Fortuna Düsseldorf will im eSport durchstarten – mit dieser Strategie soll es gelingen
Ab November geht die Virtual Bundesliga (VBL) wieder los. Erstmals sind 35 Vereine aus der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga vertreten, lediglich der FC Bayern nimmt weiter Abstand von einem Team in der VBL. Neu dabei in dieser Saison ist derweil Fortuna Düsseldorf.
Bereits seit einem Jahr unterhält der Klub einen Twitch-Account und präsentiert sich damit auf der wohl wichtigsten Plattform der Gaming- und eSport-Szene. Tonight News hat mit Fortunas eSport-Projektverantwortlichen Sandro Calabruso sowie Kommunikationsdirektor Kai Niemann über die Gründung des neuen Gaming-Teams, die Ambitionen in der VBL und die Schwierigkeiten, neue Fans für den Verein zu begeistern, gesprochen.
Tonight News: Die Fortuna macht ernst und ist kommende Saison Teil der VBL. Was war der entscheidende Grund für die Teilnahme?
Kai Niemann: Ich würde die Themen Gaming und VBL gerne trennen. Wir haben Gaming im Allgemeinen und den Community-Ansatz schon länger im Blick. Seit September 2022 produzieren wir auf unserem Twitch-Kanal mit „Packsi“ als Content Creator eigene Inhalte. Da haben wir den September bewusst als Start angepeilt, um auch den FIFA-Release zum damaligen Zeitpunkt mitzunehmen. Für uns ist die VBL und eSport ein Teil einer übergeordneten Gaming-Strategie.
Was hat den Verein dazu bewogen, einen Twitch-Kanal mit „Packsi“ für den Fußballverein zu gründen? Das ist ja nicht alltäglich.
Niemann: Wir haben gesehen, dass es im Umfeld der Fortuna viele junge Menschen gibt, die sich mit Gaming beschäftigen und auf Twitch quasi zuhause sind. „Fortuna für alle“ war zu dem Zeitpunkt zwar noch kein Thema, aber für den Ansatz, mit Menschen zu interagieren, die Fans teilhaben zu lassen und mit der Community, wie man heute sagt, in Kontakt zu treten, war der Twitch-Kanal sehr interessant. Erstmal als Kanal per se, aber auch weil dort Gaming zu Hause ist, passte das sehr gut.
Mit „Packsi“ haben wir dann noch einen Content Creator und Fan, der sich voll mit dem Verein identifiziert und jedes Wochenende für die Fortuna unterwegs ist. Daher wollten wir das zusammen angehen. Ob sich die jungen Leute, die sich dort mit „Packsi“ über die Fortuna oder über Gaming-Inhalte unterhalten, dann irgendwann auch eine Dauerkarte oder ein Trikot kaufen, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. In erster Linie aber ist es uns gelungen, die Fortuna nahbarer zu machen.
Was verspricht sich der Verein von der Teilnahme an der VBL? Man hat jetzt auf der einen Seite den Twitch-Host mit „Packsi“, auf der anderen Seite neue eSportler, die den Verein noch einmal ganz anders repräsentieren.
Niemann: „Packsi“ wird dadurch noch intensiver mit der Community in Aktion treten können, weil mit eSport neuer Content hinzukommt. Wir erhoffen uns von der Teilnahme und den neuen Spielern noch mehr Inhalte und Geschichten.
Sandro Calabruso: Mit den eSportlern eröffnen sich neue Möglichkeiten, da sie meistens auch Fähigkeiten als Content Creator mitbringen. So nehmen wir nicht nur sportlich an der VBL teil, sondern können darüber hinaus auch viele neue Inhalte für die Community bereitstellen und den Verein nochmal näher an die Fans heranbringen.
Wie schlägt sich „Fortuna für alle“ im Bereich eSports nieder?
Calabruso: Natürlich spielt „Fortuna für alle“ auch in den Bereichen Gaming und eSports eine Rolle. Wir haben bewusst in der Strategiephase eine Mitgliederbefragung auf unserem Fan- und Mitgliederportal gestartet, in der wir von unseren Fans und Mitgliedern wissen wollten, worauf sie in Bezug auf unser eSports-Engagement Wert legen und worauf nicht. Außerdem konnten sie eigene Ideen einbringen. Es war klar unser Ziel, die Fans mitzunehmen. Darüber hinaus soll es auch immer wieder Aktionen geben, die auf „Fortuna für alle“ aufbauen. Beispielsweise suchen wir einen unserer drei eSportler über eine Reihe an Scouting-Turnieren, an denen jeder teilnehmen kann, der möchte. Am Ende kommt es dann gegebenenfalls zu einer romantischen Geschichte, dass der Ur-Fortuna-Fan, der seinen Verein schon immer auf diesem Wege vertreten wollte, Teil des Teams wird. Es wird auch Aktionen und Aktivierungen im Stadion geben – beispielsweise mit einem „Beat the Pro“. Das Ganze tun wir nicht nur, um den Community-Gedanken weiter zu spinnen, sondern auch um den „Fortuna für alle“-Gedanken im Gaming-Bereich unterzubringen. Da sind dann auch alle Fans und Mitglieder eingeladen, mitzumachen.
Niemann: Ergänzend prüfen wir auch Maßnahmen, wie wir die Themen Gaming und eSport für Nachhaltigkeit und soziale Themen nutzen können. Das war auch ein Anliegen der Fans, das bei der Mitgliederbefragung rauskam. Wie kann man den Breitensport oder andere Projekte noch besser fördern? Da gibt es viele Ideen, da wird noch einiges passieren.
Wie ist der Verein die Mitgliederbefragung angegangen? Welche Erkenntnisse konnten aus den Antworten gezogen werden?
Calabruso: Bei der Umfrage wurden vor allem offene Fragen gestellt. Was ist euch in Bezug auf eSports bei der Fortuna wichtig? Was wollt ihr auf keinen Fall sehen? Habt ihr weitere Ideen? Unter anderem kam dabei heraus, dass wir auf regionale Spieler setzen sollen, die im Idealfall die Fortuna im Herzen tragen. Mit Kai „Hensoo“ Hense haben wir jemanden, der in der Jugend bei der Fortuna gespielt hat, der Fan ist, der des Öfteren im Stadion zu finden ist. Also jemanden, der alles hat, was wir uns wünschen. Das ist jemand, der die Fortuna lebt und eine hohe Identifikation mitbringt. „Hensoo“ wird mit seiner großen Erfahrung auch eine Art Kapitänsrolle übernehmen. Für uns ist das ein „perfect match“.
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Wo trägt die Fortuna ihre VBL-Spiele aus?
Calabruso: Die Spiele werden bei uns in der Arena ausgetragen – höchstwahrscheinlich in dem Raum, in dem auch die Pressekonferenzen vor den Spielen stattfinden. Dort ist die beste Infrastruktur gegeben und ausreichend Platz. Die Jungs werden sich wohlfühlen und es ist alles vor Ort, damit die Spieler ihr Bestes geben können. Zudem befindet sich der Raum im Herzen der Arena, dort können wir auch direkt Content aufnehmen und ausspielen.
Es scheint, als würde der Verein nicht bei null anfangen. Bemerkenswert, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass 2019 ein Engagement bei der VBL noch abgelehnt wurde.
Calabruso: In manchen Bereichen fangen wir bei null an, in manchen aber auch nicht. Mit Twitch konnten wir bereits Erfahrungen sammeln. Jetzt, ein Jahr später, gehen wir die VBL an. Wie man ein eSports-Team aufbaut oder auch die Spielstätte, die Interaktion mit der DFL – das sind auch neue Aufgaben für uns. Wir werden sicher auch mal Fehler machen, aus diesen aber lernen. Wir sind Neuling in der Liga, dementsprechend wollen wir uns zunächst einmal, im Rahmen unserer Möglichkeiten, etablieren. Wir sehen uns aber gut aufgestellt durch das Jahr Vorbereitungszeit und unsere Expertise, die wir aufbauen konnten.
Welche Ziele setzt man sich im Verein in der ersten Saison?
Calabruso: Als Neuling ist es weder realistisch noch unser Anspruch zu sagen, dass wir direkt die VBL-Meisterschaft gewinnen wollen. Da gibt es andere Vereine mit ganz anderen Ansprüchen. Wir wollen uns in der Liga als Neuling etablieren und den Verein angemessen vertreten. Wir vertrauen in unseren Kader, glauben, dass wir für die eine oder andere Überraschung sorgen können und der Fortuna-Fan am Ende zufrieden auf die Tabelle blicken kann. Letztlich geht unser Fokus aber über das Sportliche hinaus. Es geht vielmehr um die Aktivierung der Community und des Contents und um den Fokus auf Nachhaltigkeit. Der eSport-Ansatz ist wie erwähnt auch nur ein kleiner Teil der Gaming-Strategie.
Gibt es gewisse Voraussetzungen, die man bei den Scouting-Turnieren oder der Teilnahme an den Scouting-Turnieren beachten muss?
Calabruso: Die Rahmenbedingungen für die Scouting-Turniere sehen vor, dass wir alle Teilnehmer zulassen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Nordrhein-Westfalen wohnen. Klar werden sportliche Komponenten eine sehr wichtige Rolle spielen, aber das bedeutet nicht, dass der Sieger des Final-Turniers automatisch auch Teil des VBL-Teams wird. Da behalten wir uns vor, auch andere Dinge in den Fokus zu nehmen – beispielsweise die Identifikation und das Wissen rund um die Fortuna. Natürlich muss es auch charakterlich passen. Da gibt es viele Faktoren, auf die wir Wert legen.
Anmerkung der Redaktion: Die kommenden EA-FC-24-Scouting-Turniere der Fortuna finden am Mittwoch, 27. September, sowie Sonntag, 1. Oktober, statt. Alle weiteren Infos zu den Events und der Teilnahme findet ihr hier auf der Fortuna-Website.
Welche langfristigen Perspektiven sieht der Verein im VBL-Engagement?
Niemann: Langfristig geht es darum, eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. Aber ebenso geht es darum, mit dem Engagement wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Es ist kein Geheimnis, dass Gaming und eSports interessant für Partner ist, die wir akquirieren möchten. Da sind wir sehr guter Dinge.
Die VBL strahlt die Saison auf ihrem eigenen Kanal aus. Wird die Fortuna selbst mit einem Kanal die eigenen Spiele live begleiten?
Calabruso: Wir sind laut Spielordnung sogar dazu verpflichtet, die Spiele auf unserem Twitch-Kanal live zu zeigen, es sei denn, es handelt sich um ein „Featured Match“, welches exklusiv auf dem VBL-Kanal gezeigt wird. „Packsi“ wird die Spiele kommentieren. Er ist das Gesicht des Kanals und besitzt die Expertise, so dass er das Geschehen sportlich einordnen kann. Auf Basis der Spiele wollen wir natürlich noch weiteren Content erstellen – besondere Spielszenen, schöne Tore oder andere Geschichten, die wir erzählen können, könnten wir zweitverwerten für unsere Kanäle.
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Man hört inzwischen wiederholt, dass die Fans in den Stadien immer älter werden, es fehle der Nachwuchs. Ist das ein Punkt, an dem die Fortuna ansetzt, um neue junge Anhänger für den Verein zu begeistern – mit Twitch eine neue Zielgruppe zu erschließen?
Niemann: Vielleicht wird der eine oder andere Twitch-Zuschauer zum Fan des Vereins. Denn es gibt viele Sport-, Fußball- und Gaming-Interessierte auf der Plattform und die sind vielleicht noch offen für den Klub. Im Hinblick auf die Demografie ist die Fortuna ein spezieller Fall. Während es Fußball-Booms nach der WM 2006 war die Fortuna noch in den Niederungen des deutschen Fußballs verschwunden. Auch die Vereinserfolge liegen schon einige Jahrzehnte zurück. Da haben wir aus diversen Gründen einfach einen höheren Altersdurchschnitt. Da ist der Twitch-Kanal und der Community-Ansatz durchaus ein Punkt, um jüngere Menschen anzusprechen.
Der 1. FC Heidenheim ist als Fußball-Zweitligist Meister in der VBL geworden. Kann der Fortuna, wenn auch nicht zwingend in diesem Jahr, Ähnliches gelingen? Oder vielleicht im nächsten Jahr als Erstligist?
Calabruso: Wenn wir es uns aussuchen können, ob es am Ende der Saison der VBL-Titel oder der Aufstieg unserer Fußballprofis wird, nehmen wir selbstverständlich den Aufstieg (lacht). Der 1. FC Heidenheim ist natürlich ein schönes Beispiel, Hansa Rostock hat im vergangenen Jahr als Fußball-Zweitligist auch eine gute Rolle gespielt. Rein sportlich betrachtet denke ich, dass wir mit unserem Kader eine Rolle spielen können, mit der man sich als Fortuna-Fan identifizieren kann. Wir werden ja auch einige Derbys spielen – etwa gegen Köln und Gladbach. Da wird es schöne virtuelle Duelle geben.
Niemann: Wir verweigern keinen sportlichen Erfolg und nehmen gerne alles mit. Wir sind mit „Hensoo“ und seinen Teamkollegen Joe „JH7“ Hellmann gut aufgestellt, aber wollen keine falschen Erwartungen schüren.