Taylor Swift kritisiert Umgang mit Frauen im Musikgeschäft

„Wenn Frauen in dieser Industrie Erfolg haben, suchen die Leute immer irgendwelche anderen Gründe dafür“, erklärte Swift in einer kritischen Dankesrede.
Foto: Chris Pizzello/Invision/dpa
Foto: Chris Pizzello/Invision/dpa

Einen Tag vor ihrem 30. Geburtstag ist Taylor Swift vom US-Musikmagazin „Billboard“ zur „Frau des Jahrzehnts“ gekürt worden. „Wenn Frauen in dieser Industrie Erfolg haben, suchen die Leute immer irgendwelche anderen Gründe dafür“, erklärte Swift am Donnerstagabend in ihrer kritischen Dankesrede.

Mal vermute man dahinter „einen männlichen Produzenten“ oder „eine clevere Plattenfirma“. „Das passiert Frauen in der Musik, wenn sie Erfolg und Macht haben, die über die Komfortzone der Leute hinausgehen.“

Die Sängerin („Lover“) erwähnte in ihrer 15-minütigen Rede auch ihren Streit mit Musikmanager Scooter Braun, der kürzlich die Rechte an Swifts früheren Alben erworben hatte. „Dies passierte ohne meine Genehmigung, eine Rücksprache oder Zustimmung.“ Mittlerweile würden Firmen mit Musik handeln, wie mit Immobilien oder Apps.

Bei der „Women in Music“-Gala in Los Angeles wurden mehrere Frauen für ihre Leistungen im vergangenen Jahr ausgezeichnet, darunter Newcomerin Billie Eilish, Alicia Keys und Alanis Morissette.

Das wohl größte Geschenk bekam Swift schon drei Wochen vor ihrem Geburtstag: Bei den American Music Awards (AMAs) wurde die Musikerin zur „Künstlerin des Jahrzehnts“ erklärt. „Ich kenne einige großartige Songschreiber und einige großartige Performer“, schwärmt ihre rund 40 Jahre ältere Kollegin Carole King auf der Bühne. „Diese beiden Talente in einer Person zu finden, ist sehr selten – aber genau das definiert Taylor Swift.“

Swifts Eltern im Publikum wischten sich Tränen aus den Augen, während um sie herum „Taylor, Taylor“-Sprechchöre ausbrachen. „Ihre Lieder berühren alle und die Resonanz darauf überall auf der Welt ist außergewöhnlich“, schwärmt King weiter. „Ihr vergangenes Jahrzehnt war unglaublich – aber das beste kommt erst noch.“

Sichtlich gerührt nimmt Swift die Ehren-Auszeichnung entgegen – da weiß sie noch gar nicht, dass sie an dem Abend auch noch insgesamt fünf American Music Awards gewonnen und damit Michael Jackson (1958-2009) überholt hat, der zuvor die meisten AMAs eingesammelt hatte.

Die AMAs küren Swift an diesem Abend zur Königin der Pop-Welt, aber die Musikerin bleibt ihrem bescheiden-nahbaren Stil treu. Zum Medley ihrer größten Hits holt sie befreundete Kolleginnen wie Halsey und Camilla Cabello dazu und schwärmt danach, wie viel Spaß ihr der Auftritt gemacht habe. Sie bedankt sich immer wieder bei den Fans und sagt: „Ich habe so viel Glück, dass ich hier sein und das alles machen darf.“ Und sie sagt auch: „Im vergangenen Jahr hatte ich einige der schönsten – und einige der härtesten Zeiten.“

Beinahe hätte es ihren Auftritt so gar nicht geben können, denn ihr ehemaliger Label-Chef und sein neuer Partner wollten ihr – sagt Swift – nicht erlauben, ältere Songs auf der Bühne zu präsentieren. Dann gab es doch noch eine Einigung zwischen Label und AMA-Produktionsfirma.

Sechs Alben hat die Musikerin mit Big Machine Records gemacht, das dieses Jahr bei Republic Records erschienene „Lover“ sei wie ein „Neuanfang“ für sie, sagt Swift. Demonstrativ trug sie beim AMA-Auftritt zeitweise ein weißes Hemd mit den Namen aller ihrer älteren Alben darauf.

Ihrem früheren Label wirft sie öffentlich Ausbeutung vor. Und zeigt damit wieder: So blond, zierlich, harmlos und freundlich sie auf den ersten Blick wirkt, so knallhart kann sie gleichzeitig sein, wenn es darum geht, für die Rechte von Musikern oder gegen sexuelle Belästigung vorzugehen. Ihre Millionen Fans weltweit – allein 123 Millionen folgen ihr auf Instagram – lieben die 1989 im US-Bundesstaat Pennsylvania geborene Sängerin genau für diese Mischung.

Die frisch gekürte Königin des Pop stammt eigentlich aus der Country-Musik. Schon als Zehnjährige schrieb Swift Songs und nahm an Musikwettbewerben teil. Bei einem Auftritt in Nashville entdeckte sie ein Produzent, bereits ihr Debütalbum kletterte 2006 weit hoch in die Charts. Inzwischen hat Swift, die sich auch schon als Schauspielerin versucht hat, mehr als 150 Millionen Tonträger weltweit verkauft, dutzende Preise eingesammelt – und sich von der Country-Musik immer weiter in Richtung Pop entfernt.

Im Vordergrund stand dabei immer die betont intime Beziehung zu ihren Fans, die sich „Swifties“ nennen. Ihre Alben seien wie Kapitel ihres Lebens, sagt Swift immer wieder. Alles wird zu Songs verarbeitet: Auseinandersetzungen mit Stalkern, Exfreunden oder anderen Musikern, Unterstützung der US-Demokraten und Aufruf zu sexueller und identitärer Freiheit. Kritiker werfen ihr immer wieder vor, dass das alles nur verkaufsfördernde Maßnahmen seien.

Die Kritik nahm sich die Sängerin, die mehr als ihr halbes Leben im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit verbracht hat, zu Herzen – und schottet ihr Privatleben nun deutlich mehr ab. „Es ist komisch, denn in einigen der schlimmsten Zeiten meiner Karriere hatte ich einige der schönsten Zeiten in meinem ruhigen Leben, das ich mir bewusst nehme. Und ich hatte einige der unglaublichsten Erlebnisse mit Freunden, denen ich wichtig bin, auch wenn mich alle gehasst haben. Die schlimmen Sachen waren bedeutend und haben mich beschädigt. Aber die guten Sachen werden bleiben“, sagte Swift jüngst dem „Rolling Stone“. „Die Lektion – ich habe gemerkt, dass ich den Menschen mein Leben nicht so zeigen darf.“

dpa