Knallhart-Urteil! Boris Becker zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt

Das Gericht in London hat sein Urteil gefällt: Der deutsche Ex-Tennisstar Boris Becker muss für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis.
Boris Becker Gericht London
Boris Becker vor dem Southwark Crown Court in London. Foto: AP Photo/Alastair Grant
Boris Becker vor dem Southwark Crown Court in London. Foto: AP Photo/Alastair Grant

Die Jury hatte Boris Becker bereits in vier von 24 Anklagepunkten schuldig gesprochen. Nun ist das Urteil da: Der deutsche Ex-Tennisstar muss für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Nach der Hälfte der Zeit kann er auf Bewährung raus. Gegen das Urteil kann der 54-Jährige allerdings noch Rechtsmittel einlegen.

Für Becker ist London damit endgültig zum Schicksalsort geworden: Seine größten Siege hat er in der britischen Hauptstadt gefeiert, drei Mal das wohl wichtigste Tennisturnier der Welt gewonnen. Auf dem „heiligen Rasen“ von Wimbledon wurde einst aus dem 17-jährigen Leimener ein Weltstar. Die Tennis-Welt lag Becker zu Füßen, als er auf dem Centre Court Erfolge feierte, und applaudierte auch, wenn es nicht ganz reichte. Längst lebt Becker an der Themse. Nun ist die Stadt untrennbar mit seiner größten Niederlage verbunden. Mindestens 15 Monate muss er in Haft bleiben, bevor er den Rest der Strafe auf Bewährung in Freiheit verbringen darf.

Der tiefe Fall des Boris Becker

Verwundert fragen sich viele Beobachter, wie es zu diesem Fall kommen konnte. Becker schien unantastbar. Nur wegen ihm – und Superstar Steffi Graf – erlebte Tennis in Deutschland in den 1980er Jahren einen beispiellosen Boom. Millionen fieberten mit, wenn Becker über den Centre Court jagte. Jubel brandete auf, wenn der Blondschopf zum typischen Hechtsprung ansetzte und seine Jubelgeste machte – „Becker-Hecht“ und „Becker-Faust“ sind noch heute, mehr als 20 Jahre nach Beckers Karriereende, im Sprachgebrauch verwurzelt.

Nur der Himmel war die Grenze, so schien es nach den Erfolgen auf dem Centre Court. Nun entscheidet Richterin Taylor im fensterlosen Court Number One des Southwark Crown Courts – nur wenige Kilometer von Wimbledon entfernt – sein Schicksal. Bereits seit drei Wochen stand fest, dass Becker in vier von 24 Anklagepunkten schuldig ist, das hat eine Jury entschieden. Demnach hat Becker seinem Insolvenzverwalter unter anderem den Besitz einer Immobilie in seinem Heimatort Leimen verschwiegen und noch auf die Schnelle unerlaubt Hunderttausende Euro auf andere Konten überwiesen.

Den Rücken durchgedrückt lauscht Becker angespannt den letzten Vorträgen von Anklage und Verteidigung. Wie an jedem Prozesstag ist seine Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro – diesmal im weißen Kostüm – an seiner Seite. Händehaltend erreicht das Paar das Gericht. Im Saal muss es sich trennen: Becker nimmt als Angeklagter in einem großen Glaskasten Platz, seine Freundin am Rand. Neben ihr sitzt Beckers ältester Sohn Noah. Er trägt die Sporttasche in den Saal, die sein Vater später mitnehmen wird. Becker – grauer Anzug, dazu eine Krawatte in den Wimbledon-Farben Grün und Violett – ist aufs Gefängnis vorbereitet. Mit starrem Blick steht Becker nach der Verkündung auf, greift nach der Tasche und wird dann von einer Justizmitarbeiterin durch eine Seitentür aus dem Saal geleitet. Er kommt direkt in Gewahrsam. Noah schaut erschrocken zu.

Boris Becker „hat praktisch nichts mehr“

Beckers letzter Spaziergang am Vormittag, noch mit Basecap und lässiger Kleidung, ähnelt einer Abschiedsrunde. Der gläubige Katholik besucht eine Kirche, kauft einen Strauß weißer Blumen, wie „Bild“ berichtet.

Nun steht der Weltstar vor den Trümmern seiner Existenz, wie auch sein Anwalt Jonathan Laidlaw in emotionalen Schlussworten beschreibt. „Er hat praktisch nichts mehr“, sagt Laidlaw, als er um ein mildes Urteil bittet. Becker werde keine Arbeit mehr finden und sei auf Unterstützung Anderer angewiesen. „Die Marke Becker liegt in Scherben“, betont Laidlaw. Das Verfahren sei ohnehin bereits die größtmögliche öffentliche Demütigung. Er hatte seinen Mandanten im Prozess nicht gerade freundlich dargestellt. Becker sei naiv und habe unklug gehandelt, aber ein gemeiner Betrüger, als den ihn Anklägerin Rebecca Chalkley porträtiert hatte, sei er nicht. Er könne halt einfach nicht mit Geld umgehen.

Und Becker hatte viel Geld. 25 Millionen US-Dollar Preisgeld hat er in seiner Karriere zwischen 1984 und 1999 verdient. Hinzu kommt etwa die gleiche Summe durch Werbung, wie er vor Gericht schildert. Dass eine solche Menge plötzlich weg ist, darüber zeigt sich Becker überrascht und entsetzt. Er habe sich stets auf Berater verlassen, sagt er aus. Hinzu kommen private Sorgen. Ex-Frau Barbara muss Becker nach der Scheidung Millionen zahlen, auch für seine Tochter Anna Ermakowa bringt er ein Vermögen auf, unterstützt seine derzeitige Ehefrau Lilly, von der er getrennt ist, und den gemeinsamen Sohn Amadeus. Sein Lebensstil ist gehoben, er wohnt in einer angesagten Londoner Gegend.

In seiner Heimat Deutschland ist Becker immer wieder auch wegen seiner privaten Geschichten zum Ziel von Spott und Schadenfreude geworden – in Großbritannien wird er hingegen nach wie vor hoch geschätzt. Hier kennen ihn die Menschen vor allem als Sportlegende und als Tennis-Experten. Becker ist gefragt, kommentiert auch für die BBC. Ob der 54-Jährige die Arbeit nach seiner Strafe fortsetzen kann, ist offen. Er hat nun 28 Tage Zeit, um gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.

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dpa