Hamiltons Krönung beim Alptraum-Finale für Rosberg

Der Brite Lewis Hamilton hat es endlich geschafft. Er fährt ein souveränes Finale und krönt sich zum neuen Formel-1-Weltmeister.
Formel 1 Lewis Hamilton Mercedes
Foto: Joan Monfort/AP/dpa
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Lewis Hamilton hat es geschafft. Er fährt ein souveränes Finale und krönt sich zum neuen Formel-1-Weltmeister. Für seinen Silberpfeil-Kollegen Nico Rosberg wird das Rennen zum Alptraum.

Mit Tränen in den Augen hörte Lewis Hamilton die Nationalhymne, als einer der ersten gratulierte Prinz Harry per Funk: Der 29 Jahre alte Mercedes-Pilot hat beim Alptraum-Finale für Stallrivale Nico Rosberg seinen zweiten WM-Triumph in der Formel 1 perfekt gemacht. «Mir fehlen die Worte», sagte Hamilton nach seiner famosen Finalfahrt zu Sieg und Titel am Sonntag beim Großen Preis von Abu Dhabi: «Das ist der schönste Tag in meinem Leben.»

In der Stunde seines größten Erfolgs seit dem Titel 2008 vergaß er aber auch nicht den diesmal bemitleidenswerten Rosberg. «Nico hat das ganze Jahr über unglaublich gekämpft. Das war phänomenal.»

Noch vor der Siegerehrung auf dem Yas Marina Circuit hatte der tapfer kämpfende, aber nach einem schlechten Start auch noch von seinem kaputten Silberpfeil gebremste Rosberg Hamilton gratuliert. «Der ganz große Traum hat jetzt nicht geklappt. Das ist sehr enttäuschend», gab Rosberg zu, zeigte aber sportliche Größe: «Über die Saison gesehen, war er der bisschen bessere Fahrer.» Der gebürtige Wiesbadener landete auf dem 14. Platz, in der vorletzten Runde wurde er von Hamilton auch noch überrundet.

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«Lewis, du bist eine absolute Legende!», lobte Prinz Harry. In der Box lagen sich Mechaniker, Hamiltons Freundin und die Familie mit in den Armen und weinten Freudentränen. «Ich danke euch so sehr», sagte Hamilton nach der Zieldurchfahrt mit Feuerwerk. Daimler-Chef Dieter Zetsche hob derweil auch die Bedeutung von Michael Schumacher für die Entwicklung des Teams hervor. Hamilton hatte den Platz des vor knapp einem Jahr beim Skifahren verunglückten Rekordweltmeisters zur Saison 2013 übernommen.

Dennoch bleibt für das Team auch ein bitterer Nachgeschmack. Eine WM-Entscheidung durch einen Technik-Defekt «wäre ein Alptraum», hatte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff vor dem Rennen betont. Der Alptraum der schlimmsten Mercedes-Träume wurde wahr. Nach nicht mal der Hälfte der Renndistanz fehlten Rosberg die 150 Zusatz-PS durch das Hybridsystem ERS.

Direkt hinter dem elfmaligen Saisonsieger Hamilton schafften es Felipe Massa und Valtteri Bottas jeweils im Williams aufs Podest. Nico Hülkenberg belegte im Force India den sechsten Platz. Der seit langem entthronte Sebastian Vettel kam in seinem letzten Rennen für Red Bull nur auf den achten Rang.

Nicht Rosberg wird nach diesem tragischen Showdown nun aber die Weltmeister-Nummer 1 des viermaligen Weltmeisters und künftigen Ferrari-Piloten Vettel auf dem Wagen tragen, sondern Hamilton. Alles Daumendrücken für dessen deutschen Widersacher von der Fußball-Nationalmannschaft bis zu Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer halfen nichts.

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Denn schon als die Roten Ampeln im leichten Dämmerlicht ausgingen, präsentierte sich Hamilton in Champions-Form und zog mit einem «Raketenstart» (Hamilton) an Rosberg vorbei. In der Qualifikation hatte nicht alles gepasst, nur Platz zwei hinter Rosberg. Der konnte die elfte Pole Position in dieser Saison aber wie schon so oft nicht nutzen. Rosberg hatte nichts entgegenzusetzen und bog schon mit einigen Metern Rückstand auf den neuen Titelträger in die erste Kurve ein. Nur mit Mühe konnte Rosberg verhindern, dass auch noch Massa im Williams an ihm vorbeikam.

Vorne aber regierte nur einer: Hamilton. Nichts mit Nervosität ob der Psycho-Sticheleien Rosbergs vor dem Rennen. Und der kurzfristige Besuch von Freundin Nicole Scherzinger schien den aus einfachen Verhältnissen stammenden Engländer nur noch mehr zu beflügeln.

«Es fühlt sich heute an wie der wichtigste Tag in meinem Leben», hatte Hamilton vor dem Rennen getwittert. «Aber ich bin ruhig und fokussiert.» Die Konsequenz: Nach der ersten Runde von 55 Umläufen auf dem Kurs am Yachthafen von Abu Dhabi lag Hamilton schon 1,2 Sekunden vor Rosberg. Und damit war der deutsche Verfolger schon außerhalb der einen Sekunde, die die Überholhilfe DRS erlaubt. Vorbeikommen also fast unmöglich. In der Box des gebürtigen Wiesbadeners begann das Bangen. Papa Keke, Weltmeister von 1982 mit nur einem Sieg, zitterte zu Hause mit.

Alles lief aber gegen Rosberg, der seit seinem Einstieg zur Saison 2006 zum ersten Mal um den WM-Titel kämpfte. Hamilton kam als erster in der elften Runde zum Reifenwechsel rein. Rosberg blieb eine Runde und damit 5,554 Kilometer länger draußen. Als Rosberg noch im Tunnel auf dem Weg zurück auf den Kurs war, lag Hamilton im Vergleich schon wieder vorn. Hamilton baute seinen Vorsprung aus, zwischenzeitig sogar auf knappe drei Sekunden.

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«Es ist natürlich eine angespannte Situation», hatte Rosberg vor dem Rennen gesagt und hoffte, dass mit «Lewis irgendwas passiert, damit er Dritter wird». Eine Prophezeiung, die nicht mal zur Hälfte ihn selbst mit aller Härte und Tragik traf: Rosberg klagte über fehlende Power. Die Verzweiflung und Hilflosigkeit schwang in jedem Wort über Funk mit. Aber Rosberg kämpfte. «Er macht einen hedenhaften Job, das Auto überhaupt im Rennen zu halten», lobte das Team via Twitter.

Selbst als er vom Team aufgefordert wurde, den Wagen in der Box abzustellen, blieb Rosberg auf der Strecke und ertrug es sogar, vom neuen Weltmeister Hamilton überholt zu werden.