Karneval in Köln: Abgebissene Ohren und abgebrochene Glasflaschen als Waffe – Polizei zieht Bilanz

Nack Karneval zieht die Polizei Köln Bilanz – und die Zahlen sind erschreckend. Laut der Behörden hat sich die Menge an Verbrechen wieder dem "Vor-Corona-Niveau" angenähert. Eine Entwicklung, die sicher niemand für erstrebenswert hielt.
Karneval in Köln - Weiberfastnacht
Mit der Party kam der Dreck: Auf die Säuberungsdienste der Stadt kommt schwere Arbeit zu. Foto: Henning Kaiser/dpa
Mit der Party kam der Dreck: Auf die Säuberungsdienste der Stadt kommt schwere Arbeit zu. Foto: Henning Kaiser/dpa

Karneval in Köln: Die pure Lebensfreude, jede Menge Spaß und für viele Menschen endlich die Möglichkeit, nach langer Corona-Abstinenz wieder zusammenzufinden. Am Rosenmontag zeigte Köln, wie ein „Zoch“ auch ohne Karnevalsmotto als riesige Friedensdemo funktionieren kann – und sendete damit ein deutliches Zeichen in die ganze Welt hinaus. Auf der anderen Seite hat die Polizei nun Bilanz gezogen: Über die Karnevalstage hatten die Beamten und Rettungskräfte extrem viel zu tun. Hier erfahrt ihr, was im Schatten vom Karneval auf den Straßen geschehen ist.

Nachdem 2021 pandemiebedingt sämtliche Karnevalsveranstaltungen in Köln abgesagt worden waren, was aus polizeilicher Sicht einen massiven Kriminalitätsrückgang zur Folge hatte, ergeben sich hinsichtlich des diesjährigen Karnevalsgeschehens weitaus drastischere Zahlen. Aufgrund der Lockerungen spricht die Polizei von einer deutlichen Annährung an das „Vor-Corona-Niveau“. Oder kurz: ein Zustand, den niemand gutheißen kann.

Die Zahlen von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch in Köln auf einen Blick:

  • Bei insgesamt 1008 Einsätzen kam es zu 80 Ingewahrsamnahmen, sieben Festnahmen und acht verletzten Polizeibeamten. Vor Corona waren es 1102 Einsätze gewesen.
  • Von 952 kontrollierten Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern waren insgesamt 49 alkoholisiert unterwegs, 19 Führerscheine wurden sichergestellt. Insgesamt kam es zu 21 Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss. Neun Personen wurden verletzt.
  • Im Raum Köln wurden 278 Taschen-Diebstähle, 35 Raubdelikte und und unglaubliche 481 Körperverletzungen gemeldet.
  • Auch die Zahl von Sexualdelikten ist mit 38 hoch, vor allem da die Dunkelziffer noch erheblich höher ausfallen dürfte.

Mit abgebrochener Glasflasche auf Hals gezielt: Betrunkener attackiert Polizisten

Bezeichnend für das erhebliche Aggressionspotenzial ist der brachiale Angriff eines 37 Jahre alten „Feiernden“ aus Hennef. Dieser ging am späten Freitagabend auf einen Polizisten los: An der Roonstraße, Ecke Zülpicher Straße stürmte der Mann nach massivem Alkohol- und Drogenkonsum schreiend aus einer Gaststätte auf den Beamten zu. Dabei stach er nach derzeitigem Kenntnisstand gezielt mit einer abgebrochenen Glasflasche nach dessen Hals. Der Polizist konnte den Angriff im letzten Moment abblocken und wurde nur leicht verletzt. Dennoch musste er seinen Dienst anschließend abbrechen.

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Mann beißt Stück aus Ohr ab

Bereits zum Start des Kölner Karnevals an Weiberfastnacht kam es zu einem besonders fiesen Zwischenfall: Bei einer Auseinandersetzung zwischen einem 26- und einem 31-Jährigen biss der jüngere Mann seinem Kontrahenten ein Stück aus dem Ohr. Er selbst erlitt bei der Schlägerei eine Armfraktur, musste nach der ärztlichen Behandlung aber gleich weiter in Polizeigewahrsam.

Ebenfalls immer wieder ein Thema: Betrunkene Menschen auf Gleisen. So musste ein Polizeihubschrauber ein „wildes Partyhuhn“ über die Gleise jagen, mehrere weitere Vergehen führten zu kurzfristigen Streckensperrungen.

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Tragischer Tod einer 18-Jährigen: Sie wurde vom Zug erfasst!

Überschattet wurden die Karnevalstage zudem vom mutmaßlichen Unfalltod einer 18-Jährigen, die am Rosenmontag nahe des Aachener Weihers von einem Zug der Deutschen Bahn erfasst und tödlich verletzt wurde. Die Ermittlungen der Kripo Köln dauern dahingehend noch an.

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Zülpicher Viertel „absolut distanz- und respektlos“

Angesichts der zusammenfassenden Zahlen der Polizei resümiert Einsatzleiter und Polizeidirektor Rüdiger Fink: „Insbesondere im Hotspot Zülpicher Viertel war jeweils frühzeitig sehr massiver Zulauf durch jüngeres Partyvolk erkennbar. Bereits ab den Nachmittagsstunden zeigte sich dann unter fortschreitendem Alkoholkonsum eine gegenüber den Polizei- und Ordnungsdienstkräften absolut distanz- und respektlos auftretende Klientel, was zwingend verstärkte Polizeipräsenz erforderlich machte.“

Wie es in Köln auf der Straße zuging, erfuhr auch ein RTL-Reporter vor Ort: In einer Live-Schalte wollte er eigentlich nur der Frage nachgehen, ob man Karneval in diesen schwierigen Zeiten überhaupt feiern kann. Dabei wurde er von einer Gruppe Jugendlicher bedrängt, es wurde gegrölt und die Schalte schließlich abgebrochen. Die Bilder sorgten bundesweit für Entsetzen. „Schäme mich für Köln“, oder „Widerlich“ waren dabei noch die meisten und angenehmsten Reaktionen auf Twitter:

>>“Für Köln schämen“: Karnevalisten drehen bei RTL-Bericht völlig durch <<

Für viele Karnevalisten ist klar: Diese Leute haben nichts mit dem Karneval am Hut. Und die Polizei selbst hat noch einige anstrengende Tage vor sich: Eine abschließende Bewertung sei erst zu einem späteren Zeitpunkt und nach weiteren Ermittlungen möglich. Die Zahlen haben also durchaus noch Luft nach oben.

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