„Tatort“: So war „Hetzjagd“ aus Ludwigshafen – Kritik

Im neuen Ludwigshafen-"Tatort" wird ein Konzertveranstalter wird beim Joggen ermordet. Ein Anschlag aus der rechten Szene?
Tatort Hetzjagd
Foto: Jacqueline Krause-Burberg/SWR/dpa
Foto: Jacqueline Krause-Burberg/SWR/dpa

Rechtsextreme ziehen durch eine deutsche Stadt und greifen Menschen an: Als „Hetzjagd“ verurteilte Kanzlerin Angela Merkel die Ausschreitungen in Chemnitz vor gut zwei Jahren. „Hetzjagd“ – mit diesem Titel des „Tatort“-Krimis aus Ludwigshafen sind die Bilder von 2018 wieder im Kopf. Auch wenn die Ereignisse von damals nicht die Inspiration dazu waren, wie die Macher sagen. In dem dialogstarken Film am Sonntag (20.15 Uhr, Das Erste) wird die dienstälteste „Tatort“-Kommissarin, Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), auch mit einer gewaltbereiten rechten Szene konfrontiert.

Mit drei Schüssen wird der Musikmanager Tillmann Meinecke ermordet. Er wurde als Veranstalter von „Rock gegen Rechts“-Konzerten bedroht und hatte Polizeischutz beantragt – vergeblich. Der Verdacht eines Anschlags von Rechten liegt nahe. Meineckes Tod löst eine Fahndung aus, eine Polizeikontrolle eskaliert, wieder fließt Blut.

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„Was macht eigentlich ihr Bullen?“, fragt Meineckes Freundin in einer Szene und brüllt Schmerz und Wut gegen Odenthal heraus. Die reagiert erschüttert auf den Mord: „Das hier macht mich wirklich fertig.“

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Es ist ein starker Auftakt des 73. Odenthal-Sonntagskrimis. In die Geschichte des Ludwigshafen-„Tatorts“ wird der Film aber wohl auch wegen seiner ungewöhnlichen Entstehung eingehen. Wegen der Pandemie waren die Dreharbeiten im März unterbrochen und erst im Juni wieder aufgenommen worden. So wurde die Folge in zwei unterschiedlichen Jahreszeiten gedreht – im Vorfrühling und im Hochsommer. Wer genau darauf achtet, kann Bäume innerhalb kurzer Zeit mal mit und mal ohne Blätter sehen.

Nach der Wiederaufnahme wurde der Film unter strengen Auflagen beendet. Ein Hygienemitarbeiter kontrollierte Mindestabstand und Maskenpflicht. Die Komparsen wurden ausgedünnt, damit sich weniger Menschen am Set aufhalten. Und Schauspieler trugen im Sommer Winterkleidung, damit die Anschlüsse an die zuvor gedrehten Szenen passen. Ab einem bestimmten Verhältnis zwischen Raumgröße, Zahl der Menschen und einzuhaltendem Abstand galten zudem Quarantäneregeln.

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Folkerts konnte der Pause auch Gutes abgewinnen. „Ich war auf dem Land in Brandenburg, ich war in der Natur, ich habe geschrieben.“ Zudem half sie auf einem Bauernhof aus. „Das war super. Hühner füttern, Eier sammeln, Ziegenstall säubern und die Tiere auf die Weide bringen“, erzählte die 59-Jährige. Zum Glück habe sie keine Existenzprobleme wie andere in ihrem Umfeld. „Ich habe die Situation genutzt und sehr viel Zeit mit meiner Freundin verbracht.“

„Hetzjagd“ ist ein recht solide erzählter Krimi. Anfangs geht es um rechte Todeslisten und den Verfassungsschutz, auch ein Ausweiten der Aussteigerprogramme für Rechtsextreme findet kurz Erwähnung. Dieser „Tatort“ drehe sich auch um eine zunehmende Entfremdung und Spaltung innerhalb der Gesellschaft, sagt Autor und Regisseur Tom Bohn. „Gerade wieder sehen wir diese deutlich in der Corona-Krise. Menschen, die sich um die Richtigkeit von politischen oder gesellschaftlichen Meinungen unversöhnlich streiten, gefährden letztendlich die demokratische Debatten-Kultur.“

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„Hetzjagd“ ist kein Polit-Thriller, sondern entwickelt sich eher zu einer Beziehungsgeschichte. Die Mutter von Meineckes Freundin war gegen das Verhältnis ihrer Tochter mit dem Ermordeten. Valerie Niehaus agiert hier zwischen Verzweiflung und Spießigkeit. In einer kleineren Rolle verkörpert Sänger Clueso sich selbst – es ist sein erster Einsatz als Schauspieler. Er stellt eine Frage, die nachhallt: „Wie viele Tote braucht es eigentlich noch, bis ihr aufwacht?“

dpa