Was verdankt seinen Namen der 1634 geborenen spanischen Königin Maria Anna von Österreich?

Der Marianengraben, der wohl tiefste Punkt des Meeres, wurde nach der spanischen Königin Maria Anna von Österreich benannt.
Meer Tiefe
Foto: Shutterstock/Rich Carey
Foto: Shutterstock/Rich Carey

Hingehen, wo noch nie ein Mensch gewesen ist: Zwei Tiefseepioniere haben vor 60 Jahren den wohl tiefsten Punkt des Meeres erreicht. Statt Seeungeheuer glotzte sie dort ein Plattfisch an.

Eingepfercht in einer Art Röhre haben die beiden Männer vor 60 Jahren Tiefseegeschichte geschrieben: Der Schweizer Jacques Piccard und der Amerikaner Don Walsh erreichten im Pazifik als erste Menschen eine der tiefsten Stelle der Meere, das Challenger-Tief im Marianengraben – benannt nach der spanischen Königin Maria Anna von Österreich.

Die beiden ließen sich in ihrem Tiefsee-U-Boot „Trieste“ hinabgleiten, mit Sauerstoff für zwei Tage und einem Unterwassertelefon. In 4 Stunden und 47 Minuten gelangten sie in eine Tiefe von 10.916 Metern. Als sie am 23. Januar 1960 mit ihrer Kapsel zur Wasseroberfläche zurückkehrten, waren sie Helden und Pioniere der Tiefseeforschung geworden.

Beängstigend fand Piccard das Abenteuer nicht. „Am Grund war es dann so schön, friedlich und still, da kamen wir nicht auf die Idee, Angst zu haben“, sagte er 2007, ein Jahr vor seinem Tod, der „Neuen Zürcher Zeitung“. Piccard hatte sein U-Boot bei der Schiffstaufe statt mit Champagner mit Weihwasser bespritzen lassen.

Trotzdem erlebten die beiden einen haarigen Moment: Bei fast 10.000 Metern Tiefe hörten sie eine laute Implosion, wie Walsh 2017 in einem Video erzählt, das den Tauchgang in Virtual-Reality-Manier zeigt. „Weil wir noch lebten und alle Instrumente funktionierten, sagten wir uns, es kann nicht so schlimm gewesen sein und entschieden, den Tauchgang fortzusetzen“, so Walsh. Wie sich später herausstellte, hatte eine Luke am Einstiegsschacht unter dem enormen Wasserdruck Risse bekommen. Aber sie hielt. Die vom Stahlbauer Krupp in Essen gefertigte kleine Tauchkapsel hing unter riesigen Ballasttanks.

Aus ihrem Fenster sahen Piccard und Walsh ein paar Meter über dem Boden in lichtloser Tiefe eine Sensation: Aus dem Schlick glotzte sie ein etwa 30 Zentimeter langer Plattfisch an. Wissenschaftler meinten später, es könne auch eine Seegurke gewesen sein. Wie auch immer: Dass es so tief am Meeresboden Leben gab, war bis dahin unbekannt.

„Das Ziel meines Vaters war es ja nicht, einen Rekord aufzustellen, sondern zu sehen, ob es dort Leben gibt“, sagt Jacques Sohn Betrand Piccard (61) der Deutschen Presse-Agentur. Seinerzeit sei überlegt worden, Atommüll auf dem Meeresboden zu deponieren. Die Entdeckung von Piccard und Walsh habe das verhindert.

Piccard junior wurde knapp zwei Jahre vor dem legendären Tauchgang geboren. Eine seiner ersten Erinnerungen sei, dass er seinen Vater im Fernsehen sah und hinter die Kiste kroch, um zu sehen, ob der Vater sich dort versteckt hatte, erzählt Piccard. Schon der Großvater hatte Geschichte geschrieben. Auguste Piccard war 1931 in einem Ballon so hoch wie niemand vor ihm geflogen: 15.785 Meter. Was macht so eine Familiengeschichte mit einem? „Es bedeutet jede Menge Druck auf die dritte Generation“, sagt Bertrand Piccard. Nicht vom Vater, wie er betont, aber von der Öffentlichkeit.

Bertrand Piccards Reaktion: er wurde Psychiater. „Ich wollte auch etwas entdecken, aber mehr die innere Welt des Menschen“, sagt er. Ein paar Jahre klappte das, dann kam der Pioniergeist durch: 1999 umrundeten Bertrand Piccard und Brian Jones als erste die Welt nonstop in einem Ballon. 2015 und 2016 lenkte Piccard abwechselnd mit dem Schweizer Piloten und Unternehmer André Borschberg das nur mit Solarenergie angetriebene Flugzeug Solar Impulse in mehreren Etappen um den Globus.

Es sei der gleiche Entdeckergeist gewesen, sagt Piccard: seine eigenen Grenzen zu testen und gängige Überzeugungen in Frage zu stellen. „Jeder von uns hat etwas gemacht, von dem man zu dem Zeitpunkt annahm, dass es unmöglich war“, sagt Bertrand Piccard. Als er nach der Ballonfahrt einen Preis erhielt, hielt sein Vater die Laudatio. „Ich war immer stolz, der Sohn meines Vaters zu sein. Heute bin ich stolz, der Vater meines Sohnes zu sein“, habe er gesagt.

Jahrzehnte lang blieben Piccard und Walsh die einzigen Menschen, die in eine solche Tiefe getaucht waren. 2012 schaffte es der kanadische Regisseur James Cameron auf den Boden des Marianengrabens etwa 2000 Kilometer östlich der Philippinen. Nach Angaben der National Geographic Society, die die Expedition begleitete, setzte er bei 10.908 Metern auf, andere Quellen schreiben von 10.898 Metern. Piccards Rekord von 10.916 Metern blieb bestehen. Im Mai 2019 meldete der US-Abenteurer Victor Vescovo allerdings, er sei in einem Spezialgefährt bis auf 10.928 Meter Tiefe getaucht.

Die wissenschaftliche Erforschung des Marianengrabens geht mit Gewässer- und Bodenproben weiter. Im vergangenen Jahr berichteten der chinesische Forscher Jiwen Liu und Kollegen von der Meeresuniversität in Qingdao von überraschenden Erkenntnissen: Nirgendwo auf der Welt gebe es so eine Dichte von Bakterien, die Kohlenwasserstoff abbauen, wie in einer Gewässertiefe von mehr als 10.000 Metern.

Jacques Piccards Tiefsee-U-Boot befindet sich heute im Marinemuseum in Washington. Er hatte es mit seinem Vater entworfen. Die beiden nannten es ein „Bathyscaph“, nach den griechischen Wörtern für Tiefe (bathos) und Schiff (scaphos). Wegen Finanzierungsproblemen hatten sie es 1958 an die US-Marine verkauft. Piccard hatte sich aber zusichern lassen, bei wichtigen Fahrten mit an Bord sein zu dürfen.

dpa