Der Spion, der mich durchsiebte: Phantom Doctrine im Test für PC

Ihr seid ein Freund taktischer Scharmützel und rundenbasierter Kämpfe? Dann ist Phantom Doctrine von Creative Forge einen Blick wert.
Foto: Good Shepherd Entertainment
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Ihr seid ein Freund taktischer Scharmützel und rundenbasierter Kämpfe? Ihr spielt XCOM im Schlaf? Ihr mögt Agententhriller? Ihr steht auf die 1980er? Ihr habt Geduld? Dann ist Phantom Doctrine von Entwickler Creative Forge und Publisher Good Shepherd Entertainment einen Blick wert.

KGB? CIA? Ach egal! Hauptsache cooler Agent. So in etwa beginnt „Phantom Doctrine“, das einen anfangs etwas ratlos zurücklässt. Die 80er Jahre, ein U-Boot, eine mysteriöse Fracht, eine weltweite Verschwörung und zwei seltsame Gestalten samt einer Leiche. Das alles wird nicht in Animationen erzählt, sondern in hübsch gezeichneten Bildern mit Voice Overn – ein vorgetragener Comic sozusagen.

Das hat seinen eigenen Charme. Zumal ich mir direkt nach dem Intro mein Alter Ego basteln kann: männlich, weiblich, US-amerikanisch oder sowjetisch und dazu noch ein paar Klamotten, Frisuren und Accessoires.

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Das Äußere entscheidet nicht das Spiel, dafür aber die Wahl des Landes: Die ganze Geschichte wird darum wahrscheinlich auch nur enthüllt, wenn man das Spiel dreimal spielt: einmal als CIA-, einmal als KGB-Agent und als dritte Option als israelischer Mossad-Spion. Die gibt es aber erst, wenn man das Spiel mindestens einmal durchgespielt hat. Zu jedem der Durchgänge gibt es dann noch eigene Haupt- und Nebenmissionen. Der Mossad-Agent beispielsweise jagt zusätzlich noch Nazi-Verbrecher.

Egal, welche Rolle man wählt: Danach beginnt die erste Mission, die mich indes nur in die grundlegenden Mechaniken einführt. Dann aber werde ich sofort in meinen ersten eigenen Auftrag entlassen. Beispiel CIA-Agent: Zusammen mit zwei weiteren Spionen soll ich Informationen zum Atomwaffen-Programm Pakistans beschaffen. Das ist heute kein Geheimnis mehr, aber wir befinden uns ja im Jahr 1983. Dafür dringen wir als Wissenschaftler in Ganzkörper-Schutzkleidung verdeckt in eine Basis ein. Alles aus isometrischer Sicht und rundenbasiert. Darum braucht man auch etwas Geduld: Der Gegner darf ja auch noch ziehen, und das kann dauern.

Mission: Impossible

Echte Hilfestellungen gibt es zudem nicht. Nur Primär- und Sekundär-Ziele sind bekannt. Alles andere muss ich selbst herausfinden. Das heißt: Ich irre anfangs etwas herum. Zumal nicht jede Lösung für ein Problem wie eine Alarmanlage sich in direkter Nähe findet, sondern manchmal auch in einem anderen Raum oder Stockwerk. Mit der Zeit habe ich dann das Primärziel erreicht. Natürlich verdeckt. Ich hätte jetzt einfach unerkannt verschwinden können.

Aber ich will auch noch die Sekundärmission abschließen – was ich auch schaffe, aber es mündet in einem Alarm und darum in einem Feuergefecht. Ich muss mir den Weg freikämpfen. Anfangs fühle ich mich dabei tatsächlich wie in XCOM: Meine Agenten haben unterschiedliche Waffen und Fähigkeiten, können in Deckung gehen oder können versuchen, eine höhere Position einzunehmen.

Leider aber ist Phantom Doctrine nicht ganz so poliert wie XCOM. Ich weiß nicht, wie viel Schaden ich anrichte werde, oder mit welcher Wahrscheinlichkeit mein Schuss ein Treffer sein wird. Das macht das taktische Vorgehen etwas schwierig. Und selbst wenn ich meine Agenten in sichererer Deckung in der Ecke eine Halle wähne, trifft mich immer noch eine Wache. Und das durch zwei Fenster hindurch von der anderen Seite eines Gebäudes auf der gegenüberliegenden Straßenseite – die gefühlt drei Kilometer weit weg ist.

So ganz ausgereift ist das nicht, und es macht ein vorausschauendes Vorgehen etwas schwierig. Zumal der Schwierigkeitsgrad generell hoch ist. Gegner sind kein Fallobst. Sie können eine Menge einstecken, suchen Deckung, flankieren mich und nehmen mich von mehreren Seiten in die Zange. Für eine erste Mission war das schon eine ziemliche Herausforderung, an der ich auch teilweise gescheitert bin – weil ich es so hammerhart nicht erwartet habe. Ich kann mit meiner Hauptfigur zwar entkommen. Meine Agentin stirbt indes an ihren Schusswunden, der zweite Partner wird gefangen genommen. Und das Spiel wird danach nicht einfacher.

Allerdings müsst ihr Geduld mitbringen. Für meine erste Mission habe ich mehr als 30 Minuten benötigt. Wer sich auf Phantom Doctrine einlässt, muss sich schon die Zeit dafür nehmen – und auch experimentierfreudig sein: Das Spiel erklärt euch nicht viel.

Spione wie wir

Nach der Mission finde ich mich im Hauptquartier wieder. Dort kann ich die erbeuteten Dokumente und Daten analysieren. Anfangs ist da in vielen Akten noch einiges geschwärzt. Erst durch weitere Missionen erfährt man mehr – und kann auf einer Korktafel ganz klassisch mit rotem Garn Querverbindungen erstellen. Ein nettes Mini-Game, mit dem ich mich aber tatsächlich wie ein Agent fühle.

Dann gehe ich zur Weltkarte, auf der ich mit meinen neuen Informationen weitere Einsätze plane. Da müssen Spionagenetzwerke infiltriert, Bomben gelegt, wichtige Personen geschützt werden – mit den Agenten, die mir zur Verfügung stehen. Das sind anfangs nur wenige, die ich aber auch trainieren und zu Spezialisten machen kann. Wie das geht, muss man allerdings selbst herausfinden. Das Spiel nimmt einen nicht wirklich an die Hand. Auch nicht bei den Spielmechaniken.

Bei den Hauptmissionen gehe ich natürlich selbst in den Einsatz und habe je nach Vorbereitung und meinem Team, das ich zusammenstelle, grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Lautlos und unerkannt erreiche ich mein Ziel, beschaffe Dokumente oder entführe wichtige Personen. Oder aber ich rücke mit gezückten Waffen vor und erledige jeden und alles in meinem Weg. Beide Alternativen sind übrigens nahezu gleich fordernd. Aber zum Ende hin wird es dann doch leichter. Mit hoch spezialisierten, austrainierten Agenten samt Top-Ausrüstung sind die Hürden nicht mehr so hoch.

Mit der Zeit erschließt sich so die Geschichte. Zumindest teilweise. Wir führen die Untergrund-Organisation „Cabal“ und decken eine weltweite Verschwörung auf. Das glaube ich zumindest. Es bleibt alles ziemlich wirr und ist darum leider auch nur bedingt spannend. Vermutlich erst, wenn man das Spiel mehrmals durchgespielt hat, erschließt sich alles. Allerdings: Nur für einen Durchgang muss man bereits 30 bis 40 Stunden einplanen. Das Spiel bringt fürs Geld eine Menge Inhalt mit.

Fazit

Freunde taktischer Herausforderungen, die sich nicht so leicht frustrieren lassen, werden daran ihren Spaß haben. Die etwas verworrene Story reißt nicht vom Hocker. Dafür aber strahlt das Spiel den Charme der 80er aus. Zumal noch historische Ereignisse und Personen eingebunden sind. Dazu kommt noch das gesamte Repertoire der Agentenklischees: Hey, es gibt auch Schläfer-Agenten, die nach einer Gehirnwäsche auf ein Code-Wort reagieren. Mitten in einer Mission.

Und das ist wiederum die Stärke von Phantom Doctrine: In jedem Einsatz könnte der nächste Schritt oder Zug der falsche sein. Von Anfang bis zum Ende der Mission bleibe ich darum angespannt, weil noch etwas schief gehen könnte. Oder ein Gegner noch einen Schuss abgibt, der mich trifft.

Wären die Mechaniken nur etwas ausgereifter und wäre die Geschichte etwas nachvollziehbarer! So aber bleibt es eine Empfehlung vor allem für Genre-Fans.

Phantom Doctrine erhält von uns 76 von 100 paranoiden Blicken über die Schulter, 7 von 10 gerettete Agenten und 3 von 5 roten Garnfäden.