Ritter Sport: „Cacao y Nada“-Verwirrung – Schokolade oder nicht?

Ritter Sport bringt "Cacao y Nada" auf den Markt. Doch es gibt Verwirrung: Darf sie Schokolade heißen oder nicht?
Ritter Sport
Foto: Shutterstock/Ekaterina_Minaeva
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Der Schokoladenhersteller Ritter Sport bringt eine neue Schokolade auf den Markt – und darf diese nach eigenen Angaben in Deutschland streng genommen nicht als solche bezeichnen.

Was zunächst kurios klingt, habe einen lebensmittelrechtlichen Hintergrund: Laut der deutschen Verordnung über Kakao- und Schokoladenerzeugnisse aus dem Jahr 2003 bestehe eine Schokolade nicht nur aus Zutaten wie Kakaomasse, Kakaopulver und Kakaobutter, sondern zwingend auch aus bestimmten Arten von Zucker, an die enge Kriterien angelegt seien.

Sowas aber fehle aber im neuen Ritter-Sport-Produkt mit dem Namen „Cacao y Nada“, teilte das Unternehmen aus Waldenbuch bei Stuttgart am Montag mit. Zum Süßen verwende man natürlichen Kakaosaft, den es auf einer Plantage in Nicaragua extra aus Kakaofrüchten gewinnt.

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Zwar sei der Saft der Kakaofrucht inzwischen prinzipiell in der EU als Lebensmittel zugelassen. Allerdings beinhalte das von Ritter Sport auf der Plantage gewonnene Süßungsprodukt nach Unternehmensangaben nicht den erforderlichen Zuckergehalt, der zu einer lebensmittelrechtlichen Anerkennung als Zuckerart nötig wäre. Denn laut deutscher Kakaoverordnung bestehe eine Schokolade zwingend aus „Kakaoerzeugnissen und Zuckerarten“. Die Kakaoverordnung ist eine Art gesetzliches Rezeptbuch – wer dagegen verstößt, riskiert Geldstrafen und im Extremfall gar einen behördlich verordneten Verkaufsstopp.

Ritter Sport: Gesetzeslage „absurd“

Ritter Sport beklagt, das deutsche Lebensmittelrecht sei in diesem Punkt nicht mehr zeitgemäß. Dass eine Schokolade, die zu 100 Prozent aus Kakao bestehe, ohne den Zusatz von Zucker hierzulande nicht als solche bezeichnet werden dürfe, sei „absurd“, sagte Firmenchef Andreas Ronken laut Mitteilung vom Montag. „Wenn Wurst aus Erbsen sein darf, braucht Schokolade auch keinen Zucker. Aufwachen!“ Eine Ritter-Sport-Sprecherin sagte auf Anfrage, man setze sich für eine Änderung der Verordnung ein.

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Auf den deutschen Markt bringen will das Unternehmen sein neues Produkt dennoch – nur eben nicht als „Schokolade“, sondern beispielsweise unter dem Label „Kakaofruchttafel“. Zunächst hatte die „Bild“-Zeitung (Montag) über den Fall berichtet.

Bundesernährungsministerium: Ritter Sport darf „Cacao y Nada“ als Schokolade bezeichnen

Das Bundesernährungsministerium teilte daraufhin mit, die Kakaoverordnung begrenze die Verwendung zuckerhaltiger Zutaten nicht auf bestimmte Zuckerarten. Das Ministerium könne daher nicht erkennen, dass bei der Herstellung von Schokolade nicht auch natürlicher Kakaosaft zum Süßen verwendet und das Erzeugnis unter der Bezeichnung „Schokolade“ in den Verkehr gebracht werden dürfe. „Wir haben das klare Ziel, den Zuckergehalt in Fertiglebensmitteln und Erfrischungsgetränken deutlich zu reduzieren“, sagte Ministerin Julia Klöckner (CDU) der dpa auf Nachfrage. Am Donnerstag widersprach auch das in Baden-Württemberg für die Lebensmittelüberwachung zuständige Landesverbraucherschutzministerium der Darstellung des Unternehmens.

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Zwei von der Deutschen Presse-Agentur befragte Juristen wiederum stützten die Argumentation des Unternehmens. Der Hamburger Lebensmittelrechtler Andreas Schulte sagte der dpa, die rechtliche Einschätzung von Ritter Sport dürfte korrekt sein. Der Verbrauchergedanke sei in diesem Zusammenhang wichtig – „und die Menschen denken eben bei einer Schokolade, dass dort unter anderem Zucker drin sein muss“.

Ähnlich bewertete die Hannoveraner Lebensmittelrechtlerin Katharina Gitmann-Kopilevich die Lage. Wenn das Süßungsmittel von Ritter Sport nicht den in der EU-Verordnung festgelegten Mindest-Zuckergehalt enthalte, dann falle es per Definition eher nicht unter eine Zuckerart: „Insofern ist Ritter Sport zu Recht davon ausgegangen, das Produkt nicht Schokolade nennen zu dürfen.“

Ritter Sport: Alles nur ein PR-Gag?

Ritter Sport selbst blieb auf Anfrage am Donnerstag ebenfalls bei seiner Rechtsauslegung. Den Vorwurf, sich einen PR-Gag geleistet zu haben, wies eine Sprecherin zurück. Natürlich habe man den Fall vorab „sehr intensiv“ geprüft, bevor man an die Öffentlichkeit gegangen sei.

Schokolade von Ritter Sport wird in mehr als 100 Ländern verkauft. Das Unternehmen musste in den vergangenen zwei Jahren jeweils Umsatzrückgänge verkraften, erlöste 2020 noch 470 Millionen Euro und beschäftigt weltweit rund 1650 Mitarbeiter.

dpa