Liebesspiel mit HIV – muss der Partner vorher informiert werden?

Wenn jemand seinem Partner die HIV-Infektion verschweigt, kann das in vielen US-Staaten mit Gefängnis enden. Experten streiten darüber.
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Foto: Shutterstock/Room's Studio
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Wenn jemand seinem Partner die HIV-Infektion verschweigt, kann das in vielen US-Staaten mit Gefängnis enden. Auch dann, wenn der Infizierte Medikamente zur Unterdrückung des Virus nimmt. Experten streiten darüber.

Sanjay Johnson beschreibt seinen Liebesspiel mit James Booth am 2. Oktober 2015 als einen „One-Night-Stand“, ein flüchtiges einmaliges Abenteuer mit diesem Mann. Aber es sollte die Beiden, die sich durch eine Dating-App für Schwule getroffen hatten, noch jahrelang danach beschäftigen – und viele Experten. Denn der Kontakt führte zu einem Rechtsstreit, der ein Schlaglicht auf umstrittene Gesetze in einer Reihe von US-Bundesstaaten wirft.

Es begann 2017. Da suchte Booth eine Polizeistation im US-Staat Arkansas auf und beschuldigte Johnson, ihn in jener Nacht dem Aids-Virus ausgesetzt zu haben. Sie hätten ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt, nachdem Johnson ihm gesagt habe, dass er nicht HIV-positiv sei. Nach der Begegnung sei dann bei ihm, Booth, das Virus festgestellt worden.

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Johnsons Arzt, Nathanial Smith, sagte dagegen, dass sich Booth nicht bei Johnson angesteckt haben könne: Demnach nahm Letzterer Medikamente, die das Virus in seinem Körper unterdrückten. Ein Labortest um die Zeit des Kontakts herum habe ergeben, dass seine Viruslast zu gering gewesen sei, um Booth zu infizieren. Johnson selber gab an, er könne sich nicht erinnern, vor dem Akt mit Booth über seinen HIV-Status gesprochen zu haben.

Die Staatsanwaltschaft erhob dennoch Anklage gegen ihn: Arkansas zählt zu rund 20 US-Staaten, in denen es ein Verbrechen ist, wenn HIV-positive Personen Geschlechtsverkehr haben, ohne ihren Partner vorher über ihre Infektion informieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie ein Kondom benutzten oder Medikamente einnahmen, die eine Übertragung des Virus unmöglich machten.

Der US-Seuchenbekämpfungsbehörde CDC zufolge geht von Menschen, deren Viruslast durch antiretrovirale Mittel unter eine bestimmte Schwelle gedrückt werden, „faktisch kein Risiko“ einer Ansteckung ihrer Partner aus. Nach weiteren CDC-Angaben traf das allerdings bis 2016 nur auf etwas mehr als die Hälfte der schätzungsweise 1,1 Millionen Menschen mit HIV in den USA zu.

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Booth sagt, er hätte es verdient, vor dem Liebesspiel von Johnson über dessen HIV-Infektion informiert zu werden – unabhängig von jedweder medizinischen Behandlung. „Ich hätte mich schützen können“, sagt er. Johnson seinerseits schildert, dass ihn das Verfahren gegen ihn extrem belastet habe: „Im vergangenen Jahr habe ich an Selbstmord gedacht.“

Mittlerweile ist es in dem Rechtsstreit zu einer Vereinbarung zwischen Anklage und Verteidigung gekommen. Demnach plädierte Johnson im Februar weder auf nicht schuldig noch auf schuldig und wurde zu einer Bewährungsstrafe von fünf Jahren verurteilt, ohne dass es zu einem vollen Prozess kam. Im Fall eines Schuldspruches durch eine Geschworenenjury hätten ihm bis zu 30 Jahre Haft gedroht, und möglicherweise hätte er sich auch als Verbrecher registrieren lassen müssen.

Aber ist dieser Rechtsfall auch beigelegt, geht die Diskussion um die Gesetze weiter, die ihm zugrunde lagen. Sie verfestigten das Stigma, das mit der Krankheit einhergehe, sagen viele Gesundheitsfachmann und Fürsprecher von HIV-Patienten. Das wiederum könne Menschen davon abhalten, sich testen oder behandeln zu lassen.

Tatsächlich haben North Carolina und Michigan kürzlich ihre Gesetze überarbeitet: HIV-Infizierte, die Medikamente zur Unterdrückung des Virus nehmen, sind jetzt von der Strafverfolgung ausgenommen. Aber auch diese Änderungen sind umstritten.

Kritiker sagen, dass sie eine neue Unterklasse von Menschen schafften, die keinen Zugang zu Arzneien hätten und damit rechtlich verwundbarer sein könnten als andere. Gesetze, die es zu einem Verbrechen machten, einen Partner dem HIV-Virus auszusetzen, sollten besser ganz abgeschafft werden – mit Ausnahme von Fällen, in denen es Personen bewusst darauf anlegten, jemanden zu infizieren.

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Eric Paulk von der Organisation Georgia Quality im Bundesstaat Georgia teilt das Argument. „Wir sollten keine Gesetze schaffen, die zur Entstehung einer zusätzlichen Schicht und Spaltung in Gruppen führen, die ohnehin schon an den Rand gedrängt sind“, sagt er.

Verteidiger der Gesetze verweisen auf Statistiken, denen zufolge es jedes Jahr Zehntausende neue HIV-Diagnosen gibt. Die Krankheit möge zwar heute kein Todesurteil mehr bedeuten, sagen sie, aber sie erfordere eine lebenslange kostspielige Behandlung.

Auch der Generalstaatsanwalt in Arkansas wies im Rechtsstreit um Booth und Johnson das Argument zurück, dass eine derartige Strafverfolgung keinem Zweck mehr diene. „HIV bleibt eine ernste Bedrohung für die öffentliche Gesundheit“, schrieb er. Die in dem Verfahren getroffene Vereinbarung zeige aber, dass sich die Staatsanwaltschaft durchaus der Fortschritte in der HIV-Behandlung bewusst sei, sagte John Johnson von der zuständigen Anklagebehörde.

Wie viele Menschen in den USA bislang im Rahmen von HIV-Gesetzen vor Gericht gestellt wurden, ist unklar. Aber eine Denkfabrik an der Universität von Kalifornien in Los Angeles hat Daten aus den Staaten Florida und Georgia analysiert. Demnach kam es dort zwischen den 1980er Jahren und 2017 zu fast 1500 Festnahmen wegen des Verdachts von Verbrechen im Zusammenhang mit HIV und zu Hunderten von Verurteilungen.

Johnson hat inzwischen einen neuen Job, aber das Verfahren gegen ihn hat Spuren hinterlassen, wie er sagt: „Ich habe mich mehr abgekapselt.“ Booth äußert Mitgefühl, aber findet es weiter richtig, dass er zur Polizei ging: „Es war etwas, was getan werden musste.“

dpa