Anti-Terror-Einsatz in NRW: „Biologische Waffen“ – Iraner soll Anschlag geplant haben

In der Nacht auf Sonntag (8. Januar 2023) stürmen Anti-Terror-Ermittler in Schutzanzügen eine Wohnung in Castrop-Rauxel im Ruhrgebiet. Der besorgniserregende Hintergrund: ein 32-jähriger Iraner soll einen islamistischen Anschlag geplant haben.

Ein schrecklicher Verdacht, ein schneller Zugriff und ein erster Erfolg für die Anti-Terror-Ermittler im Ruhrgebiet: Die Einheit konnte inmitten der Nacht auf Sonntag in einer Wohnung in Castrop-Rauxel einen 32-Jährigen festnehmen. Der Verdacht: er soll die Giftstoffe Cyanid und Rizin für einen gezielten Anschlag besorgt haben – Stoffe, die als biologische Kriegswaffen geführt werden. In den Räumen der Wohnung konnten zahlreiche Beweismittel sichergestellt werden.

Update, Montag, 9. Januar, 4.30 Uhr: Zwei mutmaßliche Terror-Planer gefasst – wie groß war die Gefahr eines Giftanschlags?

Update, Sonntag, 8. Januar: 13.20 Uhr: Mittlerweile ist leider auch klar: Die in der Wohnung des 32-Jährigen vermuteten Giftstoffe konnten nicht gefunden werden.

Der 32-Jährige wurde den Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, der Polizei Recklinghausen und der Polizei Münster zufolge gemeinsam mit einem weiteren Mann in Gewahrsam genommen. Wie weit die Anschlagspläne fortgeschritten waren und ob es schon ein konkretes Anschlagsziel gab, blieb zunächst unklar. „Wir hatten einen ernstzunehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen. Die Behörden ermitteln jetzt mit Hochdruck“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) am Morgen der Deutschen Presse-Agentur. Zu dem zweiten Mann wurden zunächst keine weiteren Angaben gemacht.

Großeinsatz in Castrop-Rauxel: Auch BKA und Entschärfer-Kommando im Einsatz

Wegen der biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren laut einem Bericht der „Bild“ auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Auch mehrere Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) und ein Entschärfer-Kommando seien im Einsatz gewesen. Das BKA wollte sich nicht zu dem Einsatz äußern und verwies auf die Generalstaatsanwaltschaft.

Das hochgiftige Rizin wird laut RKI in der Kriegswaffenliste unter „Biologische Waffen“ aufgeführt. Cyanid ist ebenfalls hochgiftig, bereits kleinste Mengen wirken bei Menschen tödlich.

Die Fahnder schlugen gegen Mitternacht zu. Der Einsatzort wurde weiträumig abgesperrt. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort. Zahlreiche Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge. Beweismittel wurden in blauen Fässern zu einer Dekontaminationsstelle gebracht, die bei der Feuerwehr eingerichtet war, wie ein dpa-Reporter berichtete. Am Morgen beendeten die Ermittler ihren Einsatz an der durchsuchten Wohnung.

„Schwere staatsgefährdende Gewalttat“

„Der Beschuldigte ist verdächtig, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben“, erklärten die Behörden. Ob der Iraner einem Haftrichter vorgeführt werde, sei noch nicht entschieden. Das Verfahren wird bei der Zentralstelle Terrorismusverfolgung Nordrhein-Westfalen bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf geführt.

Der 32-Jährige und der zweite in Gewahrsam genommene Mann wurden nur notdürftig bekleidet über die Straße in ein Einsatzfahrzeug geführt, wie Augenzeugen berichteten. Keiner der beiden habe Widerstand geleistet. Laut einem Bericht des WDR soll es sich bei den beiden Männern um Brüder handeln.

Nach Informationen der „Bild“ ermittelt das Bundeskriminalamt seit mehreren Tagen gegen den Iraner. Ein“befreundeter Geheimdienst“ solle die deutschen Sicherheitsbehörden über die Anschlagsgefahr mit einer chemischen Bombe gewarnt haben.

Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte wegen der Online-Käufe großer Mengen Rizinus-Samen Verdacht und gab einen Tipp. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13 500 Menschen sterben können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen.

dpa