Elektro-Pop-Duo Paulinko aus Ratingen: Mit Musik gegen das Patriarchat

Die Band Paulinko aus Ratingen startet aktuell durch. Mit ihrer Musik hat das Duo bereits erste Aufmerksamkeit auf sich gezogen, im Sommer soll durch Konzerte und Festivals der große Durchbruch gelingen.
Paulinko
Paulinko sitzen im K22-Studio in Krefeld vor einem Mischpult. Foto: Marc Fischer
Paulinko sitzen im K22-Studio in Krefeld vor einem Mischpult. Foto: Marc Fischer

Das K22-Studio in Krefeld ist nicht gleich auf Anhieb zu finden. Zwar befinden wir uns hier an einer starkbefahrenen Hauptstraße, der Eingang und die Räumlichkeiten liegen aber in zweiter Reihe ein wenig versteckt. Hinter einer unscheinbaren Fassade liegt ein Studio, welches mit modernster Technik begeistert. Viele Equalizer, ein riesiges Mischpult, Monitore und Boxen bestimmen das Bild.

Hier nehmen Paulinko, ein Duo bestehend aus Sängerin Anna und Schlagzeugerin Lisa, ihre Songs auf. Erst Anfang März erschien ihre aktuelle Single „Skandal im Patriarchat“. Eine Kampfansage an eine männerdominierte Gesellschaft. Über 150.000 Aufrufe hat der Song bereits auf der Streaming-Plattform Spotify.

Neben den Aufnahmen und der Produktion übernimmt das Tonstudio, geleitet von zwei Männern im gesetzteren Alter, auch das Management der Band. Beim Songwriting sind alle beteiligt. Die Texte aber kommen meist – in Zusammenarbeit mit Lisa – von Frontfrau Anna. So auch bei „Skandal im Patriarchat“.

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Mit dem Erfolg der Songs kommen auch die Live-Anfragen. Während sich viele kleine Musiker und Gruppen mühsam ihre Konzerte und Gigs zusammensuchen müssen, sind Paulinko inzwischen über diese Hürde hinweg. „Wir haben viele Bewerbungen rausgehauen, aber diesmal kamen echt viele Festivals auf uns zu und wollten uns buchen“, so Anna im Interview mit Tonight News.

Paulinko: Weibliche Vorbilder für eine neue Generation?

Zu Gute kommt dem Duo dabei, dass es den Zeitgeist trifft, wie aktuell kaum eine andere deutsche Band: Zwei Frauen mit elektronischer Musik, aber Live-Schlagzeug, dazu deutsche Texte und harter Achtziger-Einschlag.

Für die beiden Musikerinnen eine logische Entwicklung. „Es haben die Vorbilder gefehlt. Da waren nicht viele Frauen, die sich mit Instrumenten auf die Bühne gestellt haben“, so Anna.

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Paulinko, Sängerin Anna und Schlagzeugerin Lisa, im K22-Studio in Krefeld.
Foto: Marc Fischer

Seit drei Jahren gibt es die Konstellation in der Form, inzwischen stellt sich der Erfolg ein. Dabei haben alle Beteiligten in der Zeit eine Menge dazugelernt. „Ich hatte vor drei Jahren noch keinerlei Erfahrung. Da hat sich mein Musikverständnis schon sehr weiterentwickelt“, so Anna.

Auch Lisa ist sich der Voraussetzungen bewusst. „Ich kenne noch Proberäume, die komplett verdreckt und runtergekommen waren. Als ich zum ersten Mal hier war, habe ich nicht schlecht gestaunt. Bessere Voraussetzungen kann man nicht haben.“

Paulinko: Authentizität ist Trumpf

Die beiden Musikerinnen kennen sich schon eine ganze Weile. Bereits vor einigen Jahren begegneten sich Anna und Lisa in einer Indie-Rockband. Musikalisch hatte es damals nicht gepasst, gut verstanden haben sich die Sängerin und die Schlagzeugerin dennoch. So kam letztlich auch die Zusammenarbeit als Paulinko zustande.

Dass beide eine unterschiedliche musikalische Sozialisation hinter sich haben, lässt sich bei Paulinko gut überbrücken. Denn während Anna großer Fan der Achtziger ist – besonders der Musik der Humpe-Schwestern –, kommt Lisa eher aus dem rockigen Bereich, schränkt aber sogleich ein, dass ihr eigentlich alles gefällt. „Ich muss halt Bock drauf haben. Das Konzept von Paulinko hat mir gefallen, ich fand’s authentisch. Das hat mich gereizt.“

Paulinko kamen jedoch vor allem wegen des Studios zustande. Denn die Macher des K22-Studios suchten Künstlerinnen für ein Elektropop-Projekt und stießen bei ihrer Suche auf Anna, die sich bei der Vorstellung des Projekts direkt angesprochen gefühlt hat. Auf Anraten von Anna stieß schließlich auch Lisa dazu.

Paulinko: „Wenn ich was brauche, erledige ich das auf eigene Faust“

Als gelernte Mediengestalterin kann Anna zudem aus einem großen Wissensfundus schöpfen, was die Vermarktung und Promotion von Paulinko angeht. Zwar schlummerte der Traum von einer großen Musikkarriere schon seit früher Kindheit in der Sängerin, eine Absicherung in Form einer Ausbildung, falls es mit der Karriere nicht klappt, war aber trotzdem unausweichlich. Inzwischen aber kann sie beide Welten bestens miteinander verbinden.

„Ich bin ein sehr visuell und ein kreativer Mensch“, erklärt sie. „Daher ist ein großer Vorteil, dass ich Promofotos, Videos etc. alles selbst machen kann. Wenn ich was brauche, erledige ich das schnell auf eigene Faust. Da brauchen wir niemanden von außen zu fragen.“

Was jedoch Annas große Leidenschaft ist, teilt Lisa nur bedingt. „Ich hasse Fotoshootings. Da gehe ich lieber zum Zahnarzt. Worum es mir geht, ist Musik zu machen und zu performen. Alles andere ist nur Mittel zum Zweck. Aber deshalb bin ich auch nicht Frontfrau, sondern sitze hinterm Schlagzeug.“

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Die beiden Musikerinnen von Paulinko stehen vor dem Eingang zum K22-Studio in Krefeld.
Foto: Marc Fischer

Auch was die Möglichkeiten der beiden Musikerinnen in der rheinischen Region angeht, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Während Sängerin Anna die Beschaulichkeit des Niederrheins schätzt, ist Schlagzeugerin Lisa davon überzeugt, dass sie ohne Paulinko schon längst in einer größeren Metropole wohnen würde. So werden vor allem Instrumentalisten schnell von den immer gleichen Leuten angefragt. Das sei in Köln oder Berlin anders.

So aber lassen sich vor allem für Lisa noch der Job, die Familie und Paulinko unter einen Hut bringen. Denn während Anna freiberuflich als Mediengestalterin arbeitet und dadurch viel Zeit in die Band investieren kann, ist ihre Mitstreiterin noch in der 40-Stunden-Woche gefangen. Denn noch wirft das Projekt Paulinko nicht genug ab, um auch hauptberuflich davon leben zu können.

Paulinko: Prägende Erlebnisse im Frauenhaus

In einer Sache aber sind sich Paulinko einig: Dass sich für Frauen in diesem Land noch einiges zum Positiven ändern muss. „Ich habe eine Zeit lang in einem Frauenhaus gearbeitet, da habe ich viele Menschen kennengelernt, denen es richtig beschissen ging“, so Lisa. Daher unterstützt das Duo beispielsweise die Kampagne „Rauf die Plätze“, die sich für eine staatliche Finanzierung von Frauenhäusern einsetzt.

Denn durch die Tatsache, dass die Häuser privat finanziert werden, kommt es immer wieder zu Engpässen. „Es darf niemals von deiner finanziellen Situation abhängen, ob du Sicherheit bekommst oder nicht“, fordert Anna. „Du solltest dir immer Schutz suchen können, wenn du ihn brauchst.“ Mit der Unterstützung der Kampagne haben sie laut eigener Aussage bereits „einiges ins Rollen gebracht.“

Die Musikerinnen verstehen sich auch deshalb selbstbewusst als Sprachrohr. „Ich sehe mich schon als Vorbild, auch wenn wir jetzt noch nicht die ganz große Reichweite haben. Aber wir haben schon viel positive Rückmeldung bekommen“, berichtet Lisa.

Paulinko: „Machen nichts für Fame und Geld“

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere sind geschaffen, erste Grundsteine gelegt. Was aber, wenn beispielsweise „Germany’s Next Topmodel“ mit einer Anfrage für einen neuen Titelsong daherkommt? Hier scheiden sich die Geister im Studio. Denn während beide Musikerinnen dagegen sind, werden die Produzenten hellhörig, was mögliche Karrieresprünge angeht.

„Ich würde grundsätzlich nichts für Fame und Geld machen“, gibt Lisa die Marschrichtung der beiden Frauen vor. „Helene Fischer könnte morgen anrufen und fragen, ob ich Zeit und Bock hätte. Ich würde freundlich verneinen, aber mich bedanken, dass sie fragt.“

Auch Anna stellt klar, dass es zu den Idealen von Paulinko passen muss. „Das fände ich als Künstlerin auch total unsympathisch, wenn man so einen Move macht. Ich feiere es halt nicht, warum soll ich dann das Gesicht dafür hergeben?“ Für die beiden Musikerinnen steht die Authentizität klar an oberster Stelle.

Ein Ziel für die kommenden Jahre haben Anna und Lisa aber dennoch klar vor Augen. „Was Auftritte angeht, wollen wir alles mitnehmen, was geht. Wir haben super viel Spaß an Live-Auftritten. Da wollen wir weiter Fuß fassen“, unterstreicht die Drummerin. Spätestens 2026 sollen es nicht mehr nur irgendwelche Festivalauftritte sein. Dann soll es rauf auf die Mainstages mit den Headlinerslots gehen.

Paulinko: Die aktuellen Konzert-Daten:

  • 23. Mai 2023 – Köln, Chlodwigplatz
  • 1. Juni 2023 – Berlin, Berghain
  • 16. Juni 2023 – Düsseldorf, Sommerkult Festival
  • 17. Juni 2023 – Witten, Feel:Leicht Festival
  • 8. Juli 2023 – Köln, CSD
  • 22. Juli 2023 – Ratingen, Sommerbühne an der Seeterrasse
  • 27. – 30. Juli 2023 – Leipzig, Mahagoni Festival
  • 29. Juli 2023 – Berlin, Haus der Sinne
  • 7. September 2023 – Magdeburg, Datsche
  • 8. – 9. September 2023 – Ratingen, Jetzt & Immer Festival
  • 4. November 2023 – Erlangen, E-Werk
  • 23. November 2023 – Düsseldorf, tba