„Beschneiden, ausnehmen, zerlegen“: Europäische Topclubs wollen „Super League“ gründen

Zwölf Topclubs aus Italien, Spanien und England haben sich zusammengeschlossen und wollen eine europäische "Super League" gründen. Deutsche Vereine sind bei dem höchst umstrittenen Projekt bislang nicht dabei. Es geht um viel Geld – und angeblich auch um die Fans.
Fußball Rasen
Foto: Jon Super/AP/dpa
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Teilnehmer, Modus, Finanzen: Zwölf Clubs aus drei Ländern haben sich so konkret wie nie und erstmals in aller Öffentlichkeit zu ihren Plänen für eine neue Superliga bekannt und dem europäischen Fußball damit mächtig vors Schienbein getreten. Angeführt von Real Madrid, Juventus Turin und Manchester United, deren Vertreter den Vorstand der erlösträchtigen Vereinigung bilden sollen, sind insgesamt sechs Clubs aus England und je drei aus Spanien und Italien in der Nacht von Sonntag zu Montag aus der Deckung gekommen. Die meisten heimischen Fans der Mannschaften schliefen da bereits – im Gegensatz zu Anhängern in den lukrativen Märkten in Nordamerika und Asien.

Mit der angeblich weltweiten Nachfrage nach einem neuen Wettbewerb, der über eine ganze Saison hinweg zahlreiche Spitzenspiele mit vielen der klangvollsten Namen des europäischen Fußballs garantiert, argumentierte Real-Madrid-Präsident Florentino Pérez in der Mitteilung dann auch. „Wir werden dem Fußball auf jedem Level helfen und ihn zu seinem rechtmäßigen Platz in der Welt bringen. Fußball ist der einzige globale Sport auf der Welt mit mehr als vier Milliarden Fans, und unsere Verantwortung als große Clubs ist es, auf deren Begehrlichkeiten zu reagieren“, ließ sich der spanische Funktionär zitieren, der als „Chairman“, also als Vorstandsvorsitzender fungieren soll.

„Super League“ oder „European Super League“?

Wie die Superliga offiziell heißt, ging aus den Mitteilungen auf den Webseiten der Clubs nicht eindeutig hervor: Sowohl von „European Super League“ wie auch mehrheitlich von „Super League“ war die Rede. Klar definiert ist dagegen die Liste der Gründungsmitglieder: Der FC Arsenal, Manchester United, der FC Liverpool, Tottenham Hotspur, der FC Chelsea und Manchester City aus England sind dabei, die beiden Mailänder Clubs AC und Inter sowie Juventus Turin aus Italien und die spanischen Topclubs FC Barcelona, Atletico Madrid und Rekordmeister Real Madrid. Diese zwölf Schwergewichte gehen zudem davon aus, dass sich noch drei weitere Clubs ihrem Zirkel anschließen werden – aus Deutschland oder Frankreich etwa ist bislang keine Mannschaft dabei.

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Gelockt wird mit der Ankündigung, dass den Gründungsvereinen zunächst 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen sollen – bei einer Einlage von, so geht aus der Mitteilung des börsennotierten Clubs Juventus Turin hervor, zwei Millionen und, falls nötig, bis zu weiteren acht Millionen Euro je Gründungsmitglied. Der größte Teil der Einnahmen soll wohl wie üblich aus der Vermarktung der TV-Rechte kommen. Die Vereine wollen auch Solidaritätszahlungen leisten und so nach eigenem Bekunden dafür sorgen, dass die ganze europäische Fußball-Pyramide von ihrem Plan profitiert.

Gespielt werden soll mit insgesamt 20 Mannschaften in zwei Zehnergruppen, danach im aus der Champions League bekannten K.o.-System mit Hin- und Rückspielen in Viertel- und Halbfinals sowie einem Endspiel an neutralem Ort. Die fünf zusätzlichen Teams sollen sich jedes Jahr aufs Neue qualifizieren müssen – wie und auf Grundlage welcher Wettbewerbe, das ließen die Gründer offen.

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Wie bislang im Europapokal soll das alles an den Tagen der Wochenmitte zu sehen sein – ein weiterer Beleg für den Frontalangriff auf die Königsklasse, deren Reform die UEFA bei der um 9.00 Uhr am Montag beginnenden Sitzung des Exekutivkomitees eigentlich beschließen wollte. Von der Saison 2024/25 sollen 36 statt bislang 32 Teams an der Champions League teilnehmen, deren bislang ausgebliebene Anpassung die Superliga-Gruppe zusammen mit den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie als Begründung für ihren Schritt angibt.


So soll die „Super League“ aussehen – Gründer, Teilnehmer, Modus

  • Gründungsclubs: FC Arsenal, Manchester United, FC Liverpool, Tottenham Hotspur, FC Chelsea, Manchester City aus England; AC Mailand, Inter Mailand und Juventus Turin aus Italien; Real Madrid, FC Barcelona und Atletico Madrid aus Spanien. Aus Deutschland und Frankreich sowie den anderen europäischen Ländern ist bislang kein Club dabei.
  • Vorstände: Florentino Pérez (Präsident Real Madrid) als Vorstandsvorsitzender, Andrea Agnelli (Vorstandsvorsitzender Juventus Turin) und Joel Glazer (stellvertretender Vorstandsvorsitzender Manchester United) als stellvertretende Vorstandsvorsitzende
  • Teilnehmerzahl: 20
  • Teilnehmer: Die zwölf bekannten Gründungsclubs rechnen mit drei weiteren Clubs, die sich ihrem Kreis anschließen. Diese dann 15 Mannschaften sind gesetzt, dazu sollen fünf weitere Teams kommen, die sich auf Grundlage ihrer Erfolge in der vorausgehenden Saison qualifizieren. Nähere Angaben dazu, wie und auf welcher Grundlage das ablaufen soll, gibt es bislang nicht.
  • Modus: In zwei Zehnergruppen sollen die Teams Heim- und Auswärtsspiele austragen. Die Top Drei sind sicher im Viertelfinale. Die Teams auf Platz vier und fünf spielen in Hin- und Rückspiel den letzten Platz fürs Viertelfinale aus. Ab da geht es weiter wie in der K.o.-Phase der Champions League, also mit Hin- und Rückspiel im Viertel- und Halbfinale und einem einzigen Finalspiel an neutralem Ort.
  • Spielplan: Die Superliga soll im August beginnen, das Finale ist für Ende Mai angekündigt. Gespielt werden soll nur an den mittleren Wochentagen.
    Und sonst? Die Pläne sehen vor, dass alle Mannschaften auch weiterhin in ihren nationalen Meisterschaften antreten.

Die Clubs betonen zwar, man freue sich nun auf die Diskussionen mit der FIFA und der UEFA und wolle partnerschaftlich daran arbeiten, das beste Resultat für die neue Liga und den Fußball als Ganzes zu erreichen – die Vorfreude aber ist wohl recht einseitig.

FIFA: „Missbilligung“ der „Super League“

Ohne die Superliga beim Namen zu nennen, brachte der Weltfußballverband FIFA noch in der Nacht in einer Stellungnahme seine „Missbilligung“ zum Ausdruck über alle Pläne, welche die „Grundprinzipien Solidarität, Inklusivität, Integrität und gleichberechtigte finanzielle Umverteilung“ nicht widerspiegeln. Schon als die Nachricht am Sonntagabend langsam durchsickerte, waren von der UEFA und auch von der Deutschen Fußball Liga und dem Deutschen Fußball-Bund eindeutig ablehnende Reaktionen gekommen.

Scharfe Kritik gab es auch vom europäischen Fan-Netzwerk Football Supporters Europe (FSE). „Dieser geschlossene Wettbewerb wird der letzte Nagel im Sarg des europäischen Fußballs sein und alles zerstören, was ihn so beliebt und erfolgreich gemacht hat“, hieß es in einer Erklärung am Sonntag. „Diese Pläne sind von Grund auf illegitim, unverantwortlich und gegen jeglichen Wettbewerb. Mehr noch, sie werden ausschließlich aus Gier vorangetrieben.“

Auch die internationale Presse meldete sich zu Wort. Die Schweizer „Blick“ sprach von einem „Erdbeben im europäischen Club-Fussball“, die italienische „La Republicca“ von der „Nacht, die den europäischen Fußball veränderte“. Die britische Zeitung „The Guardian“ meinte: „Das ist eine Idee, die sich nur jemand ausgedacht haben kann, der Fußball wirklich bis auf die Knochen hasst. Der den Fußball so sehr hasst, dass er ihn beschneiden, ausnehmen, zerlegen will, vom Spiel an der Basis bis zum Weltcup.“

dpa