Um bei den Oberammergauer Passionsspielen mitspielen zu dürfen, muss man dort geboren und aufgewachsen sein oder wenigstens …?

Es gibt kuriose Bräuche in Deutschland, unter anderem gilt das auch für die Oberammergauer Passionsspiele. Um bei den Oberammergauer Passionsspielen mitspielen zu dürfen, muss man dort geboren und aufgewachsen sein oder seit 20 Jahren dort leben.
Passionsspiele Oberammergau
Foto: Angelika Warmuth/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Die Oberammergauer gehen am Mittwoch einen wichtigen Schritt bei den Vorbereitungen auf die Passionsspiele. Spielleiter Christian Stückl und Bürgermeister Andreas Rödl verkünden den Haar- und Barterlass. Von diesem Tag an dürfen sich die Darsteller die Haare nicht mehr schneiden, die Männer müssen zudem ihre Bärte wachsen lassen. Um bei den Oberammergauer Passionsspielen mitspielen zu dürfen, muss man dort geboren und aufgewachsen sein oder seit 20 Jahren dort leben.

Allerdings gilt dieses Jahr bei den Bärten aus Infektionsschutzgründen Kulanz: Die FFP2-Maske soll auch bei den Herren gut sitzen. Vorerst solle deshalb jeder selbst entscheiden, wie er es mit dem Bartwuchs hält, hieß es. Der Fokus liege auf den Haaren, denn hier dauert es seine Zeit, bis sie die nötige Länge haben. Für einen vorzeigbaren Bart hingegen könnten zwei bis drei Monate Vorlauf reichen.

Es ist schon der zweite Anlauf: Wegen der Corona-Krise hatte Spielleiter Stückl die Passion im vergangenen März nur zwei Monate vor der Premiere um zwei Jahre verschoben. Vom 14. Mai bis 2. Oktober 2022 soll nun das Laienspiel vom Leben, Sterben und von der Auferstehung Jesu auf die Bühne kommen.

Waren beim ersten Anlauf die meisten glattrasiert und frisch geschoren in die Zeit des Haarschneide-Verbots gestartet, so tragen viele Oberammergauer pandemiebedingt jetzt schon Mähne.

Der Erlass betrifft fast die Hälfte aller Einwohner. Rund 2500 Oberammergauer wirken an der Passion mit. Sie geht auf ein Pestgelübde im Jahr 1633 zurück: Damals gelobten die Oberammergauer, alle zehn Jahre die Passion aufzuführen, wenn niemand mehr an der Seuche sterben würde, was der Legende nach auch geschah.

Für die Musiker geht es im Oktober mit den Proben los, zum Jahreswechsel sollen auch die Schauspieler starten. Sie müssen neu pauken, denn die im vergangenen Jahr gelernten Texte sind so gut wie vergessen. Außerdem arbeitet Stückl weiter am Text – für den Theatermacher, der die Passion zum vierten Mal inszeniert, endet dies immer erst kurz vor der Premiere. „Der Text ist nicht ein feststehendes Konstrukt“, sagte Stückl im vergangenen Jahr.

Ganz neu starten die Vorbereitungen aber nicht: Die Kostüme hängen seit einem Jahr fertig genäht im Passionstheater, und die meisten Darsteller behalten ihre Rollen. Allerdings haben mit der Verschiebung um zwei Jahre wahrscheinlich weitere Oberammergauer das Spielrecht erhalten. Dieses bekommt automatisch jeder, der in Oberammergau geboren und aufgewachsen ist oder seit 20 Jahren dort lebt. Der Spielleiter muss sehen, wie er alle unterbringt. Bis zum 31. März müssen sich alle bewerben, die neu dazu kommen wollen. Auch bei den Kindern, eine eigene Gruppe auf der Bühne, dürfte sich etwas ändern. Unter anderem gelten einige, die 2020 noch unter 16 Jahre alt waren, nun als Erwachsene.

dpa