Immer wieder sonntags sitzen die Fußball-Gelehrten der Nation ab 11 Uhr gemeinsam beim „Doppelpass“ auf und analysieren die wichtigen und die unwichtigen Themen des Bundesliga-Spieltags auf „Sport1“. Doch immer wieder läuft die Diskussion aus dem Ruder. Und immer wieder steht das Thema Rassismus dabei im Mittelpunkt.
Jetzt fiel Experte Marcel Reif mit einem blöden Spruch auf. Seine anschließende Entschuldigung wirkte zudem nicht authentisch. In den vergangenen Wochen hatten bereits Ex-Nationalspieler Steffen Freund und Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge ziemlich zweifelhafte Äußerungen in der Talkrunde zum besten gegeben.
>> Hintergrund: Rassismusvorwürfe gegen Steffen Freund <<
Nun also Reif. In der Sendung am Sonntag, in der Eintracht Frankfurts Sport-Vorstand Fredi Bobic unter anderem zu Gast war, diskutierten die Experten natürlich auch über die starke Leistung von Borussia Dortmund am Samstag beim 3:1-Auswärtssieg im Bundesliga-Topspiel bei RB Leipzig. Reif war begeistert vom BVB, nannte den Auftritt der Mannschaft von Neu-Trainer Edin Terzic „viel erwachsener“.
Der 71 Jahre alte Experte ließ sich dann jedoch zu einer merkwürdigen Aussage hinreißen: „Nach dem Spiel gegen Stuttgart gab es die Herren Reus und Hummels, nicht etwa irgendwelche Jungtürken, sondern schon die Herren, um die es geht, die gesagt haben: ‚Pass auf, wir sind eine Mannschaft, die kann nicht verteidigen.'“
Und diese Äußerung wurden in den Sozialen Medien durchaus kritisch bewertet.
Der Begriff "Jungtürken" ist nicht neu, er beschreibt junge Politiker mit revolutionären Tendenzen (siehe Geschichte des Osmanischen Reichs). Den Begriff habe ich aber lange nicht mehr gehört. Reifs Fehltritt erinnert etwas an Müller-Hohensteins "innerer Reichsparteitag" #dopa
— Tobias Escher (@TobiasEscher) January 10, 2021
Das Wort „Rassismus“ machte schnell die Runde:
Alter. Da reden sie sich ohne Not beim #dopa in die nächste Rassismus-Diskussion. #Reif
— Eugen Epp (@derhuge) January 10, 2021
Auch Weltmeister Lukas Podolski äußerte sich nicht besonders erfreut über Reifs Aussage:
Marcel #Reif – der Name ist leider nicht Programm, stattdessen diese dumme Aussage. Beim nächsten Mal einfach die Klappe halten. 🤦🏼♂️🤬 #dopa
— Lukas-Podolski.com (@Podolski10) January 10, 2021
Einige TV-Zuschauer zweifelten schon am eigenen Gehör:
Bitte sagt mir mal eben jemand, dass ich es einfach nur an den Ohren habe und/oder Marcel Reif nuschelt und eben im #dopa nicht wirklich von irgendwelchen "Jung-Türken" gesprochen hat.
— Thrillhouse did nothing wrong (@Bart_aber_fair) January 10, 2021
Einige gaben sich die Mühe, die Diskussion differenziert zu betrachten:
https://twitter.com/ProphetenZwulch/status/1348241864206528513
Für einige TV-Zuschauer war Reifs Spruch aber einfach zu viel:
Marcel Reif Mal wieder mit einer super Ausdrucksweise bei Sport1. *Kopftisch* "Irgendwelche Jungtürken". Was soll denn sowas. @SPORT1 ? Habe abgeschaltet. Und das bleibt auch so wenn der in Zukunft da sitzt. #sport1 #dopa #Bundesliga #marcelreif
— Just call me Tissy (@me_tissy) January 10, 2021
Doch es gab auch Twitter-User, die Reif zur Seite sprangen und seinen Spruch nicht kritisch sahen:
Ach Gott, jetzt wirft man Marcel Reif ernsthaft Rassismus vor.
Puh.
Laßt doch mal die Kirche im Dorf.
Irgendwann wird es nämlich wirklich lächerlich.#Dopa— Redwyne (@Paxter_Redwyne) January 10, 2021
Reif sah sich gezwungen, sich für seine Worte später in der Sendung zu entschuldigen. Wobei dies nicht wirklich glaubwürdig geschah. Es war vielmehr der Ansatz einer Erklärung für seinen Spruch. Was wohl auch daran lag, dass Reif seinen verbalen Fehltritt gar nicht einsah. Aber seht selbst:
https://twitter.com/Ebbelwoicola/status/1348217682894721024
Später sagte Reif während der Sendung: „Ich gebe zu, dass ich das Wort Jungtürken manchmal im Sprachgebrauch habe. Aber ist da ein rassistischer Unterton? Helft mir mal bitte, falls ich da etwas verpasst habe. Sollte ich irgendjemandes Gefühle verletzt haben, entschuldige ich mich dafür in aller Form. Mir fehlt aber so ein bisschen die Tiefe des Gedanken.“
Das Thema Rassismus war zuletzt in schöner Regelmäßigkeit allgegenwärtig im „Doppelpass“. Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge hatte am 20. Dezember 2020 nach der Spuckattacke des Gladbachers Marcus Thuram im „Doppelpass“ ebenfalls für fragwürdige Schlagzeilen gesorgt. Thuram hatte beim 1:2 gegen Hoffenheim seinem Gegenspieler Stefan Posch ins Gesicht gespuckt und dabei beim Stand von 1:1 die Rote Karte gesehen.
Zwar nicht Steffen Freund aber ich würde sagen: nailed it, mit ansage. Was aus dieser Sendung geworden ist ist erbärmlich, Leute schaut lieber morgen #bohndesliga auf #rbtv #Rassismus #dopa #Rummenigge #reif #thuram https://t.co/T4CuNKSrir pic.twitter.com/Bf2y5VPQ19
— fasstaerke ❤️👊😉 (@fasstaerke) December 20, 2020
„Das ist ein absolutes No-Go“, hatte Rummenigge des Fehlverhalten kritisiert, um dann verbal nachzulegen und über das Ziel hinaus zu schießen: „Ich habe mich gefragt, was wäre eigentlich passiert, wenn es umgekehrt passiert wäre, der Posch den Thuram bespuckt hätte – dann hätten wir wieder eine Rassismus-Debatte oder was?“ Für diese Wertung wurde Rummenigge im Anschluss in den sozialen Medien kritisiert, ihm wurde vorgeworfen, Rassismus damit zu verharmlosen.
ganz normaler sonntag im doppelpass pic.twitter.com/jDTRQ1fmN6
— Vertragsamateur Belamigović (@hannoderbus) November 29, 2020
Auch Ex-Nationalspieler Steffen Freund hatte am 29. November 2020 mit Rassismusvorwürfen nach der Sendung zu kämpfen. Der frühere Schalker Profi zog damals eine Verbindung zwischen Undiszipliniertheiten der Schalker Spieler Nabil Bentaleb und Amine Harit und deren Herkunft. Hier könnt ihr die Geschichte nachlesen.