Hat eine Borderline-Beziehung eine Chance?

Eine Beziehung zu einem Borderliner ist alles andere als einfach – aber nicht unmöglich. Wir verraten, wie eine solche Beziehung funktionieren kann und wann man sich selbst schützen sollte.
Foto: Dmytro Zinkevych / Shutterstock.com
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Als Borderline wird eine Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Sie ist also eine psychische Störung. Menschen mit dem Borderline-Syndrom sind impulsiv, zeigen starke Stimmungsschwankungen und führen meist instabile Beziehungen. Sie schwanken extrem zwischen gegensätzlichen Gefühlen wie Liebe und Hass – vor allem in der Partnerschaft.

Was ist Borderline?

Der Begriff Borderline kommt aus dem Englischen und bedeutet „Grenzlinie“. Menschen mit einer Borderline-Erkrankung befinden sich auf der Grenze zwischen einer neurotischen und einer psychotischen Störung.

Die Betroffenen leiden unter ihren unkontrollierbaren Gefühlsschwankungen, die sie durch extreme Gefühlsausbrüche oder Handlungen sofort ausdrücken müssen. Dabei verletzen Sie sich selbst, nehmen Drogen oder verhalten sich rücksichtslos.

In zwischenmenschlichen Beziehungen sind sie impulsiv und aufbrausend. Es gibt für sie kein Mittelmaß. Andere Menschen sind entweder gut oder böse, ohne den eigenen Partner können sie entweder nicht leben oder sie möchten ihn nie wieder sehen.

Durch dieses Verhalten können viele Borderliner keine stabilen Beziehungen führen. Dabei wünschen sie sich sehnlich feste Bindungen. Sie versuchen dann mit aller Macht den Partner zu halten, leiden unter extremen Verlustängsten und fühlen sich alleine.

Aber nicht nur Borderliner leiden unter der Persönlichkeitsstörung. Nahestehende Personen wie die Familie und der Partner wissen nicht, wie sie mit dem oder der Betroffenen umgehen sollen. Unbewusst verletzt der Borderliner sein Umfeld durch das extreme Verhalten.

Eine Beziehung zu einem Borderliner einzugehen und mit ihm oder ihr zusammenzuleben, kann eine große Herausforderung sein. Ist die Liebe stark und können beide Partner Rücksicht aufeinander nehmen, ist es dennoch möglich, eine glückliche Beziehung zu führen.

Was sind die Ursachen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung?

Warum eine Borderline-Persönlichkeit entsteht, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Neben genetischer Veranlagung können traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit die emotionale Instabilität auslösen. Menschen mit Borderline stammen häufig aus zerrüttelten Familienverhältnissen oder wurden in der Vergangenheit missbraucht oder misshandelt.

Häufig war eine wichtige Bezugsperson der Täter in der Kindheit. Dabei erlebte der Borderline-Betroffene die Bezugsperson in einem starken Widerspruch: Auf der einen Seite liebte er die Bezugsperson, auf der anderen Seite verspürte er Gefühle wie Wut, Angst und Hass, die er jedoch nicht ausdrücken konnte.

Doch nicht alle Borderline-Betroffenen mussten in der Kindheit traumatische Erfahrungen machen. Und viele Menschen mit traumatischen Kindheitserfahrungen bilden keine Borderline-Störung aus. Manchmal tritt die psychische Störung ohne einen offensichtlichen Auslöser auf.

Auch eine erbliche Veranlagung oder neurologische Veränderungen im Gehirn könnten dazu führen, dass Borderliner ihre Emotionen nur eingeschränkt kontrollieren können. Wahrscheinlich ist, dass mehrere Faktoren zur Entstehung der Borderline-Störung beitragen.

Leidet mein Partner unter einer Borderline-Störung?

Borderline ist keine Persönlichkeitsstörung, die sich auf den ersten Blick erkennen lässt. Die erste Zeit in einer Beziehung mit einem Borderliner läuft häufig ohne Probleme ab. Erst später kommt es durch das für den Partner unerklärliche Verhalten des Borderliners zu Schwierigkeiten.

Treffen mindestens fünf der folgenden Eigenschaften auf einen Menschen zu, kann dieser unter dem Borderline-Syndrom leiden. Eine genaue Diagnose kann und sollte jedoch nur ein Psychologe stellen.

  • Borderliner stehen durch das Gefühlschaos ununterbrochen unter emotionalen Spannungen und einem inneren Druck. Sie haben keine Kontrolle über ihre starken Gefühle. Für außenstehende zeigt sich das in Gefühlsexplosionen wie beispielsweise Wutanfällen, die scheinbar grundlos ausbrechen.
  • Menschen mit Borderline sind sehr impulsiv und schaden dabei auch sich selbst, beispielsweise durch Drogenkonsum, Alkoholkonsum oder ein unsicheres und enthemmtes Sexleben.
  • Borderliner versuchen mit aller Macht ihre Liebesbeziehung zu halten und greifen dabei nicht selten zu drastischen Mitteln wie Drohungen und emotionaler Erpressung.
  • Die Gefühle gegenüber zwischenmenschlichen Beziehungen schwanken zwischen starker Zu- und Abneigung.
  • Borderliner leiden unter einer verzerrten und instabilen Selbstwahrnehmung.
  • Sie handeln selbstverletzend oder riskant. Auch Suizidversuche sind möglich.
  • Sie kämpfen mit einem ständigen Gefühl von innerer Leere.
  • Unter Stress, Belastung oder in scheinbaren Gefahrensituationen können sie vorübergehend in einen dissoziativen Zustand verfallen. Dabei haben sie das Gefühl aus ihrem Körper zu treten, neben sich zu stehen und handlungsunfähig zu sein. Um in die Realität zurückzukehren, müssen sich einige Betroffene selbstverletzen.

Sowohl Männer als auch Frauen sind von Borderline betroffen. Eine häufigere Diagnose wird jedoch bei Frauen gestellt, da diese sich bei emotionalen Problemen eher therapeutisch behandeln lassen.

Was ist eine Borderline-Beziehung?

Menschen in einer Beziehung mit einem Borderliner, stecken in einer schwierigen Situation: Auf der einen Seite möchten Sie den geliebten Menschen unterstützen, auf der anderen Seite belastet das unberechenbare Verhalten der betroffenen Person nicht nur die Partnerschaft, sondern auch die eigene Psyche.

Deutlich wird die Borderline-Störung meist im zwischenmenschlichen Kontakt mit dem eigenen Partner. Zwar können auch Angehörige oder enge Freunde unter dem impulsiven und selbstverletzenden Verhalten des Borderliners leiden, doch das volle Ausmaß der Persönlichkeitsstörung kommt in Liebesbeziehungen am stärksten zum Vorschein.

Viele Borderline-Beziehungen beginnen sehr glücklich. Denn Borderliner sind leidenschaftlich und konzentrieren sich zunächst nur auf ihren Partner. Die intensive und schöne Beziehung kann sich jedoch schnell ins Gegenteil wandeln. Dann zeigen Betroffene ohne ersichtlichen Grund Wutausbrüche oder extreme Eifersucht. Und im nächsten Moment sind sie dann doch wieder liebevoll und anhänglich.

Die Borderline-Erkrankung ist für außenstehende also nicht sofort erkennbar. Beim Flirten mit Borderline-Betroffenen bemerken Sie zunächst nicht, dass dieser unter einer instabilen Persönlichkeitsstörung leidet. Kommt jedoch Liebe ins Spiel, kann sich die scheinbar reflektierte Person von einem Augenblick zum nächsten verändern.

Das Schwarz-Weiß-Denken ist bei Menschen mit dem Borderline-Syndrom stark ausgeprägt: Alles ist entweder gut oder schlecht, top oder flopp. Sie schwanken zwischen wunderschönen Hochs und bodenlosen Tiefs. Idealisieren ihren Partner an einem Tag und hassen ihn am nächsten.

Der ständige Wechsel zwischen den Extremen ist für andere Personen sehr verwirrend. Schnell ist der Partner überfordert und entscheidet sich für eine Trennung. Doch genau das ist das Dilemma des Borderliners: Er zerstört durch sein Verhalten die zwischenmenschlichen Beziehungen, nach denen er sich so sehr sehnt.

Möchte der Partner eines Borderline-Betroffenen die Beziehung aus Liebe fortführen, erfordert das eine große Portion Verständnis. Der gesunde Partner muss den richtigen Umgang mit dem oder der Betroffenen lernen, darf dabei aber auch nicht die eigenen Bedürfnisse aus den Augen verlieren.

Wie denkt und fühlt ein Borderliner in einer Beziehung?

Borderliner sind zwischen Gut oder Böse, Liebe und Hass, Glück und Trauer gefangen. Für sie gibt es kein Zwischending. Die Dinge sind entweder Schwarz oder Weiß. Das stürzt den Borderliner von dem einen Extrem ins Andere. Vor allem in einer Partnerschaft.

Die Psychologin Manuela Rösel sagt, dass sich Menschen mit Borderline über eine andere Person definieren. Und das ist meist der geliebte Partner. Sie ertragen nur schwer, wenn dieser nicht das Gleiche fühlt, wie sie selbst. An einer Trennung drohen sie zu zerbrechen. Es ist sogar möglich, dass sie den Ex-Freund nicht loslassen können und diesem noch monatelang nachstellen.

Nach langjähriger Erfahrung mit Betroffenen hat die Psychologin schon mehrere Bücher über Borderline verfasst. Das Buch „Borderline verstehen“ hilft Menschen in einer Borderline-Beziehung, den Partner mit der Borderline-Störung besser zu verstehen.

Denn der Borderliner selbst leidet unter den starken Gefühlen. Er oder sie wünscht sich eine stabile Beziehung, hat gleichzeitig jedoch große Angst vor Nähe. An einem Tag ist der Partner das größte Geschenk auf Erden, am nächsten der schlimmste Partner der Welt.

In seiner Impulsivität entscheidet sich der Borderliner manchmal sogar selbst für die Trennung von seinem Partner, nur um ihm kurz darauf die ewige Liebe zu schwören. Er leidet unter Wutausbrüchen oder Verzweiflung oder zeigt sich überglücklich und leidenschaftlich. Menschen mit Borderline müssen ihre Gefühle durch eine Handlung ausdrücken – und das jetzt gleich. Sofort. Sie haben diese Gefühlsausbrüche nicht unter Kontrolle und sind ihnen machtlos ausgeliefert.

Gleichzeitig begleitet sie ein Gefühl der inneren Leere und nur um irgendetwas zu fühlen verletzen sie sich selbst, nehmen Drogen oder stürzen sich Hals über Kopf in eine neue Beziehung. Mit der neuen Liebe scheint das Leben dann zunächst wunderschön, doch schon nach kurzer Zeit zeigt sich das Borderline-Syndrom im Umgang mit dem neuen Partner.

Ist eine Beziehung mit einem Borderline-Patienten möglich?

Der Umgang mit einem Borderliner ist nicht einfach. Liebe und Leidenschaft sind stark, doch umso extremer sind die Verhaltensweisen der Betroffenen. Bei vielen Paaren führt die Borderline-Beziehung schon nach kurzer Zeit zu einer Trennung. Zu schwierig gestaltet sich das Leben mit Borderline.

Unmöglich ist eine erfolgreiche Partnerschaft zu einem Menschen mit dem Borderline-Syndrom jedoch nicht. Ob eine langfristige und glückliche Beziehung möglich ist, kommt auf die Ausprägung der Borderline-Persönlichkeit und die Charaktere der beiden Partner an.

Wer mit einem Borderliner ein gemeinsames Leben aufbauen möchte, muss viel Verständnis mitbringen und einiges aushalten können. Betroffene sollten sich über die psychische Krankheit informieren und sich beim richtigen Umgang mit Borderlinern am besten professionell beraten lassen.

Denn die Betroffenen handeln nicht bewusst destruktiv. Viel mehr können sie ihre eigenen Gefühle und das daraus resultierende impulsive Verhalten selbst nicht steuern. Der Partner sollte dem Borderline-Partner Sicherheit vermitteln und ihm gleichzeitig Freiraum zum Rückzug anbieten.

Damit der gesunde Partner jedoch nicht an der Beziehung zerbricht, muss er oder sie sich von den negativen Gefühlen und dem extremen Verhalten abgrenzen können. Einem verzweifelten Borderliner kann zunächst niemand aus seiner extremen Gefühlslage befreien – dieser ist darin gefangen.

Bessere Chancen für den fortbestand der Beziehung besteht außerdem dann, wenn der Betroffene verschiedene Therapiemöglichkeiten wahrnimmt. Besonders wenn selbstverletzendes Verhalten oder Suizidabsichten bestehen, sollte eine Therapie begonnen werden.

Während einer Therapie können Menschen mit Borderline lernen, besser mit den extremen Gefühlsschwankungen umzugehen und Gefühlsausbrüche oder impulsives Verhalten bewusst zu unterdrücken. So lernen Betroffene mit dem Borderline-Syndrom zu leben.

Und die Borderline-Beziehung hat sogar gute Seiten: Zwar gibt es schlimme Tiefs in der Beziehung, aber es gibt auch unbeschreibliche Höhen. Die Liebe eines Borderliners ist stark, das gemeinsame Leben intensiv. Langweilig wird die Beziehung nie.

Wie lange hält eine Borderline-Beziehung?

Die meisten Borderline-Beziehungen sind turbulent und geprägt von großen Gefühlen – positiven wie negativen. Die Betroffenen führen leidenschaftliche und emotionale Beziehungen, die meist von kurzer Dauer sind. Wie lange die Beziehung letztendlich hält, ist von der Bereitschaft beider Partner abhängig.

Bemüht sich der Borderliner um eine Therapie und gelingt es dem anderen Partner auch im Angesicht von großen Gefühlsschwankungen ruhig zu bleiben, kann sich das Verhalten des Borderliners verbessern. Zudem ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht bei jedem Menschen gleich ausgeprägt.

Letztendlich muss jeder gesunde Mensch selbst entscheiden, ob er eine Partnerschaft mit einem Borderliner führen möchte oder ob die Trennung für beide Seiten die bessere Lösung ist. Denn trotz großer Gefühle und einer starken Liebe kann das ständige Hin und Her den Partner belasten und psychisch ebenfalls in einen Abgrund stürzen.

Wie und wann sollte man eine Borderline-Beziehung beenden?

Geht das Verhalten des Borderline-Partners an die Substanz, sollten Menschen in einer Borderline-Beziehung über eine Trennung nachdenken. Denn auch wenn das Leben mit einem Borderliner wunderschöne Tage bietet, sollten die psychische Gesundheit und das eigene Leben nicht darunter leiden.

Fakt ist: Nicht jeder kann mit einem Borderliner zusammenleben. Sensible Menschen oder Personen, die zu einer Co-Abhängigkeit neigen, sollten lieber früher als später Abstand zu Borderlinern nehmen.

Die negativen Gefühlsausbrüche, die Rückzieher und das Hin- und Her zwischen Liebe und Hass können die Partner von Borderlinern so sehr belasten, dass sie selbst in eine Depression fallen oder schon nach kurzer Zeit unter einem Burn-out leiden.

Auch bei schädlichen Verhaltensweisen des Borderliners wie Drogenkonsum, rücksichtsloses Autofahren oder sogar Gewalt in der Beziehung ist es wichtig, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und sich von dem Borderline-Partner zu trennen. Wenn möglich sollte der Kontakt zum Ex-Partner zumindest für eine Zeit lang komplett abgebrochen werden.