Abnehmspritze Wegovy: Medikament jetzt in Deutschland erhältlich – das müssen Patienten wissen

Hype um purzelnde Kilos: Seit Montag (17. Juli) ist die Abnehmspritze Wegovy auch in Deutschland auf dem Markt. Doch für wen ist sie gedacht, was kostet das Medikament und zahlt die Krankenkasse dafür? Antworten auf diese Fragen gibt es hier.
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Verschiedene Packungen des Abnehmmittels "Wegovy" des Pharmakonzerns Novo Nordisk: Ab dem 17. Juli können Ärztinnen und Ärzte "Wegovy" Patienten mit Adipositas verschreiben, Foto: Steffen Trumpf/dpa
Verschiedene Packungen des Abnehmmittels "Wegovy" des Pharmakonzerns Novo Nordisk: Ab dem 17. Juli können Ärztinnen und Ärzte "Wegovy" Patienten mit Adipositas verschreiben, Foto: Steffen Trumpf/dpa

Abspecken und das Gewicht dann auch halten: Das versprechen bestimmte Abnehmspritzen. Nach einem Hype in den USA kommen sie nun auch in Deutschland auf den Markt. Was kann Wegovy – und für wen ist es gedacht?

Schluss mit Jo-Jo-Effekt und Kilofrust? Ein appetitzügelndes Medikament stellt adipösen und manchen übergewichtigen Menschen eine Gewichtsabnahme und -kontrolle in Aussicht. Ärztinnen und Ärzte in Deutschland können die Spritzen zur Eigenanwendung seit Montag (17. Juli) verschreiben. Dazu Fragen und Antworten.

Wegovy: Um was für ein Präparat geht es?

Um Wegovy, ein verschreibungspflichtiges Medikament zum Abnehmen und Halten des Gewichts. Erhältlich ist es bislang in den USA, Dänemark und Norwegen. Ab Montag können Ärzte es nach Angaben des Herstellers Novo Nordisk auch in Deutschland Patienten mit Adipositas verschreiben, Apotheken können es dann auch beim Großhandel bestellen. Novo Nordisk rechnet mit einer hohen Nachfrage und einem begrenzten Angebot.

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Wie funktioniert Wegovy?

Patienten können sich Wegovy aus einem Fertigpen, der ein bisschen aussieht wie ein Textmarker, einmal pro Woche selbst unter die Haut spritzen: am Bauch, Oberschenkel oder Oberarm. An der Injektionslösung mit dem Wirkstoff Semaglutid hat sich in den USA auch wegen so mancher Promi-Äußerung großes Interesse entwickelt. Novo Nordisk spricht von Hunderttausenden Nutzern.

Für welche Patienten kommt Wegovy in Frage?

Gedacht ist das Präparat für Erwachsene mit einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30, also Adipositas. Der BMI wird aus Größe und Gewicht errechnet. Wer als Mann zum Beispiel 1,80 Meter groß ist und 100 Kilo wiegt, überschreitet die 30er-Marke knapp. Daneben kann das Mittel auch bei Übergewichtigen (BMI ab 27) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung wie Diabetes Typ 2 eingesetzt werden. Und bei Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren mit Adipositas oder einem Gewicht von mehr als 60 Kilo. Die Spritzen allein sollen es allerdings bei keiner dieser Gruppen richten: Sie sollen vielmehr eine Ergänzung zu Diät und Sport sein.

Wie funktioniert der Wirkstoff bei Wegovy?

Semaglutid ahmt die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1 nach. „Es wird im Gehirn sozusagen der Impuls gesetzt, dass man satt sei“, sagt der Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, Jens Aberle. Klinischen Studien zufolge reduziere der Wirkstoff die Energieaufnahme und steigere das Sättigungs- und Völlegefühl, heißt es in einem Papier der EU-Arzneimittelbehörde EMA. Hungergefühle würden vermindert, Heißhungerattacken seltener und weniger stark. Wer zu häufig einen Jieper auf Pommes und dergleichen hat, kann diesen offenbar auch in den Griff bekommen: Die Vorliebe für besonders fetthaltige Nahrungsmittel werde verringert.

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Wie ist die Erwartungshaltung in Deutschland?

„Die Nachfrage ist nach wie vor riesig“, sagt Endokrinologe Aberle. Das betreffe Wegovy, aber auch das oft in einem Atemzug genannte Diabetes-Medikament Ozempic mit geringerer Semaglutid-Dosis. Ozempic ist zwar nicht als Abnehmpräparat zugelassen, es kann im sogenannten Off-Label-Use aber auch zu dem Zweck abgegeben werden. Auch vor dem Hintergrund traten Lieferengpässe auf. Laut Aberle hat der Hersteller 200 000 Wegovy-Pens für das zweite Halbjahr in Deutschland gesichert: „Das ist gut bemessen, damit könnte man eine erhebliche Zahl von Patienten versorgen.“

Wie viel und wie schnell kann man mit Wegovy abnehmen?

Laut einer Studie im „New England Journal of Medicine“ mit insgesamt fast 2000 Teilnehmern hatten Wegovy-Probanden nach 68 Wochen im Schnitt 15 Prozent abgenommen. Die Vergleichsgruppe erreichte mit einem Scheinmedikament nur einen Verlust von gut zwei Prozent. Von der Anwendung durch Normalgewichtige, die zum Beispiel vor einem Strandurlaub ein paar Pölsterchen loswerden wollen, raten Fachleute klar ab. Das Verhältnis von Nutzen und Risiko stimme dann nicht. „Ein gewissenhafter Arzt würde Normalgewichtigen das Mittel nicht verschreiben“, sagt Aberle. Hinzu kommt die Gefahr, dass Kranke schwerer oder nicht an ihre Medikamente kommen, wenn es einen übermäßigen Run darauf durch Gesunde gibt.

Wer trägt die Kosten für Wegovy?

Kassenpatienten in Deutschland, die Wegovy nutzen möchten, müssen dafür zunächst selbst bezahlen. Insbesondere Arzneimittel, die der Abmagerung, dem Zügeln des Appetits und zur Regulierung des Körpergewichts dienen, sind nach bisherigen Regelungen von der Verordnungsmöglichkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. „Die Regelung wird hoffentlich bald geändert, so dass zumindest einige Adipositas-Patienten auf Kassenrezept damit versorgt werden können“, sagt Aberle. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft setzt sich für eine Kostenübernahme in Fällen ein, in denen Wegovy medizinisch angezeigt ist, etwa wenn andere Therapieoptionen nicht helfen.

Wegovy Preis: Was kostet die Therapie mit Wegovy?

Novo Nordisk gibt den Apothekenabgabepreis einer 4-Wochen-Ration für die höchste Dosis (2,4 mg) mit gut 300 Euro an. Das sei zu viel für Selbstzahler, vor allem weil das Medikament nur so lange wirkt, wie es eingenommen wird, sagt Aberle. Der Mediziner rechnet in diesem Jahr auch noch mit Studienergebnissen zu der Frage, inwieweit Wegovy beim Vorbeugen einiger Adipositas-Folgeerkrankungen hilft. Diese könnten womöglich Argumente für eine Kostenübernahme liefern.

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Wie sehen mögliche Nebenwirkungen bei Wegovy aus?

In bisherigen Studien berichteten Probanden am häufigsten von Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen. Wegen derartiger Magen-Darm-Nebenwirkungen soll die Dosis des Medikaments über mehrere Wochen bis auf 2,4 mg gesteigert werden. In vier klinischen Studien wurden 2650 Erwachsene mit Wegovy behandelt, die Dauer betrug 68 Wochen. Der Hersteller nennt auf seiner Webseite auch noch mögliche Nebenwirkungen wie unter anderem Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gallensteine, ein Risiko für niedrigen Blutzucker und Sehstörungen bei Typ-2-Diabetikern. Der Sicherheitsausschuss der EMA prüft zudem gerade Daten unter anderem zu Wegovy über das Risiko von Selbstmordgedanken und Gedanken an Selbstverletzung. Allerdings ist laut EMA noch nicht klar, ob die gemeldeten Fälle mit den Arzneimitteln selbst oder mit den Grunderkrankungen der Patienten oder anderen Faktoren zusammenhängen.

Wer sollte Wegovy nicht nehmen?

Für eine Reihe von Menschen mit bestimmten Erkrankungen ist die Wirksamkeit nicht untersucht, etwa bei Diabetes Typ 1. Während der Schwangerschaft und Stillzeit darf das Präparat nach EMA-Angaben nicht verwendet werden. Wer ein Kind bekommen wolle, müsse Semaglutid mit einem Vorlauf von mindestens zwei Monaten absetzen. Laut Hersteller sollen auch jene Menschen Wegovy nicht bekommen, die schon selbst oder in der Familie eine bestimmte Form von Schilddrüsenkrebs hatten. Das gelte auch bei ernsten allergischen Reaktionen auf Semaglutid oder andere Inhaltsstoffe. Der Hersteller weist außerdem darauf hin, dass das Medikament die Wirkweise anderer Medikamente beeinflussen könne, weil es die Magenentleerung verlangsame.

Gibt es Alternativen zu Wegovy?

Weitere ähnliche Medikamente dürften hinzukommen, erwartet Aberle. Spätestens Anfang 2024 könnte nach seinen Worten etwa das Typ-2-Diabetes-Medikament Mounjaro auch für den Einsatz gegen Adipositas zugelassen werden. Es sei in der Adipositas-Therapie nach bisherigen Erkenntnissen noch wirksamer als Wegovy. Weitere Wirkstoffe seien in der Entwicklung.

dpa