Muezzinruf in Köln: Religionsfreiheit oder Machtdemonstration?

Die Meinungen zum ersten Muezzinruf in Köln am heutigen Freitag sind gespalten: Geht es hier wirklich nur um Reglionsfreiheit – oder steht mehr dahinter?
Köln Moschee
Foto: Shutterstock/Norbert Frommelt
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Wenn heute um 13.24 Uhr erstmals der Ruf des Muezzin an der Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union Ditib ertönt, werden sich nur noch wenige Menschen im „Veedel“ wundern: Die Aufmerksamkeit der Medien war groß, ebenso wie die Aufklärungsarbeit vor Ort. Der Ruf soll maximal fünf Minuten dauern und nur in unmittelbarer Nähe der Moschee zu hören sein. Bei den Anwohnern darf er nur mit einer Lautstärke von 60 Dezibel ankommen.

„Die Neuerung besteht darin, dass nun der Gebetsruf auch auf dem Moscheevorplatz vor dem Gebetssaal zu hören sein wird“, sagte Murat Şahinarslan von der Ditib der Deutschen Presse-Agentur. Bisher sei freitags immer im Gebetssaal selbst gerufen worden. Der Rufende an diesem Freitag ist demnach Mustafa Kader, Religionsbeauftragter der Ditib.

Abdurrahman Atasoy, stellvertretender Vorsitzender im Ditib-Bundesverband, sagte, man sei „sehr glücklich“ über den mit der Stadt Köln geschlossenen Vertrag. „Der öffentliche Gebetsruf ist ein Zeichen für die Beheimatung der Muslime.“ Aus „unsichtbaren und usseligen Hinterhofmoscheen“ hätten sie es nun in die Mitte der Gesellschaft geschafft. „Dass Muslime mit ihren repräsentativen Moscheen als sichtbarer und mit ihrem Gebetsruf als hörbarer Teil endlich gesellschaftlich angekommen und angenommen sind, ist die Kernbotschaft dieses langen Prozesses.“

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Die Stadt Köln hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass Moscheegemeinden auf Antrag und unter Auflagen ihre Gläubigen zum Gebet rufen dürfen. Vorläufig handelt es sich um ein auf zwei Jahre befristetes Pilotprojekt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) verweist dabei auf die im Grundgesetz verbriefte Freiheit der Religionsausübung. Während in Kirchen die Glocken läuteten, um die Gläubigen zum Gottesdienst zu rufen, seien es in den Moscheen die Rufe des Muezzins.

Machtdemonstration des politischen Islam?

Der Berliner Islamismus-Experte Ahmad Mansour hat den Muezzinruf als „Machtdemonstration des politischen Islam“ kritisiert. Er erinnerte daran, dass die Ditib der verlängerte Arm der türkischen Religionsbehörde in Ankara sei und Präsident Recep Tayyip Erdogan die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld 2018 persönlich eröffnet habe. „Es ist verheerend, wenn ausgerechnet dieser Organisation jetzt eine derartige öffentliche Anerkennung zuteil wird“, sagte Mansour der Deutschen Presse-Agentur.

Der Autor und Psychologe kritisiert insbesondere, dass die Entscheidung von Reker einfach verkündet worden sei, ohne dass vorher eine Diskussion stattgefunden habe. Für Glaubensfreiheit sei natürlich jeder. „Aber den Muezzinruf einfach nur in diesen Kontext zu stellen, ist sträflich naiv.“

dpa