Der neue König der Trash-Spiele: Strange Brigade im Test für PC

...oder: Warum ein mittel prächtiges Spiel richtig gut sein kann. Und nein, das ist kein Paradoxon.
Foto: Rebellion
Foto: Rebellion
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…oder: Warum ein mittel prächtiges Spiel richtig gut sein kann. Und nein, das ist kein Paradoxon.

Eigentlich sollte man als Tester eines Videospiels unvoreingenommen an einen Text wie diesen herangehen. Will heißen: Keine Blicke zur Konkurrenz, keine Wertungen, keine Spoiler. Dennoch habe ich es mir nicht nehmen lassen und kurz vor diesen Zeilen einen Blick auf metacritic geworfen – eine Seite, die meiner bescheidenen Meinung nach in Sachen objektiver Wertung keine zwei Cent wert ist, aber dennoch eine willkommene Abkürzung zur internationalen Presse und einigen Spieler-Meinungen bietet.

Die Bandbreite der bisherigen Scores könnte nicht größer sein: Die zur Zeit zu “Strange Brigade” gelisteten Kritiken reichen von “30” bis “90”, der überwiegende Anteil gibt sich mit dem blassen Mittelwert von “70” zufrieden.

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Puh, tja, und nun? Da steh ich nun ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor. Wenn ihr diesen Test hier lesen solltet, erwartet ihr von mir natürlich jetzt die große Auflösung. Lohnt sich Strange Brigade als Fan von Koop-Shootern? Im persönlichen Gespräch würde ich einfach schnell nicken und beide Daumen nach oben strecken. Und euch dann ins Ohr wispern: “Aber zahlt dafür keine 50 Euro. Wartet auf ‘nen Sale!”

Als Redakteur fällt meine Antwort weitaus positiver aus: Kauft es euch, ganz egal wie teuer es gerade ist. Denn tatsächlich muss sich Strange Brigade weder in Sachen Inhalt, noch in Sachen Qualität verstecken – und bietet obendrein eines der erfrischendsten Settings der Saison. Oder um es noch anders zu sagen: Meiner Meinung nach wird niemand den Kauf von Strange Brigade bereuen.

Indiana Jones und der Fluch der Hexenkönigin

Fangen wir von Vorne an: Vier Abenteurer ziehen im Indiana-Jones-Setting der 30er Jahre in den Kampf gegen unzählige Untote, Skelette, Mumien, Skorpione, weichen fiesen Fallen aus, knacken simple Rätsel und stellen sich dem Fluch der “Hexenkönigin”. Die Handlung ist so banal wie Banane, die eingestreuten Schwarz-Weiß-Filmchen nehmen gekonnt Abenteuerfilme alter Kinotage auf die Schippe, bleiben allerdings wortwörtlich so blass, dass man sie auch als größter “Ich lese bei Skyrim jedes Buch!”-Lore-Guru wegklicken kann, ohne sich danach seines Lebens schämen zu müssen.

Ganz anders der famose Ansager, der das Geschehen aus dem Hintergrund im astreinen Englisch kommentiert und wesentlich zur gelungenen “Trash”-Atmosphäre beitragen kann. Mit “Trash” haben die Entwickler bereits Erfahrung sammeln dürfen: Gleich drei “Zombie Army”-Shooter haben Rebellion bereits als Ableger ihres großen Zugpferdes, der “Sniper Elite”-Serie veröffentlicht. Strange Brigade fährt im Fahrwasser der Zombies weiter – und setzt erneut auf arcadigen Spaß für bis zu vier Spieler.

Dabei wird ganz klassisch geballert, wobei jeder Charakter zwar seine “Lieblingswaffe” zugewiesen bekommt, diese aber auch frei gegen eine andere austauschen darf. Durch verdiente Goldmünzen erweitert ihr die Waffenkammer nochmal ordentlich. Einzigartig bleibt die sogenannte “Amulett-Fähigkeit”: Die Mechanikerin beispielsweise zieht einen Feind mit einer Energiepeitsche zu sich, und wirft diesen dann zurück in den Pulk, wo er explodiert. Die martialische Maasai Kriegerin hingegen setzt auf feurige Explosionen, welche ganze Truppen an Zombies gleichzeitig zurück ins Jenseits schicken können.

Aufgeladen werden die Spezialfertigkeiten über das Töten von Feinden – je mehr ihr niederstreckt, desto weiter füllt sich euer Amulett mit deren Seelen. Wer gerne mehrere Gegner auf einmal los werden will, greift zusätzlich zur Granate (inklusive Cooldown-Mechanik) oder den aberwitzig vielen “Fallen”: Einmal angeschossen werden die anrückenden Horden von herabfallenden Steinen geplättet, von Feuerfallen geröstet, von Speeren aufgespießt oder von Kreiselklingen in zwei Teile gefetzt.

Seid nur vorsichtig, dass sich eure Team-Mitglieder nicht gerade in unmittelbarer Nähe befinden! Wer stirbt landet in einem Sarkophag in der Nähe – erreichen die Überlebenden den Sarkophag, kann jeder Spieler wiederbelebt werden. Nebenbei ist übrigens die Ausweichrolle euer bester Freund, um Gefahren zu entgehen und euch aus zu dichtem Feind Getümmel zurückzuziehen.

Das Geheimnis der Jade-Katzen

Die Level sind nicht nur grafisch schön anzuschauen, sondern auch hervorragend designed: Neben den üblichen “Hier kämpft ihr gleich um’s Überleben”-Arenen, schlängelt ihr euch durch kleine Höhlen, entdeckt geheime Orte, oder freut euch über alternative Routen. Sammelobjekte wie Jade-Katzen machen das Abgrasen der Level nach allen Secrets noch motivierender – und belohnen euch mit zusätzlichen Goldmünzen, Waffen und Upgrades.

Neben der knapp sechs- bis sieben stündigen Kampagne, hält die Strange Brigade zusätzlich noch einen Horde- und Score-Attack-Modus für euch parat. Beide Modi funktionieren astrein – und zeigen in den höheren Schwierigkeitsgraden durchaus ihre Zähne. Ohne Teamwork geht hier nichts mehr!

Apropos Teamwork: Jeder, der diesen Text bis hierhin gelesen hat, wird es ohnehin schon wissen, dennoch möchte ich es nochmal betonen: Strange Brigade ist ein Koop-Spiel, welches alle seine Stärken aus dem Spiel mit mindestens einem weiteren Mitspieler bezieht. Umso erstaunlicher, dass es keine separaten Kostüme gibt, wenn ihr denselben Helden auswählt. Auch ein Splitscreen-Modus wäre bei einem Titel dieser Größe sicher keine schlechte Idee gewesen und wird schmerzlich vermisst.

Fazit

Was für ein verdammter Spaß! Strange Brigade gehört neben “Warhammer: Vermintide 2” zu meinen Koop-Spielen des Jahres und hat mir mehr als einmal ein dickes Grinsen ins Gesicht gezaubert. Dabei wächst der Titel mit jedem Level weiter, enthüllt neue Waffen und Gegner – und lässt mich begeistert nach jeder Jade-Katze suchen, um die mysteriöse Katzentür am Ende des Levels aufstoßen zu dürfen. Technisch lief der Titel selbst auf meinem alten Rechner extrem rund – an Einstellungsmöglichkeiten für Grafik-Fetischisten mangelt es nicht.

Ja, mir ist wohl bewusst: In Sachen Spielmechanik gab es das alles schon mal. Horde-Modus? Check, kennt man! Fallen? Check, bereits gesehen. Hunderte Feinde abknallen und das Gehirn bei der Handlung auf Durchzug stellen? Ok, ok! Strange Brigade ist halt “Trash”, muss aber auch eben nach dieser Kategorie bewertet werden. Und innerhalb dieser Genre-Grenze macht es seinen Job ganz ausgezeichnet – insbesondere natürlich, wenn ihr eure Brigade um drei treue Freunde ergänzen könnt.

Nein, das ist kein Zelda, bekommt von mir aber dennoch 86 Prozent “druff geschissen auf andere Wertungen”, 4 von 5 astreine Vertikal-Arsch-Tritte der Maasai-Kriegerin und 9 von 10 gezogene Abenteurer-Hüte. Tolles Teil!