„Absolut existenzvernichtend“: Schausteller-Beben in Köln – Deutzer Kirmes vor dem Aus

Die Deutzer Kirmes steht vor den Trümmern jahrelanger Arbeit und Entwicklung: Die Stadt Köln möchte die Deutzer Werft im kommenden Jahr einem anderen Veranstalter zur Nutzung anbieten.
Der Vorstand der Genossenschaft Kölner Schausteller von links: Henny Dietrich, Otto Weber, Tanja Hoffmann, Willy Krameyer und Alexander Gilgen im Hauptsitz der GKS. Foto: Ristau/Tonight News
Der Vorstand der Genossenschaft Kölner Schausteller von links: Henny Dietrich, Otto Weber, Tanja Hoffmann, Willy Krameyer und Alexander Gilgen im Hauptsitz der GKS. Foto: Ristau/Tonight News

Update vom 27. Februar 2024: Die Stadt Köln hat sich entschieden! Dieser Veranstalter wird die Deutzer Kirmes 2024 abhalten.

Seit über 30 Jahren gehört sie zum Kölner Stadtbild wie der Dom: Eine bunt leuchtende Wilde Maus, ein pompöses Riesenrad, dazu das euphorisierende Gekreische, das bis auf die linke Rheinseite zu hören ist – die Deutzer Kirmes ist einfach Kult für alle Kölner und Rheinländer aus dem Umland. Jährlich lockt das Event im Frühjahr und im Herbst Abertausende auf die Deutzer Werft, um zwischen Speise-, Kölsch- und Spielbuden sowie immer wechselnden Fahrgeschäften zu flanieren. Doch schon im kommenden Jahr könnte die Amüsiermeile auf der Schäl Sick vor dem Aus stehen. Laut Stadt soll das Gelände 2024 von einem anderen Veranstalter bespielt werden.

>> Kein Geld mehr für Kirmes? Das sagen Düsseldorfer Schausteller zum ausgebliebenen Andrang <<

Wie Tonight News aus Schaustellerkreisen erfuhr, gab es in diesem Jahr erstmals eine Ausschreibung. Doch die Genossenschaft Kölner Schausteller (GKS) wurde nicht berücksichtigt. Schausteller-Vorstand Alexander Gilgen: „Wir bewerben uns seit 30 Jahren jedes Jahr und bekommen immer die Zusage.“ In diesem Jahr dann der Schock: „Anfang Oktober erhielten wir einen Brief mit einer Absage für die Deutzer Kirmes im Frühjahr und im Herbst 2024. Darin stand, dass es diesmal leider ein anderer Veranstalter geworden ist“, so Gilgen weiter.

Der Grund laut den Schaustellern: ein Formfehler! Bei der Pressekonferenz der GKS erklärt Schaustellerin Tanja Hoffmann das Dilemma: „Wir haben eine Versicherung, die mehr als das von der Stadt Geforderte abdeckt. Diese Versicherung haben wir seit 2015. In diesem Jahr hatte die Versicherung bei der Auflistung aller Abdeckungsbereiche jedoch das Wort ‚Umweltschäden‘ vergessen aufzuführen. Umweltschäden werden aber auch in diesem Jahr – genau wie in den letzten Jahren schon – mit abgedeckt.“ Aufgrund dieser fehlenden Formalie sah die Stadt Köln sich laut GKS allerdings in der Position, die Kölner Schausteller vom Vergabeverfahren auszuschließen. Alexander Gilgen: „Jetzt darf ein Veranstalter aus Leverkusen, der sich hier gar nicht auskennt, die Fläche bespielen.“

Deutzer Kirmes vor dem Aus: Stadt entscheidet sich für „anderen Veranstalter“

Im kommenden Jahr sollen die Kölner Schausteller die Fläche auf der Schäl Sick also nicht bespielen dürfen – mit verheerenden Folgen. Gilgen: „Wir leben davon. Das ist absolut existenzvernichtend.“ Besonders enttäuschend für die Schausteller sei, dass sie hohe Geldsummen in die Deutzer Werft investiert haben. „Wir haben da Elektroanlagen installiert und den ganzen Weg für Fußgänger auf unsere Kosten geteert und davon soll jetzt ein anderer Veranstalter profitieren? Wir sind Kölner Steuerzahler“, so Gilgen.

Außerdem habe man über Jahre die Verkehrs- und Sicherheitskonzepte für den Platz ausgearbeitet, die Anwohner seien mittlerweile weitestgehend zufrieden. Gilgen betont: „Nach der Frühjahrskirmes gab es keine Nachbesprechung mit dem Ordnungsamt oder der Polizei, weil alle zufrieden waren und es keine relevanten Beschwerden gab. Das kann also nicht der Grund für die Entscheidung der Stadt gegen uns sein“, mutmaßt der Kölner. Seine Kollegin Tanja Hoffmann warnt vor dem neuen Veranstalter: „Das kann ganz schön nach hinten losgehen, wenn das hier ausartet, weil der sich nicht mit den Gepflogenheiten in der Anwohnerschaft auskennt. Dann kommt es eventuell wieder zu mehr Beschwerden von den Nachbarn.“

Keine Deutzer Kirmes 2024: Das sagt die Stadt Köln zu den neuen Plänen

Die Stadt Köln hatte den Formfehler auf Tonight-News-Nachfrage nicht erwähnt, antwortete lediglich: „Der Verwaltung lagen konkurrierende Anträge für die Ausrichtung des Volksfestes in Deutz vor. Im Sinne der Gleichbehandlung ist die Verwaltung in diesem Fall gehalten, ein Auswahlverfahren durchzuführen. Zum Verfahren: Haben mehrere Bewerber die geforderten Antragsunterlagen vollständig abgegeben, entscheidet das Los. Hat nur ein Bewerber die geforderten Antragsunterlagen vollständig eingereicht, erhält er den Zuschlag. Die Auswahl erfolgte für das Frühlings- und Herbstvolksfest 2024.“

Doch noch haben die Kölner Schausteller nicht aufgegeben. Hoffmann: „Wir gehen mit Rechtsmitteln gegen den Entschluss vor. Bis zum 8. November haben wir noch Zeit.“ Dann gebet es eine offizielle Verkündung seitens der Stadt.

Ratssitzung in Köln: Thema Deutzer Kirmes verschoben

Am 26. Oktober war Otto Weber vom Schausteller-Vorstand Köln bei der Ratssitzung. Dort sei auch das Thema GKS kurz angerissen worden. Doch dann habe man die Debatte, wie es mit den Schaustellern weitergehen soll, erstmal auf den 13. November vertagt, erzählt Otto Weber am Freitag vor dem Start der Herbstkirmes. Aber: „Wir hatten ein gutes Gefühl. Die Politiker haben und Rückendeckung gegeben“, so Weber trotz allem. Am 13. November wollen die Schausteller übrigens auch gleich am Theo-Braun-Platz (dort findet die Ratssitzung statt) demonstrieren und für ihre Rechte kämpfen.