„Neue Dimension der Aggressivität“: Silvester-Herausforderung für Polizei und Sanitäter

Silvester ist für Rettungskräfte immer eine Herausforderung. Doch vor einem Jahr wurden sie auch noch selbst häufiger zur Zielscheibe von Angriffen. Die Polizeigewerkschaft GdP hätte sich deshalb deutlich mehr Böllerverbote in NRW gewünscht.
Böllerverbotszone an Silvester in Düsseldorf
Böllerverbotszone an Silvester in Düsseldorf: Hinweisschilder hängen am Zugang zur Altstadt. Foto: Martin Gerten/dpa
Böllerverbotszone an Silvester in Düsseldorf
Böllerverbotszone an Silvester in Düsseldorf: Hinweisschilder hängen am Zugang zur Altstadt. Foto: Martin Gerten/dpa

Nach den teils massiven Angriffen auf Einsatzkräfte in der vergangenen Silvesternacht übt die Polizeigewerkschaft GdP Kritik an den Sicherheitskonzepten beim kommenden Jahreswechsel. Es sei unverständlich, dass es in mehreren nordrhein-westfälischen Großstädten keine Böllerverbotszonen gebe, sagte der Landesvorsitzende Michael Mertens der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn Leute betrunken sind und im Schutz der anonymen Masse mit Böllern herumschießen, wird es unübersichtlich und gefährlich für die Einsatzkräfte“, warnte Mertens. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht die Polizei für den bevorstehenden Großeinsatz hingegen gut aufgestellt.

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Der Jahreswechsel sei für Polizei und Feuerwehr immer eine besondere Herausforderung, betonte der Minister. „Viele Menschen kommen auf den Straßen zusammen, feiern, trinken Alkohol und böllern. Sicher sind da auch wieder Chaoten dabei, die über die Stränge schlagen.“ Dann werde die Polizei konsequent einschreiten, versprach der Minister.

In der Silvesternacht 2022/23 waren in mehreren NRW-Städten Böller und Raketen gezielt auf Polizisten und Rettungskräfte geschossen worden, auch Steine flogen auf die Einsatzkräfte. Reul sprach damals von einer „neuen Dimension der Aggressivität“. Nur die wenigsten Täter konnten identifiziert werden.

Gewerkschafter fordert Böllerverbote in Großstädten

Als Reaktion darauf hätten vor allem die Großstädte gemeinsam mit der Polizei Konzepte für die jeweiligen Hotspots entwickeln müssen, sagte Polizeigewerkschafter Mertens. „Dort, wo es Böllerverbotszonen gibt, kann sich gar keine anonyme Masse bilden und die Situation kann sich nicht hochschaukeln.“ Dass mehrere Metropolen darauf verzichten, sei unverständlich. „Das läuft auch in diesem Jahr in vielen Bereichen wieder nach dem Motto: Augen zu und durch.“

Hotspots sind zum Jahreswechsel traditionell die größten Städte im Land. Köln reagiert nach den Erfahrungen vor einem Jahr besonders deutlich und weist erstmals eine große Böllerverbotszone in der kompletten linksrheinischen Innenstadt vom Rhein bis zu den Ringen aus. Damit verfolge man zwei wichtige Ziele, sagte Stadtdirektorin Andrea Blome: „Weniger Lärm und Feinstaub – besserer Schutz für Einsatzkräfte.“

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Deutlich zurückhaltender ist Düsseldorf: Die Landeshauptstadt verbietet Böller wie schon in den vergangenen Jahren lediglich in der Altstadt – dort sei die Lage wegen der engen Gassen besonders gefährlich, teilt die Stadt mit.

Essen, Duisburg und Dortmund verzichten auf Verbote

Essen und Duisburg verzichten ganz auf ein örtliches Böllerverbot. „Angriffe mit Feuerwerkskörpern auf Passanten, Rettungskräfte und Polizisten ereigneten sich in der Silvesternacht 2022/2023 im gesamten Duisburger Stadtgebiet“, teilte die Stadt Duisburg mit. Mit einem örtlichen Verbot würden sich die Probleme außerdem lediglich in andere Stadtteile verlagern.

Dortmund hat das viele Jahre geltende Feuerwerks-Verbot diesmal sogar bewusst aufgehoben – zum ersten Mal seit 2016 gibt es in der Stadt keine besonderen Einschränkungen für Pyrotechnik. „Damit setzt die Stadt Dortmund auf die Vernunft der Bürger*innen und Besucher*innen, die die Jahreswechsel in der City zuletzt überwiegend friedlich gefeiert haben“, heißt es von der Stadt.

Bochum hat ein Böllerverbot für eine einzige Straße erlassen, in der es vergangenes Jahr Angriffe mit Feuerwerkskörpern auf Polizisten gab. In Münster sind Domplatz, Prinzipalmarkt und Bahnhofsvorplatz böllerfreie Zonen. In Bielefeld darf rund um die Sparrenburg und auf dem Boulevard am Hauptbahnhof nur ohne Feuerwerk gefeiert werden. In Aachen sind Raketen in der historischen Altstadt verboten. In Krefeld gibt es ein Verbot rund um den Zoo, wo vor drei Jahren in der Silvesternacht eine Himmelslaterne ein verheerendes Feuer im Affenhaus verursachte.

Generell ist bundesweit das Zünden von Pyrotechnik in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Pflege- und Kinderheimen verboten.

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Reul: Jeder trägt zu einem friedlichen Silvester bei

NRW-Innenminister Reul appellierte an die Menschen, auch selbst etwas für einen friedlichen Jahreswechsel zu tun. „Es ist nicht nur Aufgabe der Polizei dafür zu sorgen, dass es friedlich bleibt. Jeder, der Silvester feiert, trägt dazu bei, dass es ein friedlicher Start ins Jahr wird. Ich appelliere besonders an die jungen Menschen, sich nicht mitreißen zu lassen“, sagte der Minister.

Die nordrhein-westfälische Polizei war beim vergangenen Jahreswechsel mit 6000 Beamten im Einsatz, 42 von ihnen wurden verletzt. In Bonn hatten mehrere Jugendliche Müllcontainer angezündet und anschließend die Feuerwehr bei ihrem Einsatz mit Pyrotechnik und Steinen beworfen. In Hagen setzten vermummte Täter eine Straßenbarrikade in Flammen und bewarfen die eintreffenden Rettungskräfte mit Feuerwerk. In Essen und Bochum wurden Polizisten zur Zielscheibe, als sie verhindern wollten, dass sich Personengruppen gegenseitig mit Raketen beschießen.

dpa