicher einige, die in den vergangenen Jahren falsche Flächen angemeldet haben oder das einfach nicht gewusst haben“, sagt die Sprecherin.

Teuer ist die Musik dabei im Grunde nicht. 2,5 Cent gehen laut Gema von den Einnahmen pro Besuch für Musik ab – durchschnittlich hinterlasse jeder Besucher rund 18 Euro. „Kein Weihnachtsmarkt muss auf Musik verzichten, nur weil diese Musik durch die Gema lizenziert wird“, meint Oeller.

Einigungen mit der Gema werden gesucht

Der Deutsche Städtetag hat auf die Situation reagiert und das Gespräch mit der Verwertungsgesellschaft gesucht. „Uns wurde zugesagt, dass die Gema auf die Städte mit signifikant höheren Rechnungen zugehen wird, um Lösungen dafür zu finden“, teilt der Deutsche Städtetag mit. In Leipzig wurde laut Informationen des MDR bereits ein Rabatt in Höhe von 50 Prozent auf die Mehrkosten gewährt.

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Der Gema-Vorstand blickt kritisch auf die Arbeit des Städtetags. „Im Hinblick auf die Weihnachtsmärkte ist der Verband seiner Aufgabe, noch deutlicher über die Anwendung des Tarifs zu informieren, offensichtlich nicht ausreichend nachgekommen“, so Oeller.

Auch die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland befindet sich nach eigenen Angaben mit der Gema in Verhandlungen. Aus Sicht der Bundesvereinigung geht es um zwei Punkte: Einerseits brauche es bessere Definitionen für die verschiedenen Tarife der Gema und andererseits solle darüber gesprochen werden, ob die derzeitigen Tarifmodelle überhaupt angemessen seien für Stadtfeste.

Weihnachtsmärkte planen am Montag „Tag der Stille“

Aus Protest soll es deshalb am Montag (4. Dezember) auf Weihnachtsmärkten in Hannover, Leipzig, Dresden, Erfurt, Magdeburg, Rostock, Quedlinburg und Goslar komplett still bleiben. Am sogenannten „Tag der Stille“ kann wohl also kein Weihnachtsklassiker mit dem Glühwein in der Hand mitgesungen werden.

dpa