Auf eine letzte Reise: „The Walking Dead: The Final Season“ – Episode 1 im Test für PC

Telltales bekannteste Spielereihe “The Walking Dead” geht in ihre vierte und letzte Staffel. Wir haben die erste Episode durchgespielt und liefern den Test.
Foto: Telltale Games
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Von Marco Mainz

Freiliegende Gedärme, weggefetzte Köpfe und furchterregendes Gejauchze von “Walkern” haben schon bald ein Ende. Telltales bekannteste Spielereihe “The Walking Dead”, die auf den Comics von Robert Kirkman basiert, geht in ihre vierte und letzte Staffel. Wir haben die erste Episode durchgespielt und liefern den Test.

Für mich ist das große Finale wahrlich ein Grund zu trauern, habe ich die Serie in den letzten sechs Jahren doch so stark in mein Herz geschlossen. Episode Nummer 1 hört auf den Titel “Genug mit Wegrennen”, ist seit dem 14. August spielbar und der Startschuss für unser letztes großes Abenteuer in der Zombieapokalypse.

Eines gleich vorweg. Dieser Artikel könnte Spoiler zur bisherigen Serie beinhalten. Wer also noch nicht in den Genuss der Walking Dead Reihe von Telltale gekommen ist, der sollte jetzt nicht weiterlesen und sich schnellstmöglich vor die nächste Flimmerkiste setzen, um die Spiele nachzuholen! Es lohnt sich!

Ich muss schon sagen, dass ich von der vorangegangenen Staffel um Protagonist Javi Garcia etwas enttäuscht war. Die Geschichte über den ehemaligen Baseballprofi und seinem klischeebehafteten Bruder war vorhersehbar und erreichte in seiner Narrative nicht im Ansatz das Niveau der ersten beiden Staffeln. Daher schraubte ich meine Erwartungen zum großen Finale weit nach unten.

Völlig zu Unrecht, denn in der ersten Episode weckte Telltale wieder etwas in mir, dass ich seit Staffel eins nicht mehr verspürte: meinen Beschützerinstinkt. Ein Gefühl, dass meine Ingame-Entscheidungen maßgeblich beeinflusste und es mir damit stellenweise richtig schwer machte. Wem es beim Spielen nur ansatzweise so geht wie mir, der wird mit Gewissensbissen zu kämpfen haben – versprochen!

Von Protegé zur Mentorin

Die Episode beginnt mit Clementine, die am Steuer eines Autos sitzt. Sie ist mittlerweile ein Teenager. Seit der dritten Staffel “A New Frontier” sind mehrere Jahre vergangen. Wie viele genau wird nicht erwähnt. AJ, der zu der Zeit noch ein kleines Baby war, ist nun bestimmt fünf oder sechs Jahre alt. Er lümmelt während der Autofahrt auf dem Rücksitz und dreht lässig an der Revolvertrommel.

Die beiden sind gemeinsam in der Endzeit unterwegs. Clem gibt sich als Ziehmutter, die dem jungen AJ alles wichtige zum Überleben beibringt – so wie Lee es damals bei ihr tat. Jetzt ist es Clem, die ihr Wissen an ihren Schützling weiterträgt. Und dabei ist sie abgebrühter als Lee es je hätte sein können. AJ zu beschützen ist ihr unausgesprochenes Credo.

Es ist nicht zu viel verraten, wenn ich sage, dass Clementine über die gesamte Episode hinweg die einzige spielbare Figur ist. Keine Zeitsprünge, wie in der vergangenen Staffel, kein Javi und auch keine weiteren neuen Protagonisten stehen auf dem Programm. Dabei muss die Frage aufgeworfen werden, warum die beiden denn überhaupt zusammen sind. Am Ende von “A New Frontier” war Clem noch immer auf der Suche nach dem Kleinen.

Nicht zu wissen, wie die beiden sich zwischenzeitlich gefunden haben, wirkt daher etwas befremdlich. Besonders, weil es im Vorfeld der Episode einen kleinen Rückblick in Form eines Storybuilders gibt. In diesem werden die zentralen Entscheidungen von Lee und Clem aus den vergangenen drei Staffeln simuliert und nacherzählt. Das Wiedersehen von Clem und AJ hätte dort problemlos erklärt werden können. Wird es aber nicht – weshalb davon auszugehen ist, dass es entweder übergangen wurde, oder wir den einen oder anderen Rückblick in zukünftigen Episoden erwarten können.

Den „Storybuilder“ könnt ihr übrigens hinter diesem Link kostenlos auf der offiziellen Webseite von Telltale ausprobieren.

Schluss mit Wegrennen?

Clem und AJ treffen in ihrem Alltag immer wieder auf “Walker”. Und auch wenn Clem einem halben Dutzend von ihnen das Messer in den Kopf jagt: Es werden einfach nicht weniger. Zu Fliehen steht deshalb oft ganz oben auf der Tagesordnung. Dazu werden die beiden Überlebenden vom Hunger geplagt, sodass sie stetig weiterziehen müssen; bis zu dem Tag, an dem sie Zuflucht bei einer Gruppe Teenagern finden, die sich in einem verlassenen Anwesen eingenistet haben.

Gruppenführer Marlon, der nur unwesentlich älter als Clem zu sein scheint, nimmt sie und AJ auf. Auf dem Anwesen ist es friedlich. Es gibt eine Safe Zone und einige sichere Jagdgebiete. Clementine und ihr kleiner Begleiter bekommen sogar ein eigenes Zimmer. Dieses kann die Staffel über mit im Spiel gefundenen Gegenständen eingerichtet werden.

Studio Telltale nutzt die ruhigen Momente bei der Gruppe, um sich auf seine Stärken zu besinnen. So wird die erste Episode weitestgehend für die Exposition genutzt. Die Charaktere erhalten viel Zeit sich zu entfalten. Dabei nehmen sich die Entwickler die Beziehung zwischen Clementine und AJ stark zu Herzen. Sie kreieren ein liebevolles Duo, das immer wieder rührende Parallelen zu dem Gespann Lee/Clementine aus der ersten Staffel aufbaut.

Aber auch die Tiefe manch anderer Figuren wird hervorragend ausgearbeitet. Besonders mit der anfangs „creepy“-wirkenden Violet durchlebte ich in der rund zwei- bis dreistündigen Session so einige „Hochs“ und „Tiefs“. Und Telltale wäre nicht Telltale, hätten sie am Ende nicht noch den obligatorischen Höhepunkt mit perfekt sitzendem Cliffhanger parat. Dass er kommt, war der simplen Formel wegen abzusehen. Wie er allerdings aussieht, nicht. Zumindest eines garantiere ich: er sitzt!

Erstaunlich effektive Verbesserungen

Eines muss man der Spielereihe lassen: Mit ihrer unverwechselbaren Comic-Grafik trifft sie seit vielen Jahren einen Nerv. Kein Wunder, dass Telltale ein großes Spiele Line-up aus verschiedenen Lizenzen um diesen Stil aufgebaut hat.

Obwohl altbekannt, wurde für das große Finale hier und da noch etwas an der Technik geschraubt. So bekam der Titel etwas mehr Details spendiert und sieht dadurch noch etwas düstererer aus. Ein Look, der nicht besser zur neuen Staffel und damit auch zur neuen unberechenbaren Clementine passen könnte. Dazu kommen überarbeitete Lichteffekte, die eine der einprägsamsten Szenen der Telltale-Geschichte schaffen. Spieler, die bereits die Kellerszene gespielt haben, wissen was damit gemeint ist.

Die unverkennbare Telltale Spielmechanik ist natürlich auch in der finalen Staffel von The Walking Dead wieder mit dabei. Die Form des begehbaren Point-and-Click Adventures hat schon beinahe Kultstatus. Nach fast sieben Jahren und etlichen Lizenzwerken ist es für das Studio schwierig mit Neuheiten zu glänzen. Und doch gibt es in der jüngsten Episode hier und da kleine Änderungen, die sich während meines Spielerlebnisses bewährt haben.

Die Levelabschnitte wirken beispielsweise nun etwas größer. Grund dafür ist unter anderem die bereits genannte Grafikoptimierung, die gekonnt Levelenden und Kulissen kaschiert. Auch die neue Schulter-Perspektive, durch die wir nun näher an Clementine dran sind, trägt dazu bei.

Simpel, aber erstaunlich effektiv. Dynamischer wird es (endlich!) dank der frei beweglichen Kamera. Wo vorher nur ein schwer wahrzunehmender Kameraschwenk möglich war, ist Telltale nun in der Neuzeit angekommen. Dem Point-and-Click-Erlebnis schadet es nicht. Es erinnert dafür aber teilweise etwas an Dontnod’s „Life is Strange“.

Fazit

Telltales “The Walking Dead” startet verhältnismäßig ruhig in seine “Final Season”. Die Parameter sind bekannt. Wir erhalten ein storygetriebenes Adventure ohne viel Interaktion, dafür umso mehr Entscheidungsgewalt wenn wir denn mal gefragt werden. Der langsame Erzählstil in der ersten Episode ist sicher nicht für Jedermann. Er wird jedoch zum Aufbau einer Fallhöhe gebraucht, die ihren Effekt mit dem knallenden Abschluss der Episode schon eindrucksvoll erfüllt.

Die aufgehübschte Grafik, die Änderungen im Gameplay und das einmal mehr grandiose Writing tragen zum positiven Gesamteindruck bei.

Episode 1 von “The Walking Dead: The Final Season“ erhält von uns 8 von 10 zermatschte Walker, 4 von 5 schwerwiegende Entscheidungen und eine Trefferquote von 78%.

Die Reise geht weiter! Nachfolgend die Release-Termine für die kommenden Episoden:

  • Episode 2: „Suffer the Children“ – 25. September 2018
  • Episode 3: „Broken Toys“ – 6. November 2018
  • Episode 4: „Take Us Back“ – 18. Dezember 2018