Quarterback Jadrian Clark von Rhein Fire im Interview: „Ich fühle mich endlich angekommen“

Besser könnte es für Jadrian Clark aktuell nicht laufen. Der US-amerikanische Quarterback ist mit den Footballern von Rhein Fire mit vier Siegen in Folge in die ELF-Saison gestartet. Im exklusiven Interview mit Tonight News verrät er das Erfolgsrezept des Teams und spricht über seine persönlichen Ziele.
Jadrian Clark ist in seiner zweiten Saison als Starting Quarterback von Rhein Fire. Foto: Justin Alexander Derondeau
Jadrian Clark ist in seiner zweiten Saison als Starting Quarterback von Rhein Fire. Foto: Justin Alexander Derondeau

Für Menschen wie Jadrian Clark ist der Begriff des Sonnyboys erfunden worden. Der US-Amerikaner empfängt Tonight News aufgeschlossen und mit offenen Armen zum Interview am Düsseldorfer Carlsplatz. Kein Anflug von Hochnäsigkeit oder Arroganz – und das trotz seines beeindruckenden aktuellen Erfolges.

Der 29-Jährige aus Florida hat die ELF-Footballer von Rhein Fire zu einem perfekten Saisonstart mit vier Siegen in Folge geführt. Dabei gelang ihm bereits am dritten Spieltag eine Leistung für die Geschichtsbücher: Beim 58:28-Kantersieg gegen die Paris Musketeers warf Clark herausragende acht (8!) Touchdown-Pässe – ein potenzieller Allzeit-ELF-Rekord.

Im Gespräch spricht Clark über den aktuellen Höhenflug von Rhein Fire, schwärmt von Trainern und Teamkameraden und verrät, was Deutschland noch verbessern muss, um den Football hierzulande auf die nächsthöhere Stufe zu heben.

Tonight News: Jadrian, gab es nach dem vergangenen Spiel Donuts?

Jadrian Clark: (lacht) Oh, du hast von meinem Deal mit unserer O-Line gehört? Ich hab den Jungs vor Saisonbeginn gesagt, dass ich ihnen nach jedem Spiel, in dem sie keinen Sack zulassen, eine Runde Donuts spendiere. Das ist ihnen im ersten Spiel gegen Frankfurt Galaxy auch direkt gelungen. Gegen Köln mussten wir jedoch ein paar Sacks hinnehmen, weshalb ich keine Runde geschmissen habe – wobei das ganze Team Donuts verdient hätte nach dieser sensationellen Leistung.

Ihr habt die rheinischen Conference-Rivalen aus Köln, die Cologne Centurions, auswärts mit 42:0 geschlagen. Hast du einen solch dominanten Sieg schon einmal in deiner Karriere verbuchen können?

Wir alle wissen um die historische Rivalität zwischen Düsseldorf und Köln, dementsprechend extramotiviert sind wir in die Partie gegangen. Einen solch deutlichen Sieg im einem Derby einzufahren, ist besonders großartig.

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Rhein Fire ist in der laufenden ELF-Spielzeit noch ungeschlagen, konnte in vier Partien vier Siege verbuchen. Gab es vor der Saison Anzeichen, dass euch ein solcher Traumstart gelingen könnte?

Wir haben während der Saisonvorbereitung die Erwartungen an uns selbst kontinuierlich erhöht, weil wir wussten, wie viel Talent in uns steckt, was für ein starkes Trainerteam wir haben. Genauso wichtig wie die interne Motivation war jedoch auch, dass wir ganz bewusst Lärm von außen ausgeschlossen haben. Wir haben uns voll und ganz auf unseren Weg fokussiert – und der lautet: ein Spiel nach dem anderen. Deswegen halte ich auch nichts davon, jetzt schon von einer Regular Season ohne Niederlage oder den Playoffs zu träumen.

Rhein-Fire-Quarterback schwärmt von Head Coach Jim Tomsula

Du kannst aber nachvollziehen, dass Fans und Experten euch nach diesem herausragenden Saisonstart bereits zum Kreis der ELF-Titelkandidaten zählen, oder?

Ich kann diese Erwartungen nachvollziehen und auch mit ihnen umgehen. Mir ist nur wichtig, dass sie unsere Weiterentwicklung als Team nicht stören. Unser Head Coach Jim Tomsula hat in der Saisonvorbereitung eine sehr treffende Analogie gewählt: Wenn du in dein Auto steigst, weißt du, was dein Ziel sein soll. Ab dem Moment, ab dem du es ins Navi eingegeben und losgefahren bist, denkst du jedoch nicht mehr darüber nach, sondern konzentrierst dich nur auf die nächste Ansage des Navis, das nächste Abbiegen, das nächste Wechseln der Spur. Und genauso fühlt sich diese Saison bisher für uns an.

Rhein-Fire-Wide-Receiver Anthony Mahoungou (li.) rennt der Sea-Devils-Defensive davon (Archivbild).
Foto: Marcus Brandt/dpa

Du bist in deinem zweiten Jahr als Starting Quarterback bei Rhein Fire, zuvor hast du unter anderem in Hamburg, Wien und Braunschweig je eine Saison Football gespielt. Fühlt es sich so an, als ob du in Düsseldorf nun endlich eine zweite Heimat in Europa gefunden hast?

Zu 100 Prozent fühlt es sich so an. Ich liebe Düsseldorf und seine Menschen. Ich liebe mein Team und meine Coaches. Ich liebe unsere Fans. Nach einigen wirklich verrückten Jahren – mit der Pandemie, der Gründung der ELF, all den Unsicherheiten, die damit einhergingen – fühle ich mich endlich angekommen.

Rhein Fires Head Coach Jim Tomsula bringt jahrzehntelange NFL-Erfahrung mit, war unter anderem ein Jahr Head Coach beim fünffachen Super-Bowl-Champion San Francisco 49ers mit der Quarterback-Ikone Colin Kaepernick. Was konnte Tomsula deinem Spiel, aber auch dir als Persönlichkeit noch beibringen?

Eine Menge. Er ist eine der klügsten und am härtesten arbeitenden Personen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe. Neben all den sportlichen Hinweisen, die er mir tagtäglich gibt, ist das Wichtigste, was er mich kontinuierlich lehrt, dankbar zu sein. Das mag jetzt sehr kitschig klingen, aber es ist nicht selbstverständlich, dass wir diesen Beruf ausführen dürfen, dass tausende Menschen jede Woche ihr hart verdientes Geld ausgeben, um uns spielen zu sehen. Die zweite große Sache, die er mir beigebracht hat, ist Ruhe zu bewahren. Ich wurde früher sehr aufbrausend während des Spiels, doch Tomsula zeigte mir, dass Ruhe in hektischen Situationen zu mehr Durchblick führt. Das rechne ich ihm hoch an.

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Setzt mit dem aktuellen Erfolg bei dir auch das Träumen von einer möglichen sportlichen Zukunft in den USA ein, etwa als Backup-Quarterback in der NFL? Kurt Warner ist schließlich nach einem Europa-Abstecher auch erst mit 27 Jahren der Sprung in die NFL gelungen – und nur ein Jahr später wurde er zum MVP gewählt und führte die St. Louis Rams zum Super-Bowl-Erfolg.

Kurt Warner hat gezeigt, dass alles möglich ist. Würde ich ihn jetzt aber als Blaupause heranziehen und seiner Karriere hinterherfantasieren, würde es nur dazu führen, dass ich irgendwann mit meiner eigenen Situation unzufrieden wäre – und das wäre Unsinn. Ich bin extrem glücklich mit meinem Leben und würde meine Karriere schon jetzt als großen persönlichen Erfolg bezeichnen.

Rhein-Fire-Quarterback Jadrian Clark gelangen gegen Paris unfassbare acht Passing Touchdowns.
Foto: Justin Alexander Derondeau

Neben deiner gut justierten Offense ist die Defense ein weiterer Trumpf von Rhein Fire, besonders Defensive Back Omari Williams hat sich bereits als Pick-Six-Maschine profiliert. Inwieweit macht es dir die Arbeit einfacher, zu wissen, dass die Jungs in der Verteidigung auch immer für einen Touchdown gut sind?

Omari ist das, was wir im Football einen „ballhawk“ nennen. Er hat einfach diesen Instinkt für Spielsituationen, kann Bälle so antizipieren und mit seiner Athletik den Gegnern die entscheidenden Momente voraus sein. Von seinem Spielstil und Charakter her würde ich Omari mit Jalen Ramsey vergleichen, der 2021 mit den Los Angeles Rams den Super Bowl gewonnen hat und ab dieser Saison für die Miami Dolphins auflaufen wird.

Um auf die gesamte Defense zurückzukommen: Ich stehe als Quarterback am meisten im Rampenlicht, kann dort aber nur scheinen, weil meine Offensive Liner und die Defense mir die Zeit verschaffen, die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Sie sorgen mit ihrer umsichtigen und harten Arbeit dafür, dass erst niemand auf die Idee kommt, Superman-Pässe von mir zu erwarten.

Jadrian Clark fordert Football-Akademien in Deutschland

Wie würdest du das sportliche Niveau der ELF einschätzen? Ist es etwa vom Niveau mit US-College-Football vergleichbar?

Ich würde das Spielniveau der ELF mit niedrigklassigerem Division-1-College-Football vergleichen. Das ist immer noch ein sehr gutes Level, schließlich ist die Division 1, wie der Name bereits sagt, die höchste College-Spielklasse in den USA. Die Eigenheit der ELF ist, dass sich das Talent der Spieler innerhalb der Liga so stark unterscheidet. Du kannst auf einen Gegenspieler treffen, der locker Starter in der NFL sein könnte, während sein Teamkollege erst seit drei, vier Jahren Football spielt und die ausgemachte Schwachstelle der Mannschaft ist.

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Wie ließe sich deiner Meinung nach dieser gravierende Qualitätsunterschied innerhalb der ELF bereinigen?

Der Qualitätsunterschied zwischen US-Amerikanern und Europäern liegt aus meiner Sicht im Zeitpunkt, an dem man mit dem Footballsport beginnt. Da kommt eine Eigenheit der USA zum Tragen, denn dort sind die Sportteams in der Schule integriert, es gibt kein Vereinswesen, wie es in Europa üblich ist. Das führte beispielsweise bei mir dazu, dass ich mit sieben oder acht Jahren mit Football begann und in meiner Kindheit nach dem Unterricht noch zwei, drei Stunden auf dem Schulgelände blieb, um zu spielen und zu trainieren.

Wäre das Integrieren von Flag Football als Unterrichtsinhalt im Schulsport ein Ansatz für Europa?

Flag Football kann nützlich sein, um den ersten Kontakt zum Sport herzustellen. Danach fehlt es dem Football in Europa jedoch an der Infrastruktur, um die Kinder im Jugendalter an den Tackle Football heranzuführen und diesbezüglich auszubilden. Denn sonst beginnen Europäer im Kindesalter doch eher etwa mit Fußball, einfach weil der örtliche Verein diesen Sport anbietet, und bleiben dabei hängen. Da bräuchte es schon Football-Akademien als Ersatz zum US-Schulsystem, um wirklich nachhaltig Talente mit NFL-Aussicht hervorzubringen.

Fiebern deine Familie und Freunde in Florida an ELF-Spieltagen mit?

Auf jeden Fall. Sie veranstalten regelmäßig „Watch Partys“ und stecken mit ihrem Enthusiasmus die ganze Nachbarschaft an. Man kann sagen, dass in meiner Heimat Florida eine stabile Rhein-Fire-Community entstanden ist – was auch daran liegt, dass der Teamname den US-Amerikanern leichter über die Lippen geht als so manch anderer in der ELF (lacht).

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In diesem Jahr finden wieder zwei NFL-Partien in Deutschland statt. Wie wichtig sind sie für die Popularität des Footballsports in Deutschland – und inwiefern kann die ELF vom Hype profitieren?

Football ist ein kontinuierlich wachsender Sport in Deutschland. Das sieht man auch daran, dass wir mit Rhein Fire direkt zum ersten Saisonspiel gegen Frankfurt über 12.600 Zuschauer im Stadion begrüßen durften und damit einen neuen ELF-Franchise-Rekord aufgestellt haben. Damit wir diese Besucherzahl übertreffen können, benötigt es auch die Berichterstattung über die NFL: Nichts macht größere Werbung für den Sport als ihn auf seinem höchsten Niveau zu erleben und erklärt zu bekommen.

Die Menschen, die sich über die NFL in Football vergucken, haben es dann nicht mehr weit zur ELF. Die Liga hat ihre Saison clever in den Sommer gelegt – so konkurriert sie weder mit dem deutschen Volkssport Nummer eins, Fußball, noch mit der NFL, die erst im Herbst startet. Für die Mehrzahl der Footballfans ist die ELF die einzige Möglichkeit Profi-Football in Deutschland live zu verfolgen.