Bohemian Rhapsody mit Schafen: Forza Horizon 4 im Test

Der vierte Teil der "Forza Horizon"-Serie erobert das virtuelle England und hat über 450 Karren im Gepäck. Wir erklären im Test, warum es besser als Sex ist.
Foto: Microsoft / Slicer Dyster
Foto: Microsoft / Slicer Dyster
Foto: Microsoft / Slicer Dyster

Der vierte Teil der Forza Horizon Serie erobert das virtuelle England, hat über 450 Karren im Gepäck und setzt audiovisuell neue Höhepunkte: Insbesondere auf der Xbox One X läuft das spektakuläre Geschehen auf Wunsch butterweich mit 60 Frames pro Sekunde über den Bildschirm. Wir sind mit Begeisterung durch Edinburgh und Umgebung gerast und erklären im Test, warum es besser als Sex ist.

Forza Horizon 4 ist eines der wenigen Rennspiele, in denen ich am liebsten stehen bleibe. Wer braucht schon über 500 PS, wenn er Sonnenuntergänge wie diese hier beobachten kann?

Ja, Forza Horizon 4 macht mich fertig. Es ist ein andauernder Orgasmus, ein Rauschzustand, ein nicht enden wollender, audio-visueller Overkill, der mich mit der Nase am Bildschirm kleben lässt, während mir langsam der Sabber am Kinn herunter gleitet. Ich frage mich immer wieder:

“Is this the real life, is this just fantasy?”

Die britische Rockband Queen wäre wohl ebenso vom virtuellen Abbild Englands verzaubert gewesen. Dabei hat sich Entwickler Playground Games wirklich selbst übertroffen – und das sage ich als jemand, der bei der ersten Ankündigung auf der E3 2018 erstmal schlucken musste.

Nein, ich bin kein großer Fan von England. Urlaubsmäßig würde ich persönlich zuerst in so ziemlich jedes andere europäische Land reisen, als den Sprung auf die Insel zu wagen. Slowakei, Litauen, Lettland, Estland – alles interessanter, alles geiler. Dass die Community im Hintergrund laut “Japan! Japan! Japan!” skandierte, half nicht viel weiter. “Nö, es wird England. Mit Schafen.”

Nach mehreren Stunden in Forza Horizon 4 werde ich meine Gefühle für das Land zwar nicht grundlegend ändern, komme aber dennoch nicht aus dem Staunen heraus. Bereits in einem frühen Interview erwähnten die Entwickler die neue “Vertikale” der Spielwelt – das war bei mir hängen geblieben. Sie präsentiert sich im fertigen Spiel als ganz erhebliche Erweiterung der Spielwelt.

Dabei wirkt die Karte auf den ersten Blick kaum größer, als die des Vorgängers. Noch schlimmer: Sie wirkt langweiliger. Wälder. Felder. Wälder. Ein paar Dörfer. Ein paar Seen und Flüsse. Ein kleiner Strandabschnitt samt Leuchtturm. Eine große Stadt. Da konnte Australien mit seinen spektakulären Settings im Regenwald, den 12 Aposteln an der Küste, sowie den staubtrockenen Dünen der Wüste für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Das war spektakulär! Das wollte man spielen! England? Nee…

Was man auf den ersten Blick aber nicht sieht: Die Karte wird von einigen “großen Brocken” überschattet, riesigen Berg- und Hügelmassiven, deren steile Serpentinen nicht nur Drift-Künstler glücklich machen. Der Ausblick von diesen erhöhten Positionen auf den Rest der Welt gehören zu meinen spektakulärsten Erlebnissen in einer virtuellen “Open World” – Erinnerungen an das erste Mal auf dem Mount Chiliad bei GTA V werden wach, oder einige Aussichtspunkte im letztjährigen Assassin’s Creed Origins – nur ist die Fahrt in einem Bugatti Chiron mit 1.500 PS dann halt doch noch etwas geiler, als Kamele durch Ägypten zu treiben.

“Open your eyes, look up to the skies and see!”

Besonders auffallend: Der Himmel. Hier machen die Entwickler sogar dem bisherigen Grafik-Primus “Driveclub” in Sachen realistischer Wolkenformationen, Wetter- und Lichteffekte Konkurrenz. Auf einem entsprechenden TV genießt ihr teils wahnsinnig hübsche HDR-Szenerien, staunt über imposante Sonnenuntergänge, und verliert euch im steten Wechsel aus Schnee, Regen, Nebel und Sonne pur. Ein Gedicht!

Dass ich meinen Test zu Forza Horizon 4 mit mehreren Absätzen zur Grafik einleite, zeigt euch bereits, wo der Auspuff hängt: Ja, das Spiel ist optisch eines der schönsten Videospiele aller Zeiten!

Ein kleines Eingeständnis meinerseits: Ich habe daheim noch eine alte Xbox stehen. Und selbst auf dieser kann ich nicht aufhören minimal dement vor mich her zulächeln, wenn mein Jaguar D-Type mal wieder mit über 230 Sachen gen Sonnenauf- oder Untergang brettert.

Dabei beginnt das Spiel technisch erst auf der Xbox One X seine wahren Stärken auszuspielen: Die Wahl zwischen knack-scharfer “4K”-Auflösung und 30 FPS, sowie extra fluffigen 60 Bildern pro Sekunde bei einer Auflösung von 1080p, dürfte für viele Zocker wohl auf erstere Option fallen. Man merkt deutlich: Die 60 FPS haben den Vorgängern gefehlt. Jetzt sind sie da – gekommen um (hoffentlich!) zu bleiben. So, und nicht anders sollte jedes Forza aussehen!

“No escape from reality!”

Es wundert ein wenig, dass die “vier Jahreszeiten” nicht Eingang in den Titel gefunden haben: Dabei hätte sich “Forza Horizon 4 Jahreszeiten” doch regelrecht aufgedrängt. Oder irgendwas cooles. “Forza 4 Seasons”. Ja, ja, schon gut.

Tatsächlich bereichert der zuerst als grafisches Feature belächelte Wechsel der Jahreszeiten das Spiel ungemein – und hinterlässt auch spielerisch prägnante Spuren. Kein Wunder also, dass ihr bereits im Intro kurz hintereinander durch alle vier Jahreszeiten gejagt werdet, um einen ersten Vorgeschmack zu bekommen: Ihr startet im Herbst mit Blick auf rot-orangene Wälder, rast im Winter über einen zugefrorenen Flusslauf und driftet durch dichtes Schneegestöber… Jede Jahreszeit hat ihre ganz eigenen Highlights zu bieten – und verändert die Umgebung nicht nur optisch.

Wer langsam fährt, kann hervorragend beobachten wie die Reifen Spuren im Schnee hinterlassen: das weiße Bett wird “eingedrückt”, auf den Straßen fährt es sich wie auf Seife. Da wird jedes Rennen zur neuen Herausforderung! Im Herbst blendet euch die tiefstehende Sonne, während euch jede Menge Pfützen und viel Matsch aus dem Trab bringen. Im Sommer freut ihr euch über ideale Straßenbedingungen und testet jede Karosse auf neue Höchstgeschwindigkeitsrekorde – beispielsweise auf der ellenlange Straße die Küste hinab.

Der Wechsel der Jahreszeiten ist übrigens Server-gebunden. Will heißen: Nach dem Abschluss der „Kampagne“ wird wöchentlich gewechselt! So präsentiert sich Forza Horizon 4 stets von einer neuen Seite, wenn ihr es mal für längere Zeit ruhen lasst. Nicht dass man das wollen würde.

“I’m just a poor boy, I need no sympathy!”

Grafischer Tiefpunkt von Forza Horizon 4 sind die Avatare: Gleich zu Beginn müsst ihr euch für einen der extrem häßlichen Sims entscheiden, welche euch die Wahl zwischen Hipster, Mega-Hipster, Bachelor-Assi und seltsame 80s-Braut lassen. Schreckliche Frisuren haben sie alle, die Gesichtsausdrücke bringen das Emotionsgehalt eines Waschbretts auf den Bildschirm und die Klamotten – urgh. Fangen wir gar nicht erst mit Klamotten an.

Umso seltsamer erscheint da das Feature, dass ihr für die fiesen Fritzen allerhand unnützes Zeug freischalten könnt: Wilde Tänze im Fortnite-Stil und noch weitaus schlimmere Klamotten lassen euch teils verwirrt den Kopf schütteln. Ja, diese Entwicklungszeit hätte man durchaus sinnvoller nützen können. Immerhin darf ich nun mit ‘nem weißen Zylinder, schräger Sonnenbrille und Cowboy-Stiefeln durch die Pampa rasen. Jesses.

Natürlich erhalten die Kleidungsstücke ihre Berechtigung allen voran im Online-Modus, um sich von den Mitfahrern auch optisch absetzen zu können. Da auch einige Achievements mit speziellen Klamotten belohnt werden, lässt sich damit prima angeben. Wer’s nötig hat!

Die Struktur des Spiels selbst bleibt übrigens ganz ähnlich der, die ihr bereits in den Vorgängern erlebt habt: Rennen um Rennen schaltet ihr neue Spots auf der Karte frei, welche euch mal auf ein Straßenrennen inmitten der Nacht, mal quer durch die Pampa, oder auf kurvige Rundkurse schicken. Wem der normale Renn-Alltag nicht reicht, der versucht sich zudem am Aufstellen neuer “Blitzer”-Rekorde und an Drift-Rennen – oder aber ihr sucht (mal wieder) nach verlassenen Scheunen, um dort besonders coole Karossen zu finden. Da diese hoffnungslos verrostet sind, benötigt euer Techniker ein bißchen Zeit, um sie wieder für die Straße fit zu machen.

Zu den Highlights gehören mal wieder die spektakulären “Schaurennen” – hier tretet ihr diesmal u.a. gegen ein riesiges Luftkissenboot an, oder fordert einen Zug heraus. Für alle Halo-Fans gibt es natürlich auch wieder eine Überraschung. Noch mehr Abwechslung gefällig? Dann versucht euch in diversen Stunt-Rennen als Stuntman!

Und als wäre das alles noch nicht genug, dürft ihr euch nebenbei noch als Fotograf austoben (welche Motive möglich sind, zeigt euch zum Beispiel die resetera-Community), die Autos nach eurem eigenen Gusto tunen und aufmotzen, sowie als Lackierer neue Designs für eure liebste Karre zusammen frickeln – alternativ ladet ihr letztere beim Kauf eines Wagens herunter und bewertet die Macher mit einer Sterne-Skala.

Mit einem Update am 25. Oktober soll derweil der von vielen Spielern gewünschte “Route Creator” endlich seinen Weg ins Spiel finden: Dann dürfte die ohnehin schon extrem hohe Anzahl an Strecken praktisch ins Unendliche ausgeweitet werden.

Und ja, ihr habt es richtig verstanden: Der “Route Creator” lässt euch eigene Strecken gestalten – egal ob von Punkt A nach Punkt B, oder als Rundkurs! Einzige Einschränkung: Der Startpunkt wird durch ein bereits bekanntes Rennen vorgegeben, danach fahrt ihr selbst drauflos, setzt Checkpoints und beendet das Ganze mit einer Ziellinie. Danach noch fix an den Parametern wie Jahreszeit, Tageszeit und Wetter schrauben – fertig!

Schade nur, dass ihr im “Route Creator” nicht auch noch auf Sprungschanzen und andere Gegenstände zurückgreifen könnt – es bleibt (vorerst) beim Platzieren von Checkpoints.

“Didn’t mean to make you cry!”

Laut Xbox.com sind bereits in der ersten Woche nach dem Verkaufsstart von Forza Horizon 4 stolze zwei Millionen Spieler im virtuellen England unterwegs gewesen. Umso beeindruckender, dass Serverseitig alles rund läuft: Mit einem gültigen Xbox Live Abo ist Forza Horizon 4 ein Fest für alle Online-Fans – und wirft euch in eine konsistente Online-Welt, in der ihr ständig auf weitere Spieler trefft.

Doch keine Sorge: Fiese Rempeleien und nerviges “von der Straße drängeln” entfallen, da ihr nur Mitglieder eurer eigenen Entourage physisch treffen könnt. Alle weiteren Spieler tauchen praktisch nur als “Ghost” auf, bei Kontakt fahrt ihr durch sie hindurch. Das gleiche System greift beim Durchfahren der bekannten „Speed Zones“ – das macht es um einiges einfacher neue Rekorde aufzustellen.

Theoretisch können bis zu 70 Spieler gleichzeitig auf einem Server herumfahren – wirkliche Berührungspunkte gibt es aber selten. Jeder Spieler macht halt „irgendwie sein eigenes Ding“ – da dürft ihr euch regelrecht freuen, wenn mal eine gute Seele eure Herausforderung zu einem kurzen Kopf-an-Kopf-Rennen annimmt.

Die gewaltige Auswahl, welche euch das Spiel schon für euch alleine bietet, stellt sich Online als Problem heraus: Öfters müsst ihr mehrere Minuten warten, um euer gewünschtes Versus-Rennen gegen andere Spieler bestreiten zu dürfen. Hier wäre eine etwas striktere Führung seitens der Entwickler wünschenswert gewesen. Spaßig bleiben die Playground Games: „Flag Rush“, „Infected“ und „King“ bieten euch ganz neue, spielerische Anreize und unterhalten für Stunden!

“Sends shivers down my spine!”

Musik und Forza gehören zusammen, wie Fish und Chips: Ein wesentlicher Bestandteil der Serie seit dem ersten Teil waren stets unglaubliche Playlists, welche nicht nur den Festival Faktor betonten, sondern jede Sekunde des Spiels zum Festival “machten”. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen: Neben den GTA-Playlists fällt mir kein weiteres Videospiel ein, für welches die Integration von Musik SO ELEMENTAR WICHTIG ist, wie für Forza Horizon.

Umso tragischer, dass die neuen Playlists leider nicht ganz die Klasse der Vorgänger erreichen. Auch hier: Meckern auf hohem Niveau. Aber warum man die Homebase des neuen Festivals ausgerechnet musikalisch komplett ausblendet, erklärt sich wohl einzig und allein an zu hohen Copyright-Kosten.

Ich kann und will einfach nicht glauben, dass sich Songs wie Bohemian Rhapsody (Queen), Anarchy in the U.K. (Sex Pistols) und ganz allgemein Künstler wie David Bowie, The Clash, Radiohead, The Who, Led Zeppelin und die Arctic Monkeys nicht auch den Entwicklern aufgedrängt haben.

Selbst die UK-Clubszene hätte doch sicher mehr auf dem Kasten gehabt: Michael Gray und “The Weekend” beispielsweise. Oder Modjo’s “Lady”. Ach, ich merke schon selbst: Geschmäcker, und so. Und meine sind ohnehin veraltet. Ja, ich gehöre noch zur Generation Pre-Spotify.

Bei aller Kritik: Was euch im Soundtrack von Forza Horizon 4 erwartet, muss sich nicht traurig hinterm Ofen verstecken! Beinahe geschockt war ich darüber, dass Beck mittlerweile ein ziemlich lebensbejahender Typ geworden zu sein scheint, immerhin hat er mit “Colors” einen DER Tracks im Forza-Portfolio an Bord. Ich kenn den Namen noch von “Loser”, bzw. “I’m a Loser, Baby, so I want to kill me”. Good old times.

Nebenbei habe ich mich mal wieder sehr über CHVRCHES gefreut, die ja praktisch mit der Serie groß geworden sind, und mittlerweile auch die ganz realen Charts stürmen. Ganz egal ob MK, M83, The Killers, HAIM oder Marshmello („Fly“ und „Silence“) – in Sachen elektronischer Musik dürfte man schnell zufrieden sein.

Rock- und Metal-Fans hingegen werden nur mäßig bedient: Zu den populärsten Bands des fiktiven Radiosenders „Horizon XS“ gehören u.a. die Foo Fighters, Pennywise (ja, die gibt es auch noch!) und die Queens of the Stone Age. Der Hammer: Greta Van Fleet und der “Safari Song” – unbedingt gleich mal in die Spotify Playlist packen!

Wie die Faust auf’s Trommelfell passt natürlich “The Four Seasons” von Antonio Vivaldi – aber auch der Rest vom Klassik-Sender „Timeless“ lässt mich den neuzeitlichen Schmonsens der Konkurrenz-Sender mit einem Grinsen im Gesicht beiseite wischen.

Übrigens: Einen großen Teil des Soundtracks könnt ihr euch auf Spotify reinziehen. Einzig “Hospital Records” behält die Rechte vieler Songs vorerst für das Spiel vor – darunter auch die neuen Tracks von Fred V & Grafix und Keeno.

“Easy come, easy go, Bismillah!”

Der größte Kritikpunkt an Forza Horizon 4 bleibt, wie auch bei den Vorgängern, der Schwierigkeitsgrad: Wer nichts an den Einstellungen ändert, brettert meist im Blindflug an der Konkurrenz vorbei und darf sich nach einem spannenden Start bei 3-Runden-Rennen über zwei äußerst entspannte Runden an vorderster Front freuen.

Wer den Schwierigkeitsgrad einen Schritt höher packt, darf sich hingegen gleich mal ärgern: Mindestens ein Gegner eilt dem Feld nun um einige Sekunden voraus – wer sich mit dem Rest rempelt, sieht von der Nummer 1 nur noch die Silhouette am Horizont. Aber der Schwierigkeitsgrad ist nicht nur ein Problem der seltsamen K.I., auf die man “online” zum Glück ohnehin verzichten kann: Das Verdienen von Ansehen, Kohle und neuen Wagen kommt komplett ohne Herausforderung daher – und damit auch ohne den nötigen Stolz, sich etwas verdient zu haben.

Immerhin dürft ihr euch öfters mal einem “Wheelspin” versuchen, der euch nette Geschenke wie “mehrere hunderttausend Credits aufs Konto”, oder schicke neue Karossen in die heimische Garage stellt. Der neue “Super-Wheelspin” macht daraus gleich drei sichere Gewinne – Overkill!

So wird die Währung, die ihr während der Rennen nebenbei verdient, beinahe komplett entwertet. Ob ihr nun den ersten Platz besteigt, oder den dritten, vierten oder fünften – Wurst! Ob ihr beim Rennen möglichst stylisch durch die Kurven driftet und penibel darauf achtet, nicht ins Gestrüpp zu fahren – Wurst! Immerhin lassen sich die “Style”-Punkte auch während der freien Fahrt über die Karte horten – fahrt einfach mit Höchstgeschwindigkeit querfeldein, springt über Hügel, rast durch Gehölz und Mauern, schon stapelt sich der Multiplikator in schwindelerregende Höhen. Skill-Punkte? Nee, sorry, mit Skill hat DAS hier nichts mehr zu tun.

Noch eine kleine Anmerkung zum Thema “Mauern”: Dass ihr die typischen, englischen Steinmauern mit kaum mehr als 40 Km/h problemlos durchfahren könnt, schadet nicht nur der Immersion, sondern auch der Wegführung. Streng genommen ist es kaum mehr nötig sich Wege zu merken, oder schnelle Routen zu verinnerlichen: Fahrt einfach immer gerade aus! Wirklich stoppen können euch dabei nur noch Häuserwände und dicke Bäume – selbst dünnes Gestrüpp und Heuballen verlangsamen eure Reise kaum noch.

Cool: Während euch ein See im Sommer noch behindert, brettert im Winter einfach über denselben hinweg.

“Anyway the wind blows…”

Bei allem Lob und aller Kritik, für die Zukunft wünschen sich bereits jetzt viele Fans eine Neuausrichtung der Serie. Das titelgebende Festival-Setting ist für viele ausgelutscht, das ständige “Hipster-Getue” überflüssig wie ein dickes Muttermal auf der Stirn. Selbst die spektakulären Schaurennen gegen Züge, Düsenjäger und Motorräder haben ihren Zenit mit Forza Horizon 4 erreicht. Einmal geht noch, danach ist aber auch echt gut.

Ich würde mir ja wünschen, dass sich die Entwickler auf die Features besinnen, welche Forza Horizon so großartig machen: Die realistische Darstellung der Welt schreit doch danach, die Arcade-Schiene ein wenig zu verlassen und sich weiteren “realistischen” Details und Otto-Normalo-Aufgaben zuzuwenden. Ja, ich will beim Abbiegen blinken können. Oder an roten Ampeln bremsen – und wenn nicht, wäre eine Verfolgungsjagd mit den Ordnungshütern in Event-Form gar nicht mal verkehrt. Oder wie wäre es als Taxi-Fahrer Personen von Punkt A nach Punkt B zu schleppen, um etwas Geld zu verdienen? Crazy Taxi lässt grüßen!

Schade, dass neue Features wie die Wohnungsgrundstücke in dieser Hinsicht so wenige spielerische Möglichkeiten bieten: Wenn es schon häßliche Avatare geben muss, warum nicht auch mit ihnen durch’s Eigenheim schlendern, oder bequem auf der Veranda hocken und den Radiostationen lauschen? Hier ist noch extrem viel Potential vorhanden!

Kurz: Das Forza Horizon der Zukunft sollte sich weiter von seinen Rennspiel-Wurzeln der Forza Motorsport Serie lösen, das nervige Festival links liegen lassen und endgültig zum “Open World Rennspiel” mutieren, das wir uns alle wünschen. Auf zu neuen Horizonten!

Fazit

Ja, auch Forza Horion 4 hat seine Problemchen. Das pseudo-coole Gequatsche seiner mies inszenierten Akteure hinter dem Steuer. Der noch immer zu stark schwankende Schwierigkeitsgrad im Rennen gegen die K.I.. Die grauenvolle Menüführung, die ein besoffener, englischer Schafsbock auf Crack besser hinbekommen hätte. Aber Herr im Himmel – all das verblasst beim Spielen, beim Begaffen der Landschaften, der Autos, des Laubes auf der Straße, der zart auf dem Lack eurer Karosse herab perlenden Regentropfen, “die so schön ham’ geprickelt in mein Bauchnabel!”

Bis Playground Games auch noch diese letzten Fehler unter Kontrolle gebracht hat – und uns mit Forza Horizon 5 endlich Japan als Austragunsort anbietet (Gnargh!) – bis dahin summe ich verliebt “Never let you go, let me go, never me go, oh, no no!” vor mich her und genieße eines der besten Spiele des Jahres. Oder um es anders zu sagen: DAS BESTE RENNSPIEL bis zum heutigen Tag. Punkt. Danke Playground, danke Microsoft.

Forza Horizon 4 erhält von uns 95 von 100 gescherten Schafen, 5 von 5 Foto-Finishes und 10 von 10 möglichen Scheunenfunden. Pflichtkauf!