Gastronom, Künstler, Visionär: Walid El Sheikh – was ihn beschäftigt und was er als nächstes plant

Seit über 20 Jahren prägt er mit seinen Bars, Clubs und Restaurants die Düsseldorfer Ausgehlandschaft: Walid El Sheikh. Tonight News hat den Mann, der mit seinen detailverliebten Gastrokonzepten die Stadtentwicklung vorantreibt, getroffen.
Der Düsseldorfer Gastronom Walid El Sheikh wurde für seine innovativen Konzepte nun als "Gastronom des Jahres" ausgezeichnet. Foto: Tonight News /Joshua Sammer
Der Düsseldorfer Gastronom Walid El Sheikh wurde für seine innovativen Konzepte nun als "Gastronom des Jahres" ausgezeichnet. Foto: Tonight News /Joshua Sammer

Als studierter Schauspieler unterhielt Walid El Sheikh in den 2000er-Jahren NRWs Theaterbesucher in den verschiedensten Rollen. Heute bietet der Selfmade-Gastronom der jungen Düsseldorfer Stadtgesellschaft eine „Bühne“: Dabei kommen seine Lokale genauso divers und facettenreich daher wie er selbst in seinen Rollen – vom kosmopolitischen Sir Walter bis zur mexikanisch geprägten Mezcaleria Rojo. Wie sein künstlerisches Studium ihn noch heute bei der Konzeptionierung seiner Locations beeinflusst und worauf er besonders stolz ist, verrät der Düsseldorfer Tonight News im Interview.

Tonight News: Walid, was erwartet uns in deiner neuen Gastronomie HôtelHôtel in der Location des ehemaligen Benders Marie?

Walid El Sheikh: Wenn es etwas wäre, was die Leute erwarten, dann müsste es ja etwas sein, was die Leute kennen. Es wird etwas sein, was die Leute nicht kennen. Sie können das Unerwartete erwarten.

Kannst du es dennoch etwas konkretisieren?

Dann wäre ich ja wie ein Zauberer, der seinen Zaubertrick verrät. Wir bringen eine Farbe in die Altstadt, die die Altstadt so nicht kennt – ohne dabei den Mainstream zu bedienen. Der Mainstream ist uns in der Gruppe nicht zuwider, aber ihn zu bedienen, wäre zu banal. Wir wollen eine Gastwirtschaft so gestalten, dass sie sich wie neu anfühlt, obwohl sie sich eigentlich an den ureigenen Wünschen und Sehnsüchten der Gäste bedient. Am Ende macht jeder Besucher aus dem Ort sowieso das Eigene. Ich werde es nicht als Restaurant bezeichnen und nicht als Bar. Es wird einfach „DER Ort“ sein. Es wird Kleinigkeiten zu essen geben und ausgesuchte Drinks, sowie eine große Auswahl an Weinen und Schaumweinen. Es wird wie eine andere Welt, in die man eintaucht. Das HôtelHôtel mache ich übrigens gemeinsam mit Moritz von Schrötter und Sebastian Druschel.

Walid El Sheikh mit seinem Geschäftspartner Moritz von Schrötter. Foto: privat

Du steigst mit deinem neuen Laden HôtelHôtel auch in die Hotelbranche ein. Das ist eine neue Herausforderung für dich.

Das weiß ich nicht, ob ich in die Hotelbranche einsteige. Nur, weil es HôtelHôtel heißt, muss es kein Hotel sein. Es wird auf jeden Fall Zimmer zu mieten geben. Wenn es nur darum ginge, dort zu übernachten, dann wäre das ja auch banal, weil das ja hunderttausendfach am Tag passiert. Es ist die Art und Weise, wie ich die Zeit in diesem Hotelzimmer verbringen kann – und das wird den Unterschied ausmachen.

Gibt es schon einen Zeitpunkt oder Zeitraum für die Eröffnung?

Nein.

Du hast viele verschiedene Barkonzepte vom ibizenkischen Paradise Now über die mexikanische Mezcal-Bar bis zur American Sportsbar. Wo greifst du die Stilrichtungen auf, die das junge Düsseldorfer Publikum gerade sucht?

Das Paradise Now ist nicht ibizenkisch nur, weil man das Interieur so vielleicht aus Ibiza kennt. Es ist auch arabesk, teilweise frankophil. Es ist einfach hochkomplex. Zum Thema Inspiration: Es sind sehr oft Sehnsüchte, die einen dazu bringen, etwas zu machen. Manchmal ist es ganz simpel spontan inspiriert. Ich denke: „Darauf hätte ich Lust.“ Ich sehe den leeren Raum und bin relativ kurzfristig in der Lage, daraus Welten vor meinem inneren Auge zu schaffen. Genau dieser Raum, dieses Material, diese Musik, diese Getränke bewegen mich in dem Moment und darauf habe ich dann Lust. Meistens ist es so, dass ich zufällig auf einen Raum treffe, mich mit ihm auseinandersetze und mich dann das Gefühl überkommt, was ich damit mache und dann passiert es. Es ist ein Zufallsprodukt. Das Einzige, was nicht zufällig ist, ist die Bereitschaft mutig zu sein und es auszuprobieren.

Was motiviert dich dazu, immer neue Locations aufzumachen? Du könntest es ja auch bei deinen gut laufenden Läden belassen.

Was würde denn passieren, wenn die Erde aufhören würde, um die Sonne zu kreisen? Kollaps!

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Dein Business hört ja nicht auf zu kreisen. Es würde ja weiterhin gut laufen.

Nein, das ist Stillstand. Man muss sich immer weiter entwickeln. Auch die bisherigen Läden entwickeln sich kontinuierlich weiter. Dies ist in meine Augen der Mikrokosmos, der sich weiterentwickelt und das andere ist der Makrokosmos, was bedeutet, den Progress auch außerhalb des bestehenden Raums zu suchen.

Es gibt auch Unternehmer, die immer mehr wollen und bei denen das Business dann plötzlich den Bach heruntergeht.

Ja, das sind Unternehmer, die alles auf sich fokussieren und die nicht bereit sind, im Team zu wachsen.

Du hast an der Folkwang Universität der Künste in Essen Schauspiel, Regie und Dramaturgie studiert. Kannst du davon in irgendeiner Form profitieren, wenn es um Raumgestaltung für deine Bars geht?

In der Schauspielerei geht es darum, ein Gefühl zu erzeugen und es zu kontrollieren, gegebenenfalls sich auch dem hinzugeben. Was macht der Raum mit einem Gefühl? Am Ende des Tages war es für den kreativen und psychologischen Aspekt sehr wertvoll dieses Studium zu haben. Es braucht auch das moralische Wissen: Wie möchte ich, dass sich Menschen in Räumen fühlen? Völlig unabhängig, wie ich sie mit Musik und Kulinarik beeinflusse.

Was an deinen gastronomischen Projekten macht dich stolz?

Mich macht stolz, dass sehr viele unserer Besucher uns auch als Schutzraum wahrnehmen, in dem sie sich abbilden, wie sie sich in dem Moment fühlen oder wie sie selbst wahrgenommen werden wollen. Manchmal beschäftigen sie sich monatelang damit, was sie an diesem einen Abend tragen und dann kommen sie in einem Outfit, dass sie nicht bei der Arbeit, in der Uni oder beim Abendessen tragen würden, das jedoch ganz speziell ihren eigenen Bedürfnissen entspricht, weil sie diesen Style aus einem Musikvideo oder bei einem Influencer auf Social Media gesehen haben und es schön finden. Das macht den Reiz aus, Orte zu schaffen, an denen man Menschen beeinflussen kann, mutig zu sein und sich so zu geben, wie es ihrer eigenen Vorstellung entspricht.

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Du bist gebürtiger Düsseldorfer. Wo bist du früher selbst ausgegangen?

Von der fünften bis zur siebten Klasse sind wir immer ins Marché im Untergeschoss der Kö-Galerie gegangen. Da haben wir dann einen Apfelsaft oder eine Cola getrunken. Später sind wir dann ins Schaukelstühlchen oder in die Quetsche gegangen. Das ist jetzt alles die Brauerei Kürzer. Wir waren auch oft im Zakk. Ich habe aber vom Ausgehen auch nie viel mitbekommen, weil ich meistens selbst in der Gastro gearbeitet habe. Mit 16 Jahren habe ich im Malkasten angefangen. Später habe ich dann mit ein paar anderen Leuten meinen ersten Laden, die Anaconda Lounge, aufgemacht, um mein Studium zu finanzieren.

Hast du dein Studium abgeschlossen und als Schauspieler gearbeitet?

Ja, ich habe am Grillo-Theater in Essen gespielt, am Theater in Aachen, in Solothurn (Stadt in der Schweiz, Anm. d. Red.) und hier am Düsseldorfer Schauspielhaus habe ich eine Inszenierung mit meinem Abschlussjahrgang der Folkwang Universität gespielt. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass es ein Politikum ist, mich zu inszenieren. Da habe ich der Schauspielerei den Rücken zugekehrt und mich auf meine zweite Leidenschaft, die Gastronomie, fokussiert.

An welche Rollen, die du gespielt hast, erinnerst du dich?

In „Angst essen Seele auf“ von Rainer Werner Fassbinder habe ich die männliche Hauptrolle gespielt sowie in „Viel Lärm um nichts“ von Shakespeare. Einmal habe ich auch einen Frauenmörder in Dea Lohers „Blaubart“ gespielt, um nur einige wenige Rollen zu nennen.

Vermisst du das?

Anfangs ja und auch jetzt, wenn ich mal ins Theater gehe, denke ich, das wäre doch mal wieder schön, Theater zu spielen, aber es ist nicht so, dass mir in meinem Alltag etwas fehlt.

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Wie hat sich die Ausgehszene in Düsseldorf in den vergangenen zehn Jahren verändert?

Das ist ein ständiger Prozess und Progress. Man merkt, dass Großraumdiskos so langsam aussterben, sowas wie das Tor 3 oder die Partys im 3001. Das sind Locations, die über Events oder Partyreihen funktionieren. Der Trend geht jetzt eher hin zu Orten, die keine Events brauchen, also Orten, die aus sich heraus funktionieren. Das ist wesentlich kleinteiliger und vielfältiger. Die Menschen brauchen immer mehr Individualität.

Wie unterscheidet sich Düsseldorf gastronomisch von anderen Städten?

Am Ende des Tages sind wir in Düsseldorf gastronomisch sehr breit aufgestellt. Wir haben hier auch ein großes Angebot an Restaurants, das auf globale Ketten wie Zuma oder Nusret verzichtet, sondern eher mit etwas Eigenem, Identitärem glänzt.

Du würdest gerne noch eine Weinbar in Oberkassel eröffnen. Wie ist da der Stand?

Der Bauantrag ist gestellt und ich gehe zu 99 Prozent davon aus, dass das klappt. Es wird natürlich Lärmschutzauflagen, Terrassenzeiten, Stellplatzregelungen usw. geben. Diese Auflagen werden wir alle erfüllen.

Laut einer aktuellen Statistik musste kürzlich jede vierte Bar in NRW schließen. Wie merkt ihr die Energiekrise, die Nachwehen von Corona oder die Mehrkosten durch den Mindestlohn, was das Personal betrifft?

Ja, wir haben mehr Ausgaben durch die Energiekrise, unsere Mitarbeiter verdienen auch etwa 30 Prozent mehr als in den vergangenen Jahren und die Ware ist zwischen 20 und teilweise 80 Prozent teurer geworden. Wir machen mehr Umsatz, aber der Gewinn wächst tatsächlich nicht proportional zur Umsatzsteigerung. Aber ich messe mich nicht daran, wie viel Gewinn ich mache, sondern daran, ob ich in der Lage bin, weitermachen zu können – und das können wir. Aber es ist traurig, dass viele wegsterben und es nicht überlebt haben. Corona und die Preissteigerungen sind jetzt vielleicht die Ursachen, die das Ganze final zum Kippen gebracht haben, aber das ist der Lauf der Dinge. Denn es gibt Gastronomen, die entwickeln sich nicht weiter und bleiben stehen und die kippen dann nach hinten um. Das ist einer der Gründe, warum wir immer weitermachen wollen.

Kannst du dir vorstellen, über die Stadtgrenzen von Düsseldorf hinauszuziehen und beispielsweise in Köln etwas zu eröffnen?

Da denken wir auch drüber nach. Köln ist auch schon mal in den Gesprächen gefallen. Das ist alles möglich, aber jetzt noch nicht konkret geplant.