Für rund 70 Millionen Euro: Das ist der neue Campus des FC Bayern

Auf diese Antwort zum Transferwahnsinn ist Präsident Uli Hoeneß mächtig stolz. Rund 70 Millionen hat sich der FC Bayern seinen Campus kosten lassen.
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Der beschleunigte Markt im Nachwuchsbereich bringt große Herausforderungen mit sich. Neue Müllers oder Alabas werden gesucht. Und deshalb ist der Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß, mächtig stolz auf seine Antwort auf den Transferwahnsinn: ein rund 70 Millionen teurer Campus.

Wenn die Bundesliga-Stars von Morgen im FC Bayern Campus über eine kleine Brücke aus dem Hauptgebäude zu ihrem Stadion gehen, können sie einen Blick auf den Ort ihrer Träume werfen. In knapp drei Kilometern Entfernung erhebt sich die Allianz Arena. Dort, wo Größen des Weltfußballs von 75 000 Zuschauern gefeiert werden, wollen die U9- bis U19-Kicker auch irgendwann hin. Stolz propagiert Uli Hoeneß das rund 70 Millionen Euro teure Nachwuchsleistungszentrum als mögliche „Antwort auf den Transferwahnsinn und die Gehaltsexplosionen“.

Hoeneß hofft auf den Münchner Idealfall: Irgendwann sollen die Supertalente in die Rollen von Weltmeistern wie Thomas Müller oder Manuel Neuer schlüpfen. Eine Hand voll Profiverträge wurde in den vergangenen Wochen unterzeichnet, einige Jungspunde ließ Profitrainer Jupp Heynckes schon in der Bundesliga ran.

Ausgaben steigen jährlich, zuletzt auf 163,41 Millionen Euro

Jugendfußball boomt wie nie zuvor. Alles ist noch professioneller, noch größer, noch lukrativer geworden. Die grundsätzlichen Herausforderungen sind zwar dieselben wie vor zehn Jahren. Aber die Megasummen bei den Profis beeinflussen auch den Markt der Wunderkinder und Supertalente. Die Ausgaben der Bundesligisten steigen Jahr für Jahr, zuletzt waren es 163,41 Millionen Euro.

Das Tempo im Reifeprozess vom Hochbegabten zum Hochleistungssportler hat rasant zugenommen. „Vor 10, 15 Jahren war ein 21-Jähriger bei den Profis immer noch ein sehr, sehr junger Spieler. Heute gehört ein 21-Jähriger in einer Profimannschaft oft schon zu den etablierten Spielern“, beschreibt es Jochen Sauer, Leiter des Bayern-Campus. „Heute ist man mit 16 oder 17 ein junger Spieler bei den Profis.“ Dazu sind die athletischen Anforderungen enorm gestiegen.

Der 45-jährige Sauer und sein Team sollen beim Rekordchampion eine Mia-san-Mia-Generation entwickeln, die den Ansprüchen im glamourösen Weltklasse-Ensemble genügt. „Der nächste Schritt muss natürlich sein, dass wir die nächsten Jahre aus den Nachwuchsmannschaften Spitzenkräfte herausholen, die irgendwann in der Lage sind, in der ersten Mannschaft mitzuhalten“, lautet eine Hoeneß-Vorgabe.

Hoeneß‘ Hoffnung: Stars in Zeiten von Mega-Transfers selber machen

„Ich glaube, man kann hier relativ viel Geld reinstecken und damit nur Bruchteile der Ablösesummen ausgeben, die man auf dem Markt teilweise ausgeben muss“, erklärte der Präsident schon bei der Eröffnung der Hightech-Anlage im vergangenen August. Damals war Neymar gerade für unglaubliche 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain gewechselt. „Es ist eine Überzeugung, dass der Campus der richtige Weg ist“, sagte Hoeneß.

Mittlerweile haben auch die ersten Campus-Kicker Profiverträge unterzeichnet. Ron-Thorben Hoffmann, Lukas Mai, Meritan Shabani und Franck Evina feierten zum Teil sogar schon ihr Bundesliga-Debüt. „Wir fangen ja nicht von vorne an. Wir haben das eine oder andere Talent, das es in den Profikader schaffen kann. Es muss nicht drei, vier Jahre dauern“, sagt Sauer zur Suche nach dem neuen David Alaba. Der heute 25-Jährige war der letzte Münchner, der auch dank einer Ausleihe nach Hoffenheim im Jahr 2011 den Sprung aus der Jugend in den Profibereich der Bayern schaffte. Von solchen Karrieren träumen die Talente in den über 50 Leistungszentren in Deutschland.

Alaba war 2011 der letzte Bayern-Star, der den Sprung schaffte

Die Nachwuchskräfte sollten „nie ihr Ziel aus den Augen verlieren“, rät der vom Campus beeindruckte Alaba. „Es ist unglaublich, was da entstanden ist.“ Auf 30 Hektar sind Jung-Bayern seit einem Jahr zu Hause. Ein Internat mit 35 Appartements, acht Fußballplätzen und einer Infrastruktur vom Feinsten lassen im Land des U21-Europameisters keine Wünsche offen.

Das betonen auch die Verantwortlichen und Nachwuchskräfte gerne. Die Münchner stehen dank dieser Investition nun auf einer Stufe mit den führenden Leistungszentren in Deutschland, nachdem sie an Boden verloren hatten. U19-Torhüter Hoffmann schwärmt vom „Meilenstein für den FC Bayern“, während im Hintergrund der Rasenmäher über die Spielfläche tuckert. Der kürzlich unterzeichnete Profivertrag ist für den 19-Jährigen eine wichtige Etappe auf dem Weg zu seinem großen Traum. „Mein Ziel ist es, mich so bald als möglich im Herrenbereich als Profitorwart zu etablieren“, sagt der Keeper.

Hoffmann steht zwar erst am Anfang seiner Karriere, doch er ist schon sehr reif. Für seine 19 Jahre ist er auch schon ein Weitgereister: Hansa Rostock, Hertha BSC, RB Leipzig und jetzt sein „Herzensverein“ FC Bayern. Als Ausdruck für ein schnelllebigeres Nachwuchsgeschäft will er das nicht verstanden wissen. „Ein Vereinswechsel kann eine große Chance sein. Für mich war dies so, ich habe sie ergriffen und für mich genutzt“, sagt der Schlussmann, der bei Hertha vom Feldspieler zum Torwart umgeschult wurde.

Riesensummen zeigen Wirkung im Nachwuchsbereich – Problem England

Ein junger Mann wie Hoffmann, der als Plan B eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann verfolgt, versichert glaubhaft, sich auf dem Weg zum Bundesligaspieler nicht von den Mega-Gehältern und Ablösen bei den Stars verrückt machen zu lassen. „Man bekommt natürlich von den Summen mit, die auch schon junge Spieler erhalten, was zum Teil galaktisch klingt. Mich beschäftigt das aber nicht, ich höre nur neugierig zu“, erklärt der 19-Jährige.

Die Auswirkungen im Milliardengeschäft sind auch bei den Junioren angekommen. „Der Markt im Nachwuchsbereich hat sich schon ein bisschen verändert, weil viele diese Konzentration auf den Nachwuchs noch mehr entdeckt haben. Wenn sich auf dem Transfermarkt im Profibereich die Preise nach oben entwickeln, ist es relativ wahrscheinlich, dass es auch eine Sogwirkung für den Nachwuchsbereich hat“, umschreibt Sauer.

Krass ist es in der finanzstarken Premier League. „Derzeit besteht in England allerdings das Problem, dass durch das viele Geld in den Profimannschaften wenig Platz ist für hoffnungsvolle Nachwuchstalente, die in der Übergangszeit vom Junioren- zum Profifußball immer Zeit und Spielpraxis benötigen, um das Level der internationalen Topspieler erreichen zu können“, sagt Meikel Schönweitz, Sportlicher Leiter U-Nationalmannschaften des DFB. „Das darf uns in Deutschland nicht passieren.“

„Ende der Fahnenstange nicht erreicht“

Die Jagd nach den Talenten beginnt im Fußball-Kapitalismus immer früher und wird globaler. Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge kritisierte schon vor langer Zeit den Run englischer Clubs auf Zehn- oder Elfjährige plakativ als „Kidnapping“. Schalkes Jugendtrainer Norbert Elgert bewertet die Verpflichtung von zu jungen Spielern als „Schwachsinn“. Aber der Markt, das räumt nicht nur er ein, sei eben da und nicht mehr zu drehen. „Ich glaube, das Ende der Fahnenstange ist längst nicht erreicht“, sagt der Schalker.

Im vergangenen Sommer zog es etwa Torben Rhein, Nemanja Motika, beide 14, und dessen kleinen Bruder Nikola Motika von Hertha zum FC Bayern. Begeistert waren die Berliner nicht, letztlich einigten sich die Clubs. „Dass der Weg normalerweise eher vom kleineren Verein zum größeren ist, ist relativ normal“, sagt Sauer. „Darauf stellen sich NLZ von kleineren Vereinen ein. Sie sind auch nicht immer verärgert, sondern einige sind auch stolz, wenn ein Spieler zu einem großen Verein geht.“

Grundsätzlich habe sich die Themenstellung beim Wechsel von Jugendlichen aber nicht verändert, ordnet Sauer ein. „Wenn ich einen Spieler hole, muss ich immer überlegen: Wie alt ist der Spieler? Macht der Wechsel jetzt schon Sinn? Tut es ihm gut, wenn ich ihn aus seinem Umfeld reiße? Wie sieht es schulisch aus? Was spricht dafür und was dagegen?“ Heute sei man bei den Talenten ein, zwei Jahre früher dran und müsse noch intensiver, noch pflichtbewusster abwägen.

DFB mahnt an: Freiräume für die jungen Menschen wichtig.

Für die zum Teil gehypten jungen Sportler sind die vielen Einflüsse nicht leicht zu verarbeiten. „Es fällt immer schwerer, sich frei zu entwickeln und demnach auch immer schwerer, das mögliche Potenzial komplett auszureizen“, sagt Schönweitz.

„Das ist ein komplexes Thema. Fakt ist, dass sehr viele Einflüsse auf die Jungs einströmen. Vereine und Berater, Familie und Freunde, Schule und Medien – wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um noch junge Menschen handelt, die Freiräume benötigen, um individuelle Persönlichkeiten zu werden“, warnt der DFB-Mann. Dass ein U16-Kicker schnell mal mehr Geld verdient als seine Eltern, macht es nicht einfacher. „Ich bin der Überzeugung, dass zu viel Geld zu früh den Charakter verderben und den Hunger nehmen kann“, sagt Elgert.

Der Druck ist riesig für die Nachwuchskicker. „Vielleicht ist das heute etwas schwieriger, weil man heute diese Themen mit einem 16-Jährigen bespricht und vor ein paar Jahren mit einem 18- oder 19-Jährigen, der dann schon etwas reifer war“, sagt Sauer. Am Ende aber gebe es 18 Bundesligisten mit je etwa 25 Profis. „Man muss mit den Spielern und den Eltern ehrlich umgehen. Man muss die Jungs auf den wachsenden Leistungsdruck vorbereiten. Es wird immer schwieriger, je weiter sie nach oben kommen.“ Für die allermeisten platzt eines Tages der Traum, ein großer Star oder überhaupt Profi zu werden.

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