„Ist es gerecht, jemanden umzubringen“: Papst vergleicht Abtreibung mit Auftragsmord

Für viele Frauen ist eine Abtreibung die schwerste Entscheidung des Lebens. Der Papst hingegen sieht in der Sache gar Berufskiller am Werk.
Foto: Gregorio Borgia/dpa
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Für viele Frauen ist eine Abtreibung die schwerste Entscheidung des Lebens. Der Papst hingegen sieht in der Sache gar Berufskiller am Werk. Die Empörung über die Wortwahl und die „abstrusen Gedanken der Päpste“ folgt prompt.

Papst Franziskus hat Abtreibungen mit einem Auftragsmord gleichgestellt. „Aber wie kann ein Akt, der das unschuldige Leben (…) unterdrückt, therapeutisch, zivil oder einfach menschlich sein“, sagte der Pontifex am Mittwoch bei seiner Generalaudienz in Rom.

„Ich frage Euch: Ist es gerecht, jemanden umzubringen, um ein Problem zu lösen? Das kann man nicht machen, es ist nicht gerecht, einen Menschen umzubringen, auch wenn er klein ist.“ Und er fuhr vom Redemanuskript abweichend fort: „Es ist, wie einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen.“

Wenn Eltern die Diagnose einer schweren Behinderung ihres ungeborenen Kindes bekämen, brauchten sie „wahre Nähe“ und Solidarität, um ihre Ängste zu überwinden. „Stattdessen bekommen sie hastige Ratschläge, die Schwangerschaft abzubrechen“, sagte das Oberhaupt der Katholiken bei einer Audienz am Petersplatz, die das Gebot „Du sollst nicht töten“ zum Thema hatte. „Das sagt man so: die Schwangerschaft unterbrechen. Aber das bedeutet, jemanden direkt um die Ecke zu bringen.“

Für die katholische Kirche ist Abtreibung in jedem Fall eine schwere Sünde. Die Kirche sieht eigentlich sogar die Exkommunikation für jene vor, die eine Abtreibung vorgenommen haben: Nicht nur die Frau selbst, sondern auch der Abtreibungsarzt und der Partner, wenn er die Frau zur Abtreibung gedrängt hat, sind automatisch vom Empfang der Sakramente – auch des Bußsakraments – ausgeschlossen.

Vor zwei Jahren sorgte Franziskus mit seiner Entscheidung für Furore, dass er Priestern erlaubt, Frauen diese „Sünde“ zu vergeben. Doch das ändert nichts an seiner Einstellung, dass es ein Verbrechen sei, ungeborenes Leben zu töten. Erst im Juni hatte der Argentinier Abtreibung behinderter Kinder mit den Euthanasie-Morden der Nationalsozialisten verglichen. Im vergangenen Jahrhundert habe sich die ganze Welt über die Euthanasie der Nazis empört. Heute mache man „dasselbe mit weißen Handschuhen“, hatte er gesagt.

Auch jetzt kam umgehend Kritik. Der Vergleich zwischen einem Auftragsmord und einem Schwangerschaftsabbruch „beleidigt sowohl die Opfer eines Mordes als auch die Gewissensentscheidung einer Frau im Schwangerschaftskonflikt“, erklärte der katholische Verein Frauenwürde, der Schwangerschaftskonfliktberatung anbietet. „Die geringe Sensibilität gegenüber schwangeren Frauen, die sich aus vielerlei und unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage sehen, für das Kind, das sie erwarten, eine Zukunft aufzubauen, reiht sich ein in die vielen abstrusen Gedanken der Päpste der römisch-katholischen Kirche zur Lebenswirklichkeit von Frauen.“

„Es sind beunruhigende, aber wenig überraschende Worte“, erklärte Adele Orioli vom Verband der rationalistischen Atheisten und Agnostiker (Uaar) in Italien. „Es ist bekannt, dass sich die Kirche immer erlaubt hat, alles Mögliche über den Körper und über die Entscheidungen von Frauen zu sagen. Und der „revolutionäre“ Franziskus ist da keine Ausnahme.“ Gerade in katholisch geprägten Ländern wie Italien ist es für Frauen schwer, einen Arzt zu finden, der Abtreibungen vornimmt. Denn viele Krankenhäuser gehören zur Kirche.

Der Zeitpunkt von Franziskus‘ Aussagen ist heikel. Gerade tagen die Bischöfe der Welt auf einer Synode in Rom. Dabei geht es in diesem Jahr um die Belange der Jugend. Und für junge Menschen sind Themen wie Sexualität, Abtreibung, Homosexualität und Frauenrechte besonders wichtig. Viele wünschen sich, dass sich die Kirche in dieser Hinsicht mehr öffnet. Ob Franziskus mit dem Vergleich des Auftragskillers den richtigen Ton getroffen hat, ist fraglich.

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