Spielerfrauen und gezwungenes Lächeln: Gefrusteter FC Bayern besucht Oktoberfest

Der FC Bayern München hat sich einen Tag nach dem ernüchternden 0:3 gegen Borussia Mönchengladbach zum traditionellen Besuch des Oktoberfestes getroffen.
Foto: dpa/Matthias Balk
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Der FC Bayern München hat sich einen Tag nach dem ernüchternden 0:3 gegen Borussia Mönchengladbach zum traditionellen Besuch des Oktoberfestes getroffen.

Während sich Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge am Sonntag an der Seite seiner Gattin vor einem Promizelt ein Lächeln abrang, ließ sich Trainer Niko Kovac mit ernster Miene neben Sportdirektor Hasan Salihamidzic ablichten. Nationaltorwart Manuel Neuer kam wie auch weitere Bayern-Stars zusammen mit der Lebensgefährtin zur Wiesn, einige erschienen auch mit ihren Kindern.

Die Stars posierten neben Frauen und Familien standesgemäß vor einem Promizelt in Tracht und mit dem Maßkrug in der Hand für die Fotografen. Doch alle hatten am Tag nach dem demütigenden 0:3 und dem Absturz aus den Champions-League-Rängen schon vor dem ersten Prosit einen Kater.

„Ich kenne die Mechanismen im Fußball und in der Bundesliga. Ich weiß, dass die Zeit bei Bayern München anders läuft“, sagte Coach Kovac und schätzte seine persönliche Lage nach dem vorläufigen Saisontiefpunkt realistisch ein. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Entlassung von Carlo Ancelotti muss der Kroate um seinen Job beim deutschen Fußball-Rekordchampion kämpfen – und das bereits kurz vor Ablauf der 100-Tage-Schonfrist.

Als sich Kovac alleine für das Wiesnfoto bereit machte, stellte sich Sportdirektor Hasan Salihamidzic demonstrativ neben den 46-Jährigen und nahm ihn kumpelhaft in den Arm. Verbal bekam Kovac auf dem weltgrößten Volksfest keine öffentliche Rückendeckung. Präsident Uli Hoeneß und Rummenigge schwiegen auch vor dem Käferzelt wie schon am Samstagabend in der Arena zu Krise und Kovac.

„Ich habe ja die Zustimmung bei den ersten sieben Spielen gehabt, jetzt nach den vier Spielen gehe ich auch davon aus“, sagte Kovac zum Start in eine für ihn ungemütliche Länderspielpause. Es folgte ein entscheidender Zusatz: „Aber ich bin nicht derjenige, der letzten Endes diese Frage beantworten kann.“

Eine solche Negativbilanz wie die jüngste von Kovac wies zuletzt Louis van Gaal vor acht Jahren auf. Damals waren die Münchner sogar nur Zwölfter nach sieben Spieltagen und sagten kurzerhand sogar ihren Oktoberfestbesuch ab. Van Gaal kämpfte sich zunächst aus der Krise, wurde aber ein halbes Jahr später doch entlassen.

„Wir müssen das nächste Spiel gewinnen und wieder hier rauskommen. Das werden wir nur schaffen, wenn wir wieder alle zusammenrücken und sich jeder an die eigene Nase packt“, rief Salihamidzic zum Zusammenhalt auf. Vier Pflichtspiele ohne Sieg, dazu zwei Liga-Pleiten nacheinander ohne eigenes Tor bringen die Bayern in Bedrängnis – und Trainer Kovac nach gerade einmal elf Pflichtspielen.

„Das bedeutet nicht nur für den Trainer, sondern für den ganzen Verein nichts Gutes“, sagte Kapitän Manuel Neuer. „Es ist eine Mischung aus Fehlern, Unvermögen und einem gewissen Antilauf“, analysierte Thomas Müller. Nur dreimal verloren die Münchner in der Bundesliga ein Heimspiel höher!

Spielwitz, Selbstverständlichkeit, Sicherheit – praktisch alles ist dem aktuell enorm tempoarmen Starensemble in wenigen Tagen abhanden gekommen. „Wir sind in einen Strudel gekommen, den wir uns nicht ausgemalt haben“, haderte Nationalspieler Niklas Süle, der vor dem 0:1 von Alassane Plea patzte. Lars Stindl nach einem groben Schnitzer von Thiago und Patrick Herrmann machten das Glück der hocheffizienten Gladbacher perfekt. „Ein 0:3 zu Hause darf uns einfach nicht passieren, egal wie effektiv der Gegner ist“, sagte Mats Hummels.

Seit Tagen rumort es in München. Daran hatte Hoeneß mit seinen provokanten Aussagen unter der Woche zur Rotation und Kovac‘ Verantwortlichkeit maßgeblichen Anteil. Dazu machten Gerüchte über Missstimmungen in der Kabine die Runde. „Wir stehen zum Trainer und haben auch in den ersten sieben Spielen zum Trainer gestanden, als der Trainer und wir auch hochgejubelt wurden“, sagte Süle.

Joshua Kimmich betonte, dass er einen „guten“ und „positiven“ Kovac erlebe. „Er versucht, uns immer wieder zu pushen. Erstaunlich wie selbstbewusst er trotzdem bleibt“, sagte der Nationalspieler, wies aber auf die branchenüblichen Gesetze hin. „Jeder Trainer in der Bundesliga und jeder Trainer in der Welt wird am Ende genauso wie wir Spieler an Erfolg und Misserfolg gemessen. So ist das auch beim FC Bayern München. Da sind wir keine Ausnahme.“

Kimmich ist nach der Verletzung von David Alaba (kleiner Muskelfaserriss im Oberschenkel) der einzige verbliebene Außenverteidiger. Zu allem Übel fällt Kovac nun schon der vierte Spieler weg, wenngleich wohl nicht lange. Der von den Bossen als zu groß empfundene Kader bietet derzeit nicht viele Optionen.

Nach sechs Meistertiteln am Stück herrscht Ratlosigkeit. Die Protagonisten setzen auf die Länderspielpause, harte Arbeit und mehr Spielglück in nun vier (!) Auswärtsspielen am Stück. „Immer Pech ist auch kein Zufall“, stellte Kimmich aber nüchtern fest. Neben den individuellen Fehlern in der Defensive ist der Mangel an erspielten Torchancen eklatant.

Die von Rekordnationalspieler Lothar Matthäus unterstellte Arbeitsverweigerung konnte man den bemühten Bayern-Stars aber nicht nachsagen. Allerdings monierte selbst Salihamidzic Mängel bei der „Körpersprache“. „Wir kommen da auf jeden Fall als Mannschaft wieder raus“, versprach Süle. Als Mannschaft – und auch mit diesem Trainer? (dpa)