Bauen nach Plan: Das Fachchinesisch der Behörden verstehen

Geschossflächenzahl, Gestaltungssatzung und Mischgebiet: Bei diesem Fachchinesisch handelt es sich um Begriffe im Bebauungsplan.
Storchennest Dachfirst
Foto: Holger Hollemann/dpa
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Geschossflächenzahl, Gestaltungssatzung und Mischgebiet: Bei diesem Fachchinesisch handelt es sich um Begriffe im Bebauungsplan. Dieser gibt vor, wie man auf bestimmten Flecken in einem Wohngebiet bauen darf.

„Wer ein Grundstück kauft, muss sich umfassend über die geltenden Baurechte informieren“, sagt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren (VPB) in Berlin. „Ohne Informationen über den Bebauungsplan handelt man äußerst leichtfertig.“ Denn im schlimmsten Fall verlangt die Bauaufsicht, dass das Traumhaus zurückgebaut wird.

Kein Bauherr darf sein Häuschen einfach planen, wie er es am liebsten möchte. „Nach dem Grundgesetz obliegt den Gemeinden die Planungshoheit, die Bauleitplanung ist also deren Aufgabe“, sagt Wolfgang Schucht, Fachbereichsleiter für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt bei der Stadt Celle.

Grundlage für ihre Entscheidung sind das Baugesetzbuch (BauGB) und die Baunutzungsverordnung (BauNVO), die bundesweit das Spektrum möglicher örtlicher Bestimmungen vorgeben. Daraus entstehen zunächst Flächennutzungspläne, die für Gebiete grob vorgeben, was möglich ist, und daraus wiederum die Bebauungspläne, die für jedes Grundstück regeln, was konkret zulässig ist.

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Stadt- oder Gemeinderat dürfen zunächst sagen, wie der Grund und Boden genutzt wird. Gibt der Plan etwa vor, dass es sich um ein Gewerbegebiet handelt, ist das Wohnen dort nur sehr eingeschränkt möglich. Umgekehrt kann es in einem Wohngebiet kein störendes Gewerbe wie eine Kfz-Werkstatt oder einen großen Supermarkt geben, erklärt Klaus Scheuer, Architekt und Städtebauassessor aus Hannover.

In Mischgebieten streben die Ortsplaner ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gewerbe und Wohnplätzen an. Daneben gibt es unter anderem noch Industriegebiete sowie Flächen für den Gemeinbedarf, etwa für Schulen, Altenheime und Kindergärten.

Im Bebauungsplan steht sogar, wie groß das Traumhaus sein darf und wie viele Stockwerke es haben darf. Man spricht hier von einem „Maß der baulichen Nutzung“. Wichtig ist die Grundflächenzahl (GRZ). Sie gibt an, wie viel Prozent des Grundstücks vom Gebäude bedeckt sein dürfen. „Ein GRZ von 0,3 etwa bedeutet, dass 30 Prozent der Grundstücksfläche überbaut werden dürfen“, erläutert Scheuer. Garagen, Stellplätze und ihre Zufahrten sowie Nebenanlagen müssen mit eingerechnet werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Geschossflächenzahl (GFZ) relevant. Sie gibt an, wie viel Fläche insgesamt über alle Stockwerke verteilt sein darf.

Selbst der Standort des Hauses auf dem Grundstück ist geregelt: Es gibt Baugrenzen oder sogenannte zwingende Baulinien. Erstere legen den Abstand zur Grundstücksgrenze und damit zum Nachbarn fest. An der Baulinie muss eine der Außenwände stehen. So kann die Verwaltung etwa dafür sorgen, dass in einer Straße alle Häuser auf einer Linie stehen und den gleichen Abstand zum Bürgersteig haben.

Wird ein Gebäude in „offener Bauweise“ geplant, handelt es sich beispielsweise um ein Einfamilienhaus. Es ist deutschlandweit vorgeschrieben, dass so ein Gebäude nicht länger als 50 Meter sein darf, und es muss innerhalb der Baugrenzen stehen. Bei „geschlossener Bauweise“, also etwa Reihenhäuser, wird Seite an Seite gebaut.

Auch Verkehrsflächen oder Gewässer sind im Bebauungsplan eingezeichnet – das betrifft den Bauherrn meist wenig. Aber ist ein erhaltenswerter Baum auf seinem Bauplatz im Plan eingezeichnet, darf der Besitzer ihn nicht einfach fällen. Oder die Stadtplaner können vorschreiben, dass er einen Grünstreifen bepflanzt. Dabei kann es sich um einen Grenzstreifen zur Straße oder zu einem Gewerbegebiet handeln. Manchmal ist sogar vorgeschrieben, dass nicht einfach Rasen gesät wird, sondern der Anwohner muss Sträucher oder Bäume setzen und ständig pflegen.

Bebauungspläne bestehen aus der Planzeichnung und oft einem Text mit den Bestimmungen zur Nutzung. Häufig werden darin Ausnahmen geregelt: Zum Beispiel soll es häufig in Mischgebieten keine Tankstellen geben. In „allgemeinen Wohngebieten“ dürfen sich im Gegensatz zu „reinen Wohngebieten“ auch ein paar Gewerbe ansiedeln, etwa Spielotheken. Sie werden aber gerne ausgeschlossen, erläutert Scheuer.

Es können außerdem „örtliche Bauvorschriften“ ergänzt sein, die noch detaillierter regeln, wie die Gebäude aussehen dürfen. Manche dieser im Beamtendeutsch „Gestaltungssatzung“ genannten Vorschriften sehen Höhenbegrenzungen für die „Trauflinie“ vor. Darunter versteht man den Punkt, an dem die Außenmauer sich mit dem Dach schneidet. Auch kann vorgeschrieben sein, in welche Richtung der Dachfirst zeigen muss sowie welche Farbe und Materialien die Fassaden und Dächer schmücken dürfen. Und wie stark das Dach sich neigen soll.

Wie ein Dorf oder eine Stadt aussieht, ist aber nicht allein Sache der Stadtplaner. Denn wird ein neuer Plan für ein Neubaugebiet erstellt, kann jeder mitsprechen. „Das Verfahren sieht eine mehrstufige Mitwirkung der Öffentlichkeit vor – angefangen von der frühzeitigen Unterrichtung bis zur öffentlichen Auslegung“, erläutert der Celler Chefplaner Schucht. „Spätestens während einer einmonatigen Auslegung kann jedermann seine Stellungnahme abgeben.“

Der abschließende Satzungsbeschluss des Rates muss ortsüblich bekanntgemacht werden, etwa im Gemeindeblatt. Erst danach ist der Plan rechtskräftig. Und dann ist er für jeden einsehbar, viele Gemeinden bieten die Unterlagen bereits online an. „Meist hilft aber nur der Gang in das Rathaus“, sagt VPB-Expertin Reinhold-Postina. Sie rät künftigen Bauherren: „Wichtig ist es, sich dort alles gründlich von den Bauplanern erklären zu lassen. Sonst kann man mit seinem Grundstück leicht eine böse Überraschung erleben.“ Und wer will schon sein neues Traumhaus wieder einreißen?

mit dpa-Material