Was verläuft entlang des Mains und beschreibt unterschiedliche Vorlieben von Nord- und Süddeutschen?

Der Lakritzäquatorverläuft entlang des Mains. Nördlich davon essen die Menschen Lakritz gern, südlich mögen sie den Geschmack nicht.
Lakritz
Foto: Lakrids by Johan Bülow/dpa
Foto: Lakrids by Johan Bülow/dpa

Es schmeckt ihr einfach nicht. Egal ob als Katze, in Rautenform oder als Schnecke – Margarethe Mühlbauer mag kein Lakritz. „Dabei esse ich generell alle möglichen Süßigkeiten gerne und könnte ohne gar nicht leben“, sagt die 22 Jahre alte Pädagogikstudentin aus Zettisch in Bayern. „Aber Lakritz schmeckt für mich einfach irgendwie nach extrem süßer, holziger und zäher Erde“. Auch Umerziehungsversuche ihres Opas halfen nichts. „Der hat mir früher immer eine Tüte Lakritz geschenkt. Aber ich mochte es trotzdem nicht.“

Rebecca Schreiber sieht das ähnlich. „Der Geschmack von Lakritz ist mir zu herb und zu heftig“. Ab und zu isst es die 24-jährige Münchnerin doch, „aber dann muss irgendwie Zuckerguss darüber sein. Einfach nur Lakritz, ohne alles, würde ich mir nie kaufen.“

Typisch Bayern, findet Heiner Wolters. Der 45-Jährige ist Pressesprecher von Katjes, einem der bekanntesten Lakritzhersteller Deutschlands, und beobachtet das Phänomen schon länger. „Es gibt einen Lakritzäquator in Deutschland, der ungefähr auf Höhe der Mainlinie verläuft. Nördlich davon essen die Menschen Lakritz gern, südlich mögen sie den Geschmack einfach nicht“. Verkaufszahlen belegen die Existenz dieses Äquators: „Über 80 Prozent unseres Lakritz verkaufen wir in Deutschland in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.“ Bleiben 20 Prozent für die restlichen 14 Bundesländer.

Bei Haribo, dem Bonner Süßwaren- und Lakritzhersteller, sieht die Lage ähnlich aus, auch wenn genaue Zahlen nicht bekannt gegeben werden. „Die Bayern nennen Lakritz ‚Bärendreck‘. Zwar aus Spaß, aber sie sind eben bis heute trotzdem keine Lakritzesser, das muss man akzeptieren“, sagt Pressesprecher Marco Alfter. „Sie mögen dafür Fruchtgummi, je bunter desto besser.“

Die Hersteller haben sich darauf eingestellt. Sowohl Katjes als auch Haribo bieten im Süden Deutschlands ein kleineres Lakritzsortiment an. „Unser scharfes Erwachsenenlakritz findet man in Bayern selten“, sagt Alfter, „anstelle dessen gibt es viele Kombiprodukte, zum Beispiel Vampire, wo dann der Körper aus Lakritz und die Flügel aus Fruchtgummi sind.“

Wirklich erklären können sie es sich jedoch nicht. „Lakritz polarisiert eben, entweder man liebt es oder man hasst es“, sagt Heiner Wolters von Katjes, „eine genaue Erklärung für dieses Phänomen haben wir aber nicht“. Marco Alfter von Haribo vermutet die Seefahrer dahinter. „Im Norden wurde eben schon früh Lakritz importiert und als Überlebensmittel genutzt, denn es stillt den Hunger und löscht den Durst. Über die Generationen ist das dann geblieben.“

Es liegt am Meer, glaubt auch die Expertin Ilse Böge. Die 42-Jährige betreibt seit zehn Jahren einen Lakritzladen in Berlin und hat sich schon viel mit dem Thema beschäftigt. „Die salzige Meeresluft im Norden führte dazu, dass Salz schon immer mehr in Speisen eingebunden war. Die Menschen sind daran gewöhnt und mögen deshalb auch Salzlakritz so gerne.“ Doch auch das bleibt eine Vermutung: „Wirklich erklären kann man das Phänomen nicht, weil es keine richtigen Quellen gibt.“

Aber die Lage ist nicht aussichtslos. „Auch den Bayern kann man Lakritz sicher schmackhaft machen“, glaubt Böge. „Man muss es einfach mit der richtigen Sorte probieren. Wenn ein Bayer in meinen Laden kommt, würde ich ihn eben nicht sofort mit Salzlakritz verschrecken, sondern ihm erstmal etwas Liebliches anbieten.“

dpa