Edith Piaf: Vom Mythos zum lebendigen Wahrzeichen von Paris

Edith Piaf verkörpert nach den Attentaten mehr denn je den Geist von Paris. Nicht nur zum 100. Geburtstag werden ihre Lieder in der ganzen Welt gesungen.
Edith Piaf
Foto: UPI/dpa-Bildfunk
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Von Popstar Madonna bis Céline Dion: Edith Piaf verkörpert nach den Attentaten mehr denn je den Geist von Paris. Nicht nur zum 100. Geburtstag werden ihre Lieder in der ganzen Welt gesungen.

«La vie en rose», «Non, je ne regrette rien» oder «Milord»: Ihre Lieder sind Hymnen an die Liebe. In Hunderten Texten besingt Edith Piaf das Leben in seinen schönsten und schmerzlichsten Facetten. Doch die Chansons und Balladen des «Spatzes von Paris» sind mehr als nur weltweit bekannte Melodien. Ihre Lieder haben Symbolcharakter. Piaf, die vor 100 Jahren am 19. Dezember geboren wurde, verkörpert heute den Geist von Paris.

Nur von einer Gitarre begleitet sang US-Popstar Madonna Mitte November in Stockholm auf ihrem Konzert «La vie en rose» und gedachte damit der Opfer der Terror-Anschläge in Paris. Céline Dion interpretierte bei den American Music Awards in Los Angeles ihre Liebeshymne «L’hymne à l’amour» – ebenfalls als Hommage an die 130 Toten der Angriffsserie vom 13. November. Und im Fußballstadion in Mexico City erklang vor dem Spiel des mexikanischen Erstligisten Tigres gegen Cruz Azul «La vie en rose».

Lieder, mit denen man neben der Marseillaise nach dem Terror-Drama seine Solidarität mit Frankreich weltweit bekundet hat. Piaf ist zu einem Symbol geworden. Doch mehr noch als Frankreich verkörpere sie den Geist von Paris, wie Joël Huthwohl erklärte. Sie stehe für Paris wie ein lebendiges Pariser Wahrzeichen. Huthwohl hat die Ausstellung «Non, je ne regrette rien» in der Pariser Nationalbibliothek im Frühjahr dieses Jahres kuratiert. Gezeigt wurden Fotos, Briefe, Plakat- und Filmausschnitte der einzigartigen Karriere von Piaf – und ihr kleines Schwarzes, in dem sie immer auftrat.

Auch Robert Belleret gehört zu den Piaf-Spezialisten. Er hat 2013 unter dem Titel «Un mythe français» (Ein französischer Mythos) eine der umfassendsten Biografien über die Sängerin herausgegeben. Darin hat er eine Piaf beschrieben, die das freie Leben repräsentiert. So wie auch Jens Rosteck in «Hymne an das Leben». Für den deutschen Buchautor war die «Môme de Paris», die Göre von Paris, eine Frau, die sich leidenschaftlich dem Leben und der Liebe hingab.

Tabus und Konventionen gab es für den «piaf» nicht, den Spatz, so die umgangssprachliche Bedeutung des Wortes. Denn das Leben hat die Sängerin nicht mit seidenen Handschuhen angefasst. Im damaligen Pariser Armenviertel Belleville geboren, wurde sie im Alter von zwei Jahren von ihrer Mutter, einer Kaffeehaus-Sängerin, verlassen. Ihr Vater, ein Akrobat und Schlangenmensch, brachte die Kleine bei seiner Mutter, einer Bordellbesitzerin, unter. Nur vier Jahre nach ihrer Geburt erkrankte sie an einer Entzündung der Augenhornhaut und wurde blind. Die anschließende Heilung schrieb die nur 1,47 Meter große Französin später einer Wallfahrt zur Heiligen Therese zu.

Gewalt und Alkoholismus prägten das Leben der Piaf. Ihr Vater, der sie als Straßensängerin schulte, trank und schlug sie. Und auch sie verfiel zunehmend dem Alkohol. Wie die Piaf in ihren Memoiren «Mein Leben» kurz vor ihrem Tod im Alter von nur 48 Jahren im Oktober 1963 schrieb, bekam sie von ihrer Großmutter allmorgendlich zum Trinken eine Rotweinflasche und etwas Wasser zum Verdünnen.

Im Rausch versuchte sie Krisen und Liebeskummer zu vergessen, von denen es in ihrem Leben viele gab. Ihr langjähriger Lebensgefährte, der Boxweltmeister Marcel Cerdan, kam im Oktober 1949 bei einem Flugzeugabsturz über den Azoren ums Leben. Ihr einziges Kind, das sie als 17-Jährige zur Welt brachte, starb im Alter von 2 Jahren an Hirnhautentzündung.

Die Piaf liebte die Männer. Ihre zahlreichen Affären waren ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Auch die mit dem 18 Jahre jüngeren Chansonsänger Georges Moustaki, mit dem sie einen schweren Autounfall hatte. Sie brach sich einen Arm und mehrere Rippen. Gegen ihre Schmerzen bekam sie Morphium, von dem sie bis zu ihrem Tod abhängig blieb. Für seine Geliebte schrieb der im Mai 2013 gestorbene Moustaki die Musik zu «Milord» – eines ihrer berühmtesten Chansons.

Das Leben der Piaf, die als 15-Jährige entdeckt wurde, füllt die Seiten zahlreicher Bücher. Zu jedem Geburts- oder Todestag wird die Liste länger. Auch Belleret hat zu ihrem 100. Geburtstag wieder ein Buch über sie herausgegeben. Der Titel: «Leben um zu Singen».

Piafs Lieder sind weltberühmt. Zu ihrem runden Geburtstag hat das Major-Label Warner seine Piaf-Sammlung auf 20 CDs digitalisiert – insgesamt 350 Lieder.