Rock-Posterboy und Songpoet: Heute vor 50 Jahren starb Jim Morrison

In fünf rauschhaften Jahren wurde Jim Morrison zum Rock-Posterboy – und sah sich doch stets als Songpoeten. Sein früher Tod mit 27 machte ihn zu einem Mythos, der bis heute lebt. Am Samstag begehen Fans in aller Welt den 50. Todestag des legendären US-Sängers.
Jim Morrison starb vor 50 Jahren
Foto: Manfred Rehm/dpa
Foto: Manfred Rehm/dpa

Es dürfte mal wieder einiges los sein auf dem berühmten Pariser Friedhof Père Lachaise, rund um das Grab Nummer 5, 6. Division, 2. Reihe. Vermutlich noch mehr als üblich an einem für Millionen Musikfans bitteren Datum.

An diesem Samstag (3.7.) ist Jim Morrison – ein Künstler, auf den Begriffe wie Ikone, Reizfigur oder Kultstar wirklich mal zutreffen – 50 Jahre tot. Ebenso lange schon lebt der morbide Mythos des Sängers der US-Band The Doors.

Seine letzte Ruhestätte ist seit den 70er Jahren ein Magnet für Tristesse-Touristen aus aller Welt, die mit Kerzen, Blumen und leisen Gesängen „zu Jim“ pilgern. Weiße Rosen, Schellmuscheln und neben dem gerahmten Morrison-Bild ein buntes Windrad: So sieht es dort kurz vor dem 50. Todestag aus.

Jim Morrison starb vor 50 Jahren - Das Grab

Jim Morrisons Grab in Paris. Foto: Sabine Glaubitz/dpa

Noch immer gehört das Grab des legendären Rockmusikers zu den meistbesuchten auf dem Père Lachaise. Der Andrang habe sich freilich zuletzt gelegt, sagt einer der Friedhofswächter – damit aber auch das teilweise unzivilisierte Verhalten von Gästen.

Wenn man unbedingt einen Vergleich für Morrisons Charisma sucht, dann könnte man den Hollywood-Schauspieler James Dean nennen, der auch eine zwiespältige Faszinationskraft hatte und ebenso rasend schnell lebte bis zu seinem Autounfall 1955. Die selbstzerstörerische Seite des Rock-Posterboys ähnelt Nirvana-Frontmann Kurt Cobain, der seinem Leben 1994 ein Ende setzte, oder der 2011 jung an Drogenmissbrauch gestorbenen britischen Soul-Sängerin Amy Winehouse.

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Bei dem am 8. Dezember 1943 als Sohn eines Marinesoldaten in Florida geborenen James Douglas „Jim“ Morrison war es wohl ein unglücklicher Zufall – angeblich eine fatale Mixtur aus Alkohol und Heroin oder Kokain, die am Morgen des 3. Juli 1971 zum Tod in der Badewanne eines Pariser Apartments führte. Seine Freundin Pamela Courson schlief derweil nebenan ihren eigenen Rausch aus.

Um die Todesumstände ranken sich einige Mythen und Theorien, wie zuletzt der Sender Arte in der TV-Dokumentation „Jim Morrison: Die letzten Tage in Paris“ schilderte. Immer noch unklar bleibt in der Schilderung von vielen überwiegend französischen Zeitzeugen und Morrison-Bekannten, ob der US-Sänger nun wirklich – vom Suff geschwächt und total zugedröhnt – in einer Badewanne starb. Oder ob er bereits auf dem Klo eines angesagten Clubs durch Heroin zu Tode kam, das er ansonsten eigentlich mied – was dann von zwei anonym bleibenden Männern vertuscht worden sein soll.

Düstere Ahnungen hatten den mit sechs Doors-Studioalben innerhalb von nur fünf Jahren zum Weltstar aufgestiegenen Morrison schon länger bewegt. „I’m finally dead“ (Ich bin endlich tot), so habe eine seiner letzten Notizen gelautet, schreibt das Fachblatt „Rolling Stone“ in einer „Spurensuche“ zum traurigen Ende des vielleicht größten Idols der Hippie-Ära. Dabei wollte Morrison in Paris „sich Inspiration holen und seine Leidenschaft wiederfinden“, so die Autorin Birgit Fuß in ihrem neuen Buch „Jim Morrison. 100 Seiten“.

„So ähnlich wie bei Janis Joplin oder Jimi Hendrix, die kurz zuvor ebenfalls mit 27 Jahren gestorben waren, gab es ein unheimlich schnelles Aufleuchten, aber auch den schnellen Verfall“, sagt Professor Udo Dahmen, Leiter der renommierten Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.“ Die Kerze brannte von beiden Seiten.“

Die Bedeutung der Doors und ihres Sängers, der sich viel stärker als Dichter verstand, sei kaum hoch genug einzuschätzen. Dahmen widerspricht damit dem Eindruck, die Mischung aus Psychedelic-Rock, Blues und Jazz – mit Songs wie „Light My Fire“, „People Are Strange“ oder „Hello, I Love You“ – habe reichlich Staub angesetzt. Aber natürlich sei die sehr heterogene Rockgruppe (neben Morrison noch Keyboarder Ray Manzarek, Gitarrist Robby Krieger und Schlagzeuger John Densmore) klar als Kind der mittleren bis späten 60er Jahre erkennbar – einer Zeit, die gleichwohl bis heute ausstrahle.

„Da tauchte eine Band auf, die ja schon mit ihrem Titel für sich vereinnahmte, dass sie die Tür zu einer anderen Welt aufstoßen wollte – dabei aber offen ließ, zu welcher Welt“, sagt Dahmen. „Dazu gehörte die LSD-geschwängerte Drogenwelt genauso wie die Jenseits-Sehnsucht, die in Jim Morrison immer angelegt war.“ Als Morrison – wie kurz zuvor Brian Jones von den Rolling Stones, Hendrix und Joplin – 1971 tatsächlich dem makaberen „Club 27“ der jungen Drogentoten des Rock beitrat, „war er sofort legendenfähig“.

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In den Doors-Jahren hatte der zunächst äußerst attraktive Sänger und Songschreiber mehr als hundert Lieder verfasst und sich mit vollem Körpereinsatz in lange Konzerte gestürzt. „Mein größtes Talent ist, dass ich einen Rieseninstinkt für Selbstdarstellung habe“, sagte er 1970 in einem Interview. Die in kurzer Abfolge herausgehauenen Platten wurden von der Kritik überwiegend gefeiert. Besonders markant – und düster: der Song „The End“, mit dem der Regisseur Francis Ford Coppola später sein Kino-Meisterwerk „Apocalypse Now“ untermalte.

Beerdigt wurde der aus den USA der Vietnamkriegs-Zeit regelrecht geflüchtete Musiker in seiner letzten Heimat Paris. In der Nähe des unglücklichen Songpoeten sind berühmte Dichter beigesetzt, etwa Jean de La Fontaine, Molière oder Oscar Wilde. 1990 wurde das vielbesuchte und oft verschmutzte Grab des Musikers renoviert, 2004 wurden schließlich Sicherheitsbarrieren installiert.

Der Mannheimer Pop-Professor Dahmen sieht den US-Sänger als Pionier der Verbindung von Text und Musik im Rock-Genre. Anklänge an The Doors erkennt er „etwa beim Postpunk, bei Patti Smith und Nick Cave, bei Independent-Musik, die einen stark psychedelischen Touch hat und textbezogen ist“. Zudem fasziniere „der anarchistische Charakter von Morrison“ auch junge Menschen bis heute.

Und was sollte man nun unbedingt sehen oder hören zum 50. Todestag? Dahmen empfiehlt Oliver Stones Film „The Doors“ (1991) mit Val Kilmer. Als musikalische „Einstiegsdrogen“ nennt der Experte zwei Songs von Anfang und Ende der Doors: „Break On Through (To The Other Side)“ von 1967 und „Riders On The Storm“ von 1971.

dpa