NRW-Markthändler in der Krise – über zehn Prozent weniger Umsatz durch Inflation

Viele Markthändler stehen vor Herausforderungen. Nach einer Phase außergewöhnlich hoher Umsätze während der Corona-Pandemie geht die Besucherzahl auf Wochenmärkten zurück. Die Branche sieht sich weiteren Problemen gegenüber.
Großmarkt Düsseldorf Radschlägermarkt
Foto: Tonight.de/Huy Ngo
Foto: Tonight.de/Huy Ngo

Die erhöhten Preise und die Sparmentalität vieler Verbraucher setzen den Händlern auf deutschen Wochenmärkten zu. Im Jahr 2023 gingen die Umsätze bundesweit inflationsbereinigt um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück, in einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen sogar um mehr als 10 Prozent, wie aus offiziellen Statistiken hervorgeht. Damit fielen die Erlöse der Branche deutlich stärker als die des Einzelhandels insgesamt, der real einen Rückgang von 3,3 Prozent verzeichnete.

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Preiserhöhungen führen zu rückläufigem Mengenumsatz

Laut Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft verdanken die Wochenmärkte ihren Umsatz vor allem den steigenden Preisen. Der Mengenumsatz und die Zahl der Haushalte, die dort einkaufen, sei deutlich rückläufig. Laut Daten der Marktforscher von GfK entfielen in Deutschland nur 1,1 Prozent der Verbraucherausgaben für frische Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Kartoffeln, Fleisch, Fleischwaren, Geflügel, Eier, Käse, Brot und Gebäck auf Wochenmärkte. „Die Branche hat in den letzten 30 bis 40 Jahren insgesamt stark an Bedeutung verloren. Obwohl die Märkte bei der Bevölkerung beliebt sind, besuchen viele Menschen sie gar nicht. Die Kundschaft ist auch stark überaltert“, so Behr.

Umsatzwachstum während der Coronazeit

Der Bundesverband Schausteller und Marktkaufleute (BSM) sieht einen weiteren Grund für den Einbruch im Geschäft, nämlich eine Normalisierung nach der Coronazeit. In den Jahren 2020 bis 2022 verzeichneten die Märkte ein außergewöhnliches Umsatzplus, sagte BSM-Sprecher Olaf Lenz. „Viele Kunden haben es vorgezogen, ihre Einkäufe unter freiem Himmel zu tätigen, um das Infektionsrisiko zu verringern.“ Nach der Pandemie änderten die Verbraucher jedoch wieder ihre Einkaufsgewohnheiten. Lenz zufolge habe man inzwischen wieder das Niveau vor Corona erreicht.

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Rückgang der aktiven Marktkaufleute

Der Verband sieht keine grundlegende Existenzkrise der Wochenmärkte. Die Nachfrage und das Konsumverhalten seien langfristig stabil. Auf der Angebotsseite gibt es dennoch Probleme. Laut BSM sinkt die Zahl der aktiven Marktkaufleute. „Immer weniger junge Menschen wollen diesen Beruf ergreifen. Er bedeutet lange Arbeitszeiten unter freiem Himmel, auch bei ungünstigen Wetterbedingungen muss der Marktstand geöffnet sein“, sagte Lenz. Weil Personal fehlt, sei es oft nicht möglich, Betriebe weiterzuführen, wenn jemand in den Ruhestand gehe. Bundesweit gibt es laut dem BSM etwa 40.000 Marktkaufleute. Die Zahl der Märkte sei relativ stabil, viele seien jedoch in den vergangenen Jahren geschrumpft. Zahlen nannte der Verband nicht.

Wettbewerb mit Supermärkten und Discountern

Sven Schulte von den Industrie- und Handelskammern NRW ist überzeugt, dass Wochenmärkte eine Zukunft haben. „Die Menschen gehen nicht nur dorthin, um sich zu versorgen. Ein Markt ist immer auch ein Treffpunkt und hat eine soziale Funktion“, sagte der fachpolitische Sprecher. Auch die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sei hoch. Dennoch sieht Schulte einen stärkeren Wettbewerb. „Supermärkte und Discounter bieten inzwischen ebenfalls viele regionale und nachhaltig erzeugte Produkte an.“ Die Wochenmärkte dürften nicht zu sehr ausdünnen. „Wenn es irgendwann nicht mehr 30 oder 40, sondern nur noch 15 Stände sind, trägt das nicht mehr.“

Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov vom 5. März gehen 15 Prozent der Menschen in Deutschland mindestens einmal in der Woche auf einem Wochenmarkt einkaufen, 14 Prozent mindestens einmal im Monat, 38 Prozent seltener und 30 Prozent nie.

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Düsseldorfer Großmarkt vor dem Aus

Seit über 100 Jahren zieht es Markthändler und Gastronomen früh morgens oder nachts auf den Düsseldorfer Großmarkt in der Ulmenstraße. Hier wird gefeilscht, gehandelt und eingekauft. Die Restaurants der Stadt beziehen einen Großteil ihrer Lebensmittel von dem traditionsreichen Markt in Unterrath. Auch die Floristen aus der Region kaufen hier ihre frischen Blumen ein. Denn der Markt ist offiziell unter dem Namen Blumengroßmarkt bekannt. Doch 2024 soll Schluss mit der 100-jährigen Tradition sein. Was mit dem Großmarkt passiert, lest ihr hier.

mit dpa