Upskirting ist jetzt eine Straftat – auch Gaffern geht es mächtig an den Kragen

Wer Frauen unter den Rock fotografiert oder Bilder von toten Unfallopfern verbreitet, muss künftig mit harten Strafen rechnen.
Upskirting
Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Wer Frauen unter den Rock fotografiert oder Bilder von toten Unfallopfern verbreitet, muss künftig mit Strafen rechnen.

Der Bundestag nahm in der Nacht zum Freitag einen Gesetzentwurf der Bundesregierung an, mit dem der Persönlichkeitsschutz bei Bildaufnahmen gestärkt werden soll. Die Neuregelung zielt auf das sogenannte Upskirting sowie von Gaffern an Unfallstellen gemachte Fotos.

„Eine Frau unter den Rock oder in den Ausschnitt zu fotografieren, ist eine schamlose Verletzung ihrer Intimsphäre, die künftig unter Strafe steht“, erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Solche Grenzüberschreitungen seien nicht hinnehmbar. Die Fotos verletzten nicht nur die Persönlichkeitsrechte, sondern auch die sexuelle Selbstbestimmung.

Zum verbesserten Schutz von Unfallopfern vor Gaffer-Fotos erklärte die Ministerin, wer schwer Verletzte oder gar Tote aus „reiner Sensationsgier“ fotografiere, „verletzt jeden menschlichen Anstand“. Bislang sei solches Fotografieren von Verstorbenen nicht strafbar, diese Lücke werde jetzt geschlossen.

„Oft werden dabei auch noch Rettungskräfte behindert, die alles tun, um Leben zu retten.“ Bislang ist das Fotografieren von Toten nicht strafbar. „Diese Lücke schließen wir jetzt. Den Angehörigen müssen wir das zusätzliche Leid ersparen, dass Bilder ihrer verstorbenen Eltern oder Kinder auch noch verbreitet werden.“

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Härtere Strafen für Fotos unter den Rock und in die Bluse

Gerade in Menschenmengen kommt es vor, dass mit dem Handy unter den Rock fotografiert wird – und möglicherweise massenhaft intimste Fotos ungewollt im Internet landen. Für Betroffene ein Albtraum. Upskirting wird ab jetzt härter bestraft. Kann das das Problem lösen?

Wer mit einem Rock in einer vollen Bahn steht, der muss fürchten, dass womöglich jemand ungewollt eine Kamera darunter hält, ein Foto schießt und es verbreitet. Wer sogenanntes Upskirting betreibt, macht sich aber in Zukunft strafbar: Der Bundestag beschloss am frühen Freitagmorgen ein Gesetz, das eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vorsieht. Gelten soll es voraussichtlich ab dem Herbst.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Johannes Fechner, sagt: „Die Opfer solcher Fotoattacken werden oft überrascht oder bekommen gar nicht mit, dass sie fotografiert wurden. Deshalb ist es nicht möglich, sich gegen das Fotografieren des Intimbereiches zu schützen und somit zu verhindern, dass intimste Bilder massenhaft im Internet verbreitet werden.“ Bislang wurde das Upskirting nur als Ordnungswidrigkeit mit geringen Geldbußen geahndet, was Täter kaum abgehalten habe. „Deshalb schließen wir hier eine wichtige Strafbarkeitslücke und verschärfen das Strafrecht an dieser Stelle.“

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Jan-Marco Luczak, der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, sagt, das heimliche Fotografieren greife leider immer mehr um sich. „Wir steuern als Gesetzgeber jetzt entschlossen dagegen.“ Die Übergriffe seien für die Opfer demütigend, verletzend und oft verbunden mit weitreichenden psychischen Folgen.

Vor allem in großen Menschenmengen finde Upskirting statt, sagt Nils Pickert von der feministischen Organisation Pinkstinks – in Bus und Bahn, auf Festivals, in Clubs und Bars. „Es gibt Leute, die verteilen winzige Kameras auf öffentlichen Toiletten, um damit Frauen abzufilmen.“ Die Fotos seien oft für den persönlichen Gebrauch – würden aber auch häufig mit Bekannten oder im Internet geteilt.

Neben dem Upskirting sei auch das sogenannte Downblousing weit verbreitet, sagt Pickert – das heimliche Fotografieren in den Ausschnitt. „Zum Beispiel wenn ich Ihnen auf einer gegenläufigen Rolltreppe entgegenkomme, so tue, als würde ich auf meinem Handy etwas lesen, in Wahrheit aber Ihre Brust fotografiere oder filme.“

Hanna Seidel freut sich über das neue Gesetz. „Das ist ein ganz großes Symbol für Justiz, Politik und Gesellschaft. Die Symbolkraft sollte nicht unterschätzt werden.“ Es sei wichtig zu zeigen, dass nicht erst bei Berührungen in die sexuelle Selbstbestimmung eingegriffen werde. Die 29-Jährige aus Ludwigsburg bei Stuttgart hatte zusammen mit Ida Marie Sassenberg aus München mit der Petition „Verbietet Upskirting in Deutschland!“ die Debatte über das Thema in Gang gebracht. Mehr als 100.000 Unterzeichner schlossen sich an.

Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und das Saarland nahmen sich des Themas an und starteten eine Gesetzesinitiative im Bundesrat. Seidel sagt, das Gesetz löse nicht gänzlich das Problem: „In der Gesellschaft muss noch viel passieren. Aber es ist ein richtiger und sehr wichtiger Schritt.“

Das findet Pickert auch. Das Fotografieren von insbesondere Frauen im öffentlichen Raum gegen ihren Willen sei kein Kavaliersdelikt: „Es ist übergriffig, es ist eine Form von sexualisierter Gewalt und so sollte man damit auch umgehen.“

Zwar sei grundsätzlich immer die Frage, ob Strafen Menschen davon abhielten, etwas zu tun. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass es Upskirting und Downblousing immer noch geben wird.“ Das Gesetz aber sei richtig: Sexualisierte Gewalt müsse als Thema ernst genommen werden und genau das müsse sich auch im Strafmaß widerspiegeln, sagt Pickert.

Die Essener Rechtsanwältin Jenny Lederer sieht das Gesetz hingegen kritisch. „Es gibt keine validen Zahlen, wie häufig dieses Problem vorkommt. Deshalb hat das Gesetz aus meiner Sicht nur Symbolcharakter.“ Natürlich sei es unangemessen und ungehörig, heimlich fotografiert zu werden und die Gesellschaft müsse sensibilisiert werden, sagt die Fachanwältin für Strafrecht. Ein einzelnes Phänomen aber zielgerichtet als Straftatbestand auszugestalten, sei problematisch: „Strafrecht muss wirklich das letzte Mittel sein, um auf etwas Unerwünschtes zu reagieren. Das ist wirklich ein scharfes Schwert, um mit dem Problem umzugehen.“

Lederers Meinung nach hätte es ausgereicht, Upskirting weiter als Ordnungswidrigkeit zu führen – die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. „Es ist aus meiner Sicht der falsche Weg, darauf mit Strafrecht zu reagieren.“ Auch ob die härteren Strafen abschreckend wirken, sei fraglich, meint Lederer und sieht große Beweisprobleme. „Aus meiner Sicht ist das Problem nicht gelöst.“

dpa/AFP