So lief der Karnevalsbeginn in NRW: Lage am 11.11. „im Bereich des normalen Wahnsinns“

Die Karnevalszeit in den rheinischen Hochburgen ist angebrochen. Da der Sessionsauftakt dieses Jahr auch noch auf einen Samstag fiel, waren insbesondere in Köln extrem viele Feiernde unterwegs.
Karneval in Köln – Karnevalisten am 11.11.2023
Auch zum Krieg gibt es zum Start in den Karneval in Köln diverse Schilder zu sehen. Foto: Oliver Berg/dpa
Auch zum Krieg gibt es zum Start in den Karneval in Köln diverse Schilder zu sehen. Foto: Oliver Berg/dpa

Seit diesem Samstag ist die fünfte Jahreszeit angebrochen. Der Karneval im Rheinland ist zurück. In Köln, Düsseldorf und anderen Hochburgen sind die Karnevalisten am Samstag um 11.11 Uhr in ihre neue Session gestartet. In Köln kam es zu dem erwarteten Massenandrang mit vielen zehntausend Feiernden.

Weil der 11.11. dieses Jahr auf einen Samstag fiel, hatte sich die Stadt auf einen besonderen Ansturm von Partytouristen eingestellt. Dazu kam recht gutes Wetter mit viel Sonnenschein am Nachmittag. Bereits in den vergangenen Jahren war die Zahl der Feiernden von auswärts in Köln spürbar gestiegen.

Menschen aus ganz Deutschland zum Sessionsauftakt in Köln

Mit 1000 Polizisten, 180 Ordnungsamtsmitarbeitern und mehr als 1000 privaten Sicherheitskräften versuchte die Stadt, Herr der Lage zu bleiben. Zur aktuellen Situation sagte eine Polizeisprecherin am Samstagnachmittag: „Alles noch im Bereich des normalen Wahnsinns.“

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Die Feiernden reisten aus dem ganzen Bundesgebiet an. Drei als Hogwarts-Schülerinnen verkleidete Bayerinnen zum Beispiel bezeichneten es als „einmalige Chance“, das Treiben an einem Wochenende miterleben zu können. „Wir sind Lehrerinnen und können uns nie frei nehmen“, erläuterte Svenja (31). Das Erlebnis sei toll: „Köln ist eine komplett andere Welt.“

In Düsseldorf verfolgten auf dem Rathausplatz etwa 5000 Menschen das Erwachen des Hoppeditz, der dieses Jahr etwas länger brauchte, bis er sich aus seinem Senftopf befreit hatte. Auch die umliegenden Straßen waren nach den Worten eines Sprechers des Comitees Düsseldorfer Carneval „pickepackevoll“.

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Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker gedenkt der jüdischen Mitbürger

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker besuchte am Samstag die größte Kölner Synagoge, die sich fast direkt an der Hauptpartymeile befand. „Wir denken natürlich an die Not und Verzweiflung, die unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger im Moment erleben“, sagte die parteilose Politikerin. „Hier wird unweit der Synagoge jetzt Karneval gefeiert. Viele Menschen brauchen diese Zeit des Feierns. Andere können die Gedanken an die gewaltsamen Übergriffe der Hamas und die Konsequenzen nicht verdrängen.“

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Aus Solidarität mit allen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern erklang zuvor im Historischen Rathaus von Köln der Ruf: „Kölle Alaaf! Kölle Alaaf! Kölle Schalom!“ Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins „Kölsche Kippa Köpp“, sagte bei dem Empfang, die Jüdinnen und Juden in Köln seien in Not und bräuchten alle Bürger an ihrer Seite. „Wir haben immer mehr Menschen auch in Köln, die uns absprechen, Kölnerinnen und Kölner zu sein. Die uns sagen, dass wir nicht mehr hierhingehören.“

Karneval in Krisenzeiten ist legitim

Karnevalspräsident Christoph Kuckelkorn versicherte Knappstein, der Karneval stehe fest an seiner Seite. „Das Gespenst, das wir eigentlich besiegt gesehen haben, ist wieder zurück in unserer Zeit, und das macht mir richtig Angst“, so Kuckelkorn. Er erinnerte an die belastete Geschichte des Karnevals in der NS-Zeit: „Auch der Karneval war damals, in der Zeit des Nazi-Regimes, ein Teil der Maschinerie, war Teil der Propaganda, hat sich total hingegeben.“

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Der Psychologe Stephan Grünewald hält Karnevalsfeiern vor dem Hintergrund von Krieg und Krisen für legitim. „Karneval ist ein Akt der Selbstfürsorge und steigert auch die persönliche Resilienz“, sagte der Buchautor („Wie tickt Deutschland?“) und Chef des Kölner Rheingold-Instituts der Deutschen Presse-Agentur. Die Alternative wäre, sich grübelnd ins stille Kämmerlein zurückzuziehen. „Ich glaube aber, jemand, der in der Lage ist zu feiern, ist auch zum Mitleid fähig, weil er dann die Ressource dazu hat.“ Es gehe ja nicht ums Durchfeiern, sondern um einen kurzen Lichtblick in einer sich verdunkelnden Welt.

dpa