Unterwegs am Japan-Tag 2023 in Düsseldorf: „Es geht ums Sehen und Gesehenwerden“
„Ich habe mich auf diesen Tag gefreut“, sagt Emilia. Die 17-Jährige steht mit ihrem Freund Kam auf der Immermannstraße, der Herzkammer von Düsseldorfs „Little Tokyo“. Die Schülerin zupft sich ihre Perücke noch einmal zurecht und setzt sich in Gang. Sie ist heute extra angereist, um beim Japan-Tag 2023 dabei zu sein.
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Über 600.000 Menschen sind heute in der NRW-Landeshauptstadt unterwegs. Viele von ihnen auf der Immermann- und ihren Seitenstraßen, noch viel mehr auf der Rheinpromenade zwischen Burgplatz und Landtag. Sie alle erwartet ein buntes Wimmelbild aus Cosplayern, Manga- und Anime-Fans und weiteren Japanophilen, zudem ein weitgefächertes Rahmenprogramm, wie etwa Mangazeichnen für Anfänger, Keramikmalen und Einführungen in die hohe Kunst der japanischen Teezeremonie.
Japan-Tag 2023 in Düsseldorf: Feiertag der Cosplayer-Subkultur
Emilia interessiert all das nicht. Sie ist nicht hier, um Programmpunkte abzuhaken, sondern um Spaß zu haben. Freunde, Gleichgesinnte zu treffen. Oder wie sie es ausdrückt: „Es geht ums Sehen und Gesehenwerden.“
Der Japan-Tag mag ein riesiges Event sein, ein Spektakel. Spricht man mit Menschen wie Emilia erkennt man aber, dass es darum nicht geht. Dieser Tag ist nicht für die Schaulustigen, für die Anwohner. Er ist ein Feiertag der Subkulturen, allen voran der der Cosplayer.
Auch deshalb lassen wir die Immermannstraße schnell hinter uns. Mit einem Bubble-Tea zur Erfrischung bei fast schon sommerlichen 23 Grad und strahlendem Sonnenschein, vorbei an der Kö, auf der die Luxuswelt sich abseits des Japan-Tags weiterdreht, erreichen wir die Rheinpromenade. Emilia und Kam ist die Begeisterung anzusehen. Immer wieder flüstern sie sich Sachen zu, zeigen staunend auf die Kostüme vorbeilaufender Cosplayer. Ist das hier bereits ihr Highlight des Tages? Emilia verneint. „Wir müssen zur ‚Hug Mile‘!“
Japan-Tag 2023 in Düsseldorf: Auf der „Hug Mile“ gibt es Umarmungen für alle
An der Apollowiese im Schatten der Rheinkniebrücke haben sich unzählige Menschen aneinandergereiht und laden zu Umarmungen – „hugs“ auf Englisch – ein. Eine inoffizielle Attraktion, die die Bedeutung des Japan-Tags wiederspiegelt wie kaum eine andere: Hier geht es um Begegnungen, um Offenheit, um Unvoreingenommenheit.
Gerade das Thema Unvoreingenommenheit ist eines, das sich bei der Betrachtung der Anime- und Cosplay-Subkultur unweigerlich aufdrängt. Denn die meisten weiblichen Anime- und Manga-Figuren verkörpern ein starres, sexualisiertes Frauenbild, das komplett ohne Makel auskommt: Große Rehaugen, hohe Wangenknochen, tiefes Dekollete. Emilia, die vor fünf Jahren über K-Pop und Animes zum Cosplay gekommen und sich selbst immer noch als Anfängerin bezeichnet, weiß um diese Problematik – will sich von ihr jedoch nicht unter Druck setzen lassen.
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„Beim Cosplay geht es darum, der Charakter zu sein – und nicht, wie er auszusehen“, erklärt Emilia. Das Kostüm, die Accessoires und das Make-Up stünden im Vordergrund. Auch deshalb empfindet sie die Szene, trotz aller Widersprüche, als äußerst inklusiv. Eine Aussage, die man durchaus nachvollzieht, wenn man sich auf der Apollowiese umschaut: Menschen jeden Alters, Geschlechts und körperlicher Eigenschaften kommen hier zusammen. Allein dieser Aspekt macht den Japan-Tag bereits unverzichtbar für hunderttauschende Menschen.
Menschen wie Emilia und Kam. Denn die Beiden ziehen ohne uns weiter. Für sie beginnt der Japan-Tag erst jetzt richtig. „Wir treffen uns jetzt gleich mit Freunden“, sagen sie und verabschieden sich in das bunte Treiben am Rhein.