„Achtung Abzocke – Urlaubsbetrügern auf der Spur“: Go Vacation im Test für die Nintendo Switch

Nintendo bringt das infantile Partyspiel ganze sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung zurück auf den Bildschirm. Spoiler: Es ist nicht besser geworden.
Foto: Nintendo
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Von Marco Mainz

Dass das Aufwärmen von Spielen älterer Konsolengenerationen äußerst lukrativ sein kann, ist bestens bekannt. Auch Nintendo bedient sich gerne an bereits älteren Titeln und veröffentlichte zuletzt die WIi-U-Perlen „Donkey Kong Country: Tropical Freeze“ und „Captain Toad: Treasure Tracker“ auf der Switch.

Nun aber hat sich der japanische Kultpublisher etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt – und bringt das infantile Partyspiel von Bandai Namco “Go Vacation” ganze sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung auf der Wii zurück auf den Bildschirm. Spoiler: Im Gegensatz zu einem guten Wein ist dieser Titel leider nicht besser geworden.

Dabei klingt es auf dem Papier gar nicht mal so schlecht. Die riesige Insel mit dem Namen „Kawawii“ („kawaii“ bedeutet auf japanisch so viel wie „süß“ und „putzig“) wartet nur darauf von euch erkundet zu werden!

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Ich starte in einer Lagune des Seerresorts, einem von vier Teilen der Insel, die sich in Form einer kleinen Open World um kunterbunten Spaß und grenzenlose Freude drehen. Mit meinem Mii-Figürchen schwing ich mich auf ein brummendes Jetski und düse erstmal haltlos durch das azurblaue Meer. Paradiesischer Strand soweit die Polygone reichen!

Während ich so über das Wasser schepper, fallen mir die vielen NPCs mit ihren Sprechblasen auf. “Die sollt’ ich mal anquatschen.”, denke ich mir und bereue es sogleich auch wieder. Noch bevor ich fliehen kann, knallt mir das oberflächliche Gebrabbel der Männeken um die Ohren. Smalltalk? Hilfe, bloß weg!

Minspiele en masse

Weil ich nicht nur den ganzen Tag sinnfrei mit dem Jetski in der Bucht rumcruisen möchte, gehe ich dem Stempel-Sprint nach. Im Grunde ist das ein Leitfaden für Kinder (und Doofe), durch den ich nach und nach jedes der über 50 Minispiele auf Kawawii kennenlerne. Ähnlich wie bei einer Quest, werden die Minispiel-Lokalitäten auf meiner Karte markiert. Ich kann, muss ihnen aber nicht nachgehen. Im Seeresort warten umgebungstypische Aktivitäten wie Quadrennen oder Surfen auf mich, in einer verschneiten Umgebung inmitten von Bergen darf ich dann Schneemänner bauen – und in der Stadt wird natürlich geskatet.

Schnell wird klar, dass sich die Steuerung seit der Veröffentlichung im Jahr 2011 nicht verändert hat. Die Figuren bewegen sich klobig, die Spieltiefe hält sich stark in Grenzen. Beim Beachvolleyball brauche ich streng genommen nur eine einzige Taste im richtigen Moment drücken, da sich die Figur ganz von alleine an den Landepunkt des Balls bewegt. Die künstliche Intelligenz? Nicht fordernd.

Auch die verschiedenen Rennen sind ein Witz. Weder beim Quad, noch beim Motorschlitten ist in irgendeinem Moment die Bremse vonnöten. Die Fahrten sind langweilig und monoton, weshalb ich mich zum Ende hin eher quäle als mich in die Kurven zu schmeißen. Gewinnen tu ich auch nebenbei mit einer Hand am Smartphone. Aber immerhin wartet nach Abschluss eben einer dieser Stempel, die ich brauche um ein neues Resort freizuschalten.

Meine winzige Hoffnung, dass im nächsten Teil der Insel der spielerische Anspruch ein wenig anziehen würde, war naiv. Der kindgerechte Schwierigkeitsgrad erstreckt sich über das gesamte Spiel.

Villa Kunterbunt

Wenn es beim Kernelement hakt, dann sollten doch zumindest bei den optionalen Aktivitäten freudige Stunden aufkommen. Go Vacation bietet in der offenen Welt die Möglichkeit seine eigene Villa zu bauen und zu gestalten – „Sims“-light, sozusagen. Sogar das Freischalten von Haustieren und neuen Klamotten ist möglich. Zum einen durch das tägliche Anmelden, zum anderen durch das Abräumen neuer Stempel. Also warum unserem Mii nicht eine schöne Blockhütte im Bergresort bauen und ein schnuckeliges kleines Hündchen mit auf Reisen nehmen?

Na, weil’s einfach kacke ist! Zugegeben, das Baumenü steuert sich ganz intuitiv und die Auswahl an Möbeln ist recht groß. Insgesamt 450 Einrichtungsgegenstände können im Spielverlauf über die Minispiele freigeschaltet werden. Unter dem Strich ist das gesamte Feature aber einfach lieblos gestaltet. Das liegt nicht zuletzt an der grauenhaften Wii-Grafik, die sich einfach nicht mit  heutigen Standards messen kann. Da helfen auch die 1080p nicht, die es nun dank der Switch-Portierung gibt.

Offline ist das neue Online?

Wer „Go Vacation“ gemeinsam mit seinen Freunden spielen möchte, der kann dies lediglich im Couch-Koop tun. Dabei wird in klassischer Manier im Splitscreen gezockt, sodass sich jeder frei innerhalb des aktuellen Resorts bewegen kann. Etwas kurz gedacht ist der Aspekt der Minispiele. Wenn ich beispielsweise Lust auf Skaten habe, kann mich mein Spielpartner einfach trollen, indem er einen Inselbewohner anquatscht um ein anderes Minispiel zu starten. Obwohl sich mein Spielpartner auf der anderen Seite der Insel befindet, werde ich während meiner kleinen Tricks im Youtube-Hardcut-Stil auf der Pipe unterbrochen und plötzlich zu ihm gebeamt.

Fast schon peinlich ist der Fakt, dass „Go Vacation“ im Jahr 2018 ohne Online-Modus daherkommt. Wer also die Minispiele lieber mit anderen Leuten aus der Community genießen möchte, der schaut wirklich doof aus der Wäsche. Meines Erachtens wäre die Implementierung dessen das Mindeste gewesen, um ein solches Spiel in die Neuzeit zu hieven – das gemeinsame Erkunden der Resorts im Online-Modus hätte sicher Anklang gefunden. Besonders dann, wenn die Spieler sich gegenseitig in ihre Villen einladen könnten um mit ihren freshen Einrichtungen zu prahlen wie in MTV Cribs.

Fazit

Machen wir es kurz und schmerzlos. Go Vacation ist ein Dämon aus der Vergangenheit, den man niemals wieder zurück unter die Lebenden hätte bringen dürfen. Das Minispiel-Konglomerat macht nichts, was ein anderer Titel auf dem Markt nicht besser hinbekommen würde. Wenn ich mein Traumhaus designen möchte, dann greife ich zu “Die Sims” und wenn ich Lust auf ein Rennspiel habe, dann ist mir selbst “Crash Bandicoot Racing” aus dem letzten Jahrtausend lieber.

Die Steuerung ist mies, die Minispiele lieblos designed und der Schwierigkeitsgrad ist selbst für kleine Zocker so niedrig angesetzt, dass die Motivation schnell flöten geht. Der fehlende Online-Modus ist da nur das i-Tüpfelchen auf einem gescheiterten Urlaubsausflug.

40 üppige Euronen soll der “Spaß” im Nintendo eShop kosten. Wer hier zugreift gehört gefahndet. Für alle Minispielfans, die nun enttäuscht in ihr Apfelsaftglas schauen, habe ich drei Worte und ein Datum: Super. Mario. Party. Am 5. Oktober ist es soweit!

In diesem Sinne renne ich schnell zurück an Bord des Flugzeugs und verlasse Kawawii mit 2 von 10 gesammelten Stempeln, einer von fünf  lustlos eingerichteten Villen und 23 von 100 „gemeisterten“ Aktivitäten.