Fahrgast ins Koma geprügelt: „Konnte mich nicht bremsen“

In einer Essener Straßenbahn wird ein Fahrgast brutal geschlagen und getreten. Jetzt stehen die mutmaßlichen Täter vor Gericht.
Foto: Shutterstock/ Andy Dean Photography
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Es war ein heftiger Gewaltexzess im vergangenen Jahr. Immer wieder gingen die Schläge ins Gesicht und auf den Körper – fast schon rhythmisch: Im September 2022 ist in einer Essener Straßenbahn ein Fahrgast ins Koma geprügelt worden. Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Seit Donnerstag stehen die mutmaßlichen Täter vor Gericht – und sind selbst fassungslos.

Die Angeklagten sind 20 und 33 Jahre alt. Sie hatten sich erst kurz vorher auf einer Geburtstagsfeier kennengelernt und sich dann gemeinsam auf den Heimweg gemacht. In der Straßenbahn trafen sie auf ihr späteres Opfer. Es kam zum Streit, dann ging alles ganz schnell.

„Ich habe die Kontrolle über mich verloren“, sagte der 20-Jährige den Richtern am Essener Landgericht. „Meine Freundin hat noch geschrien: Hör auf! Hör auf! Hör auf! Aber ich konnte nicht aufhören. Ich habe schwarzgesehen. Ich konnte mich nicht mehr bremsen.“

Erst Flucht, dann Fahndung im TV

Auch als das 35 Jahre alte Opfer schon bewusstlos am Boden lag, sollen die Angeklagten weiter zugeschlagen haben. In der Anklage ist auch von einem Tritt gegen den Kopf die Rede – „mit voller Wucht“. Für den soll der jüngere der beiden Angeklagten verantwortlich sein. Es war ein anderer Fahrgast, der schließlich dazwischengegangen ist und dem Gewalt-Exzess ein Ende gesetzt hat.

Die Angeklagten waren damals aus der Straßenbahn geflohen. Nach ihnen war anschließend bundesweit gefahndet worden – auch mit Hilfe der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“. Die Videokameras in der Straßenbahn hatten die gesamte Tat aufgezeichnet. Die Festnahmen waren im Januar 2023 erfolgt.

Gingen der Tat rassistische Provokationen voraus?

Nach Angaben von Verteidigerin Susanne Rüsken seien die rumänischen und polnischen Angeklagten vom späteren Opfer provoziert worden. Auch ausländerfeindliche Sprüche sollen dabei gefallen sein. Die anschließende Eskalation könne sich der 33-Jährige, den sie vor Gericht vertritt, allerdings auch nicht erklären. „Er ist über sich selbst erschrocken und entsetzt. Er kann sich nicht erklären, was in dem Moment in ihn gefahren ist. Er erkennt sich selbst nicht wieder.“

Laut Anklage war das Opfer mindestens anderthalb Minuten lang ohne Bewusstsein. Die Ärzte hatten später Rippenbrüche, Hämatome im Gesicht, zwei abgeschlagene Zähne, eine Augenverletzung und ein akut lebensgefährliches Schädel-Hirn-Trauma festgestellt. Glück im Unglück: Der 35-Jährige hatte das Krankenhaus trotzdem schnell wieder verlassen können.

Die Anklage lautet auf versuchten Totschlag. Eine Tötungsabsicht wird von den Angeklagten allerdings bestritten. Mit den Urteilen ist voraussichtlich Ende August zu rechnen.

dpa